Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Quo vadis DEFA-Forschung?

Internationale DEFA-Tagung an der Universität Rostock

Vom 29. bis 31. Mai 2024 fand in Zusammenarbeit der DEFA-Stiftung und der Universität Rostock die Tagung „Quo vadis DEFA-Forschung? Neue Perspektiven im Umgang mit dem Filmerbe der DDR“ statt. Mit Blick auf das Kino der DDR stellte die Fachtagung die nationale und internationale DEFA-Forschung auf den Prüfstand.

An drei Tagen im Mai sind über hundert Forschende und Filmschaffende an der Universität Rostock zu einem internationalen Austausch zum DEFA-Filmerbe zusammengekommen und stellten sich den Fragen: Wie geht es mit der DEFA-Forschung weiter? Welche Themen sind nach wie vor unberührt, wo gibt es Leerstellen? Und wie hat die Gegenwart den Blick auf das DEFA-Filmerbe verändert?

Eröffnet wurde die Fachtagung mit einem Grußwort durch die Rektorin Prof. Dr. Elizabeth Prommer und mit einem Einblick in die Arbeit der DEFA-Stiftung vom Vorstand Stefanie Eckert, die überleitend zu einem Podium die Archiv-Arbeit der Institutionen Bundesarchiv, Deutsche Kinemathek, Filmmuseum Potsdam und der DEFA Film Library vorstellte.

Einen Überblick über die Archive und Sammlungen der DEFA finden Sie hier .

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Rektorin der Universität Rostock Prof. Dr. Elizabeth Prommer bei der Eröffnung der Tagung. Quelle: ITMZ | Universität Rostock

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

DEFA-Stiftungsvorstand Stefanie Eckert während ihrer Eröffnungsrede. Quelle: ITMZ | Universität Rostock

Unter dem Titel „Immer bleibt etwas übrig; ein Rest, der nicht aufgeht“ appellierte Kameramann Peter Badel anschließend an die Forschenden, den Blick zu öffnen und Perspektiven zu suchen, die nicht in Akten überliefert sind. Dies könne durch die Einbeziehung von Gesprächen mit Filmschaffenden oder das Hinzuziehen von archivierten Objekten erfolgen. Auch dürfe das Filmwesen der DDR nicht auf DEFA beschränkt werden, sondern müsse Auftragsproduktionen, Industrie- und Lehrfilme aber auch den Amateurfilm berücksichtigen.

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

DEFA-Stiftungsvorstand Stefanie Eckert im Gespräch mit Kameramann Peter Badel. Quelle: Lorena Elser | Nina Ewert © IMF | Universität Rostock

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Tagungsgäste. Quelle: Lorena Elser | Nina Ewert © IMF | Universität Rostock

Zum Eröffnungsabend wurde der im Rahmen des Förderprogramms Filmerbe digitalisierte DEFA-Film BANKETT FÜR ACHILLES (1975) von Roland Gräf präsentiert. Bemerkenswert offen beleuchtet der Gegenwartsfilm die Auswirkungen der Chemieindustrie auf die Umwelt. Im Filmgespräch mit Linda Söffker berichtete Schauspielerin Ute Lubosch über diese Zeit in der DDR und seine Bezüge zur Gegenwart.

Filmstill zu "Bankett für Achilles"

Ute Lubosch in BANKETT FÜR ACHILLES (R: Roland Gräf, 1975) Fotograf: Klaus Goldmann

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Linda Söffker (DEFA-Stiftung) im Gespräch mit Schauspielerin Ute Lubosch. Quelle: DEFA-Stiftung, Fotograf: Philip Zengel

Während der drei Tage konnten die Tagungsteilnehmenden 40 Vorträge in dreizehn Themen-Panels hören und diskutieren. Zu vielen Schwerpunkten wurden Fragen aufgeworfen, die die Forschungsgemeinschaft in den nächsten Jahren begleiten werden.

Das Tagungsprogramm ist  hier (11.68 MB) abrufbar.

Mittwoch - 29. Mai 2024

    1. Kerstin Risse & Alexandra Luther: Bundesarchiv, Berlin 
    2. Diana Kluge: Deutsche Kinemathek, Berlin 
    3. Ralf Forster & Barbara Ziereis: Filmmuseum Potsdam 
    4. Victoria I. Rizo Lenshyn: DEFA Film Library , University of
      Massachusetts, Amherst
    1. Mariana Ivanova: DEFA Film Library, University of Massachusetts: Heritage and (East German) Cinema: A Pertinent Relationship
    2. Seán Allan: University of St Andrews / Universität Bonn: DEFA, Generational Change and the Socialist Anthropocene: BANKETT FÜR ACHILLES (1975, Roland Gräf) and BIOLOGIE (1990, Jörg Foth)
    3. Sabine Hake: University of Texas: Learning from the Historians: Wismut across the Disciplines

Donnerstag - 30. Mai 2024

    1. Matthias Steinle: Université Sorbonne Nouvelle: „Frau-Augenzeuge“ und weibliche Perspektiven im (DEFA-) Dokumentarfilm
    2. Evelyn Hampicke: Berlin: Vom „Weggehen“ zwischen Mauern. Frauenfiguren im DEFA-Spielfilm 1965/66
    3. Yulia Yurtaeva-Martens: Filmuniversität Babelsberg: DEFA und Fernsehen: Geschlechterperspektiven
    4. Faye Stewart: University of North Carolina: Queering Socialist Cinema
    1. Christian Pischel: Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig: Enthusiasmus und Eigensinn – Arbeit und Liebe. Das politische Denken des DEFA-Films zwischen 1946-1966
    2. Jared Ziegler: University of New South Wales: Unpacking the „Halbstarken“ Film: An analysis of the news media and film production in 1950s East and West German Cinema
    3. Daniel Jonah Wolpert: University of Cambridge: Countered Images: Did DEFA create a new Germany?
    1. Michael Wedel: Filmuniversität Babelsberg: Das mediale Umfeld der DEFA. Filmpublizistik und Filmberichterstattung in Funk und Fernsehen der DDR
    2. Martin Brady: King’s College London & Helen Hughes, University of Surrey: „Operation Teutonic Sword“ and Socialist Archiveology
    3. Andreas Kötzing: Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismus-forschung, Dresden: Das Ministerium für Staatssicherheit und der Film – ein Desiderat?
    1. Ulrike Schneider: Universität Potsdam: Perspektiven auf ein „Jüdisches Filmerbe“ bei der DEFA: Dokumentarfilme und deren Rezeption nach 1990
    2. Lisa Schoß: Berlin: An der Schnittstelle von Jüdischen Studien und DEFA-Forschung: Eine (ost-)deutsch-jüdische Filmgeschichte?
    3. Evan Torner: University of Cincinnati: Whiteness and Blackness in DEFA Films
    4. Grit Lemke: Berlin: Serbska filmowa skupina: Die „DEFA-Produktionsgruppe sorbischer Film“ aus postkolonialer Perspektive
    1. Stephan Ehrig: University of Glasgow: DEFA and Housing. Perspectives on Gender, Class, and Age
    2. Tom Maulucci: University of Connecticut: The DEFA „Foreign Ministry Films“: Presenting Rostock and the Baltic
    3. Ute Wölfel: University of Reading: The Third Reich „Theatre“: DEFA Antifascism in International Context (ausgefallen)
    4. Daria Gordeeva: LMU München: Die DDR im Film Moderation / Chair: Daniel Jonah Wolpert, University of Cambridge
    1. Carolin Pommert: Charité - Universitätsmedizin, Berlin: Der medizinische Lehrfilm zwischen DEFA und Charité-Filmstudio
    2. Kerrin von Engelhardt: Humboldt-Universität zu Berlin: Kein Kino, aber DEFA - Die Lehrfilm-Produktion in den DEFA-Studios
    3. Christian Rüdiger: Berlin: Körperwelten-Poetologische Perspektiven auf Körper-, Gender- und Geschlechtsinszenierungen im DEFA-Schulfilm
    1. Esther Kontarsky: Universität der Künste, Berlin: Die Filmmusik zum DEFA-Film IKARUS von Heiner Carow (1975)
    2. Wolfgang Thiel: Potsdam: Filmmusik aus Ost- und West-Deutschland zwischen 1946 und 1989 im Vergleich
    3. Sylvie Kitanova Hume: University of Melbourne: „Cabaret“ between Politics and Entertainment: East German Film Control in the 1970s

Freitag - 31. Mai 2024

    1. Joseph Garncarz: Universität zu Köln: Die Wahl der Zuschauer: Die staatliche Organisation des Kinos und die Filmpräferenzen der Kinobesucher in der DDR, 1949-1990
    2. Anna Luise Kiss: Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin: Das Filmerbe der DDR als Forschungsfeld für Bürger*innen?
    3. Markus Plaul & Patrick Rössler: Universität Erfurt: Kinoerfahrungen konservieren. Citizen Science als Forschungsstrategie: das Projekt „Kino in der DDR“
    1. Dieter Wiedemann: Potsdam: Von der Filmausbildung für Deutschland zur Filmausbildung für die DEFA und das DFF–Anmerkungen zur Wechselwirkung von Filmausbildung und Film- und Fernsehproduktion in der DDR (ausgefallen)
    2. Ilka Brombach: Filmuniversität Babelsberg / Filmmuseum Potsdam: Die Filme der HFF „Konrad Wolf“ 1954-1990. Strategien des Umgangs mit dem Hochschulfilmerbe nach 1990, Perspektiven des Forschungsprojekts zur Hochschul-(film)-Geschichte
    3. Perrine Val: Université Sorbonne Nouvelle: Außereuropäische Studenten der Filmhochschule Babelsberg und der DEFA
    1. Carla Steinbrecher: University of St Andrews: Internationales Politisches Lied im DEFA-Dokumentarfilm: Fallbeispiel Chile
    2. Claudia Sandberg: University of Melbourne und Carlos Uxo, Monash University: DEFA, Cuba and the Figure of the Spy: Political Fantasy meets Visual Pleasure
    3. Kimberly St. Julian-Varnon: University of Pennsylvania: Blackness in the Socialist Imaginary: Black Characters in East German and Soviet Film
    4. Lauren Cuthbert: University of Aberdeen: Looking outward, looking in: Memorialisation of German and Vietnamese histories through „tote Gegenstände“ in Heynowski and Scheumann’s MEIERS NACHLASS (1975) and EINTRITT KOSTENLOS (1976) (ausgefallen)
    1. Danny Pinto: University of Chicago: Beyond Abbildtheorie, Beyond the Spielfilm: Expanding Methodologies, Interlocutors, and Archives of the Moving Image in the GDR
    2. Evelyn Preuss: University of Oklahoma: From East Germany with Worry, or: Lessons in Democracy—Love, DEFA
    3. Thomas Stegmaier: Universität Passau: Das Stacheltier: Der satirische Kurzfilm zwischen Unterhaltung und Agitation
    4. Matt Parry: University of Cambridge: Vorwärts immer, rückwärts nimmer (?): Mobility, History, and The Train as Motif in Late East German Experimental Cinema
    1. Stefanie Eckert: DEFA-Stiftung, Berlin
    2. Sebastian Heiduschke: Oregon State University
    3. Mariana Ivanova: DEFA Film Library, University of Massachusetts
    4. Anna Luise Kiss: Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin

Neben den Vorträgen aus unterschiedlicher Forschungsperspektive wurde die Tagung als Forum zum Austausch genutzt. Es ergaben sich Gespräche zwischen den Forschenden, Wissenschaftlerinnen, Filmschaffenden und Studentinnen in den Kaffeepausen, beim Lunch und auf einer gemeinsamen Bootsfahrt nach Warnemünde.

Sebastian Heiduschke (Oregon State University) stellte seine Initiative eines transnationalen DEFA-Forschungsnetzwerks „DEFA Global Scholars Network (DGSN)“ vor. Mit einer gemeinsamen Website soll künftig schneller, einfacher und damit effizienter zum DEFA-Filmerbe geforscht werden können. Die Pflege der Website müsse kooperativ und institutionsübergreifend erfolgen. Mit diesem virtuellen Treffpunkt ist ein Anfang gemacht, Einzelheiten müssen folgen – und werden spätestens bei der nächsten DEFA-Tagung in zwei Jahren auf den Prüfstand gestellt.

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Sebastian Heiduschke (Oregon State University) bei der Abschlussdiskussion. Quelle: ITMZ | Universität Rostock

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Sebastian Heiduschke präsentiert Rechersche-Website "The DEFA Global Scholars Network". Quelle: ITMZ | Universität Rostock

In einer abschließenden Podiumsdiskussion konnten Vorschläge und Kritikpunkte, die sich im Verlauf herauskristallisiert hatten und in unterschiedlichen Zusammenhängen wiederholt angesprochen wurden, formuliert und festgehalten werden. Für Vorstand Stefanie Eckert war die Vielfalt der vorgetragenen Perspektiven bezeichnend. Die Gegenwart stellt viele Fragen an das ostdeutsche Filmerbe:

  • Welche in der DDR produzierten filmischen Arbeiten geben jenseits der DEFA Auskunft über das Land und ihre Menschen?
  • Welchen Stellenwert haben DEFA-Filme im gesamtdeutschen Filmgeschichtsverständnis? Welche Bezüge bestehen zum aktuellen deutschen Film?
  • Wie geht man mit einem Filmerbe um, das Stereotype repräsentiert?
Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Andy Räder (Universität Rostock), Sebastian Heiduschke (Oregon State University), Stefanie Eckert (DEFA-Stiftung), Anna Luise Kiss (Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch), Mariana Ivanova (DEFA Film Library und der University of Massachusetts) und Elizabeth Ward (Universität Leipzig) bei der Abschlussdiskussion. Quelle: ITMZ | Universität Rostock

Aufnahme von der DEFA-Tagung 2024

Dr. Stella Donata Haag (Filmuniversität Babelsberg), Diana Kluge (Deutsche Kinemathek), Ilka Brombach (Filmuniversität Babelsberg und dem Filmmuseum Potsdam), Perrine Val (Université Sorbonne Nouvelle) und Carla Steinbrecher (University of St Andrews gespannt). Quelle: ITMZ | Universität Rostock

Um Antworten wird in künftigen Forschungsarbeiten gerungen werden müssen. Dass dies angesichts der prekären Arbeitsbedingungen für Forschende an deutschen Universitäten eine große Herausforderung darstellt und weiterhin darstellen wird, erläuterte Andy Räder (Universität Rostock) eindringlich. Auch Anna Luise Kiss (HfS Ernst Busch) berichtete von ernüchternden Versuchen, auf dem Gebiet der DEFA-Forschung akademisch Fuß zu fassen.

Eine Ausstellung zu 60 Jahre Nackt unter Wölfen - Zwischen Mythos, internationaler Filmgeschichte und regionaler Erinnerungskultur  begleitete die Tagung. Studierende eines Seminarprogramms, geleitet von Michael Grisko an der Uni Erfurt, entwickelten und gestalteten Schautafeln.

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