Drei Haselnüsse für Aschenbrödel
Im Dezember stellen wir Ihnen als DEFA-Film des Monats die deutsch-tschechische Märchenverfilmung DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL (1973) vor. Die zum Kultfilm avancierte Co-Produktion ist fest mit der deutschen Weihnachtstradition verbunden.
Kurzinhalt
Seit dem Tod ihres Vaters lebt Aschenbrödel (gespielt von Libuše Šafránková) als Magd auf dem väterlichen Gutshof. Die Stiefmutter (Carola Braunbock) und ihre Tochter Dora (Dana Hlaváčová) lassen sie eine Reihe von Hausarbeiten verrichten. Am Hof zählen die Tauben, Pferd Nikolaus, Hund Kasperle, Eule Rosalie und der Knecht Vinzek (Vladimír Menšík) zu Aschenbrödels Freunden. Letzterer schenkt ihr drei Haselnüsse. Eines Tages lernt Aschenbrödel im Wald einen jungen Prinzen (Pavel Trávníček) kennen und verliebt sich in ihn. Die Haselnüsse helfen ihr das Herz des Prinzen zu erobern.
Regie: Václav Vorlíček
Václav Vorlíček (1930–2019) gilt als der große tschechische Märchenfilm-Regisseur. Nach dem Regiestudium an der Prager Filmhochschule FAMU realisierte Vorlíček mit dem Kinder-Kriminalfilm DER FALL LUPINEK (1960) seinen ersten eigenen Langfilm. Die Parodie DAS ENDE DES GEHEIMAGENTEN W4-C wird 1967 sein erster großer Erfolg. Mit Filmen wie DAS MÄDCHEN AUF DEM BESENSTIEL (1972) macht sich Vorlíček ab den frühen 1970er Jahren im Märchenfilm-Genre einen Namen. Später folgen u.a. die populären Verfilmungen WIE MAN DORNRÖSCHEN WACHKÜSST (1977) und DER PRINZ UND DER ABENDSTERN (1978).
Ein Drehbuch von František Pavlíček
Das Drehbuch verfasste František Pavlíček (1923–2004). Da Pavlíček aufgrund seiner politischen Haltung während des Prager Frühlings seit 1970 nicht publizieren durfte und seine Werke verboten waren, wird die Dramaturgin Bohumila Zelenková anstelle Pavlíčeks als Autorin im Vorspann angeführt. Die spätere DEFA-Regisseurin Hannelore Unterberg (u.a. KONZERT FÜR BRATPFANNE UND ORCHESTER, ISABEL AUF DER TREPPE, VERFLIXTES MISSGESCHICK!) schrieb die deutsche Synchronfassung.
Aschenbrödel – ein Sommermärchen?
Ursprünglich plante Regisseur Václav Vorlíček die Handlung im Sommer spielen zu lassen. Da die DEFA aber bereits ausreichend Filmprojekte für die Sommermonate in Planung hatte, entschied man sich in Abstimmung mit den Prager Barrandov Studios für einen Dreh im Winter. Das Gemälde „Die Jäger im Schnee“ des Malers Pieter Bruegel soll bei der Verlegung in den Winter eine entscheidende Rolle gespielt haben: Nachdem Vorlíček das Bild betrachtete, fand er neue Inspiration für eine winterliche Filmkulisse.
Herausforderungen beim Dreh
Bei den Dreharbeiten stellte das Wetter eine der größten Herausforderungen dar. Während es bei den Außenaufnahmen in Deutschland zunächst gar nicht schneite und aufwändig Kunstschnee produziert und verteilt werde musste, versanken die Darsteller bei den Aufnahmen im Böhmerwald mit ihren dünnen Kostümen hüfttief im Schnee und litten unter der Kälte. Carola Braunbock und der schwangeren Filmtochter Dana Hlaváčová bereite die Kutschfahrt durch die winterliche Kulisse mit abschließendem Sturz in einen kalten Teich die größte Anstrengung. Ein weiteres Problem stellte die in Tschechien ausgebrochene Maul- und Klauenseuche dar, die dazu führte, dass die Pferde nicht mehr die Ländergrenze passieren durften und je nach Drehort unterschiedliche Tiere mitwirken mussten.
Aschenbrödel und ihr Prinz: Libuše Šafránková und Pavel Trávníček
Regisseur Vorlíček soll über 2.000 Frauen für die Rolle des Aschenbrödels gecastet haben, aber keine von ihnen überzeugte. Der Regisseur erinnerte sich an einen früheren Filmauftritt der jungen Libuše Šafránková (* 1953) und besetzte, die zu dieser Zeit in Prag lebende Darstellerin, die gerade erst die Schauspielschule abgeschlossen hatte. Auch Pavel Trávníček (* 1950) stand noch ganz am Anfang seiner künstlerischen Laufbahn. DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL war sein zweites Filmengagement. 1982 standen Šafránková und Trávníček erneut gemeinsam als Prinz und Prinzessin für die Märchenverfilmung DER DRITTE PRINZ vor der Kamera.
In weiteren Rollen: Braunbock, Hoppe, Lesch
Die weiteren Rollen wurden mit deutschen und tschechischen Darstellerinnen und Darstellern besetzt. Von Seiten der DEFA bleibt Carola Braunbock mit ihrer Darstellung der bösen Stiefmutter am nachhaltigsten in Erinnerung. Rolf Hoppe verkörperte den König und Vater des Prinzen. Ein Jahr später spielt er für die DEFA noch einmal eine tragende Rolle in einer Märchenverfilmung und verlieh dem Puppenspieler und Erfinder Hans Röckle in HANS RÖCKLE UND DER TEUFEL nach einer Erzählung von Ilse und Vilmos Korn eine einprägsame Gestalt. Hoppe war es, der sich für DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL Karin Lesch, Tochter der Schauspielerin Mathilde Danegger (u.a. FRAU HOLLE), als Königin an seiner Seite wünschte. Lesch war Anfang der 1970er Jahre am Staatstheater Dresden angestellt und spielte dort mehrfach unter Regie des späteren DEFA-Generaldirektors Hans Dieter Mäde, der ihr Ehemann wurde. Als Komparse wirkte der spätere Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident Brandenburgs Ulrich Junghanns mit.
Musik: Karel Svoboda
Neben den darstellerischen Leistungen wird insbesondere die Filmmusik als Erfolgsgarant des Films angeführt. Für die Komposition zeichnete Karel Svoboda (1938–2007) verantwortlich. Svoboda komponierte im Lauf seiner Karriere für annährend 100 Filme und Serien Musiken, darunter finden sich weitere Märchenfilme wie DER SALZPRINZ (1983) aber auch bekannte Zeichentrickserien wie BIENE MAJA (1975–1980). Die Filmmusik für DREI HASELNÜSSE FÜR ASCHENBRÖDEL unterscheidet sich in tschechischer und deutscher Sprachfassung: Während in der tschechischen Version der bekannte Sänger Karel Gott singt, beinhaltet die deutsche Version eine ausschließlich instrumentale musikalische Untermalung.
Drehorte
Während die Innenaufnahmen – u.a. die Ballszene und die Szenen in Aschenbrödels Dachkammer – vollständig im DEFA-Studio für Spielfilme in Babelsberg gedreht wurden, erfolgten die Außenaufnahmen an verschiedenen Orten. Markantester Drehort ist das frühere Jagdschloss August des Starken in Moritzburg bei Dresden, das bis heute eng mit der Geschichte des Films verbunden ist und regelmäßig eine Aschenbrödel-Ausstellung präsentiert. Die Wasserburg Schwihau in der Nähe von Pilsen diente als Kulisse für den Gutshof. Die Aufnahmen in der Natur entstanden im Böhmerwald.
verfasst von Philip Zengel (Dezember 2020)