Arthur Maria Rabenalt
Regisseur
* 25. Juni 1905 in Wien; † 26. Februar 1993 in Wildbad Kreuth
Biografie
Arthur Maria Rabenalt drehte in den frühen Jahren der DEFA zwei Filme, die in ihrer Zeit heftig verrissen wurden. Obwohl von der Kritik als Konfektionär des NS-Kinos geschmäht, gelang ihm zumindest mit DAS MÄDCHEN CHRISTINE ein veritabler Publikumserfolg. Seine in der Sowjetischen Besatzungszone entstandenen Produktionen belegen die thematische und ästhetische Spannbreite der ersten DEFA-Jahre und gelten heute als bizarre Klassiker.
Arthur Maria Lothar Konrad Heinrich Friedrich Rabenalt wird als Sohn eines Rechtsanwalts und Notars am 25. Juni 1905 in Wien geboren. Schon früh musisch interessiert, ist er im Kindesalter Statist am Theater, inszeniert als Schüler Komödien von Hans Sachs und leitet als Student eine von Theaterreformbestrebungen geprägte Wanderbühne. Der Dramatiker Carl Sternheim, den er während eines Ferienaufenthalts in der Schweiz kennenlernt, vermittelt den Sechzehnjährigen als Eleven ans Hessische Landestheater Darmstadt, an dem er im Februar 1923 seine erste Opernregie mit Albert Lortzings „Die beiden Schützen“ vorstellen kann. Danach wird er Regisseur in Berlin, Gera und Würzburg. An der Berliner Kroll-Oper, an die er 1928 kommt, erregt er Aufsehen mit der avantgardistischen Inszenierung von Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ (1930). Danach erneut in Darmstadt tätig, wird er von konservativen Kritikern als „Kulturbolschewist“ diffamiert. Im Januar 1934 erfolgt seine fristlose Entlassung aus dem Theater.
Da er schon ab 1925 gelegentlich als Regievolontär und -assistent beim Film gearbeitet hat, wechselt er nun ganz zum Kino. Er debütiert 1934 mit dem Film PAPPI. Eine weitere frühe Arbeit, das satirische Lustspiel EIN KIND, EIN HUND, EIN VAGABUND (1934), wird zeitweilig verboten und muss gekürzt und umgearbeitet werden. Rabenalt weicht zu deutschsprachigen Produktionen nach Frankreich, Italien und Österreich aus. Mit dem Melodram LIEBELEI UND LIEBE kehrt er 1938 zum deutschen Kino zurück und dreht in den folgenden sieben Jahren, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 15 abendfüllende und mehrere Kurzspielfilme. Darunter befinden sich Lustspiele (LEICHTE MUSE, 1941; LIEBESPREMIERE, 1943) ebenso wie Zirkusfilme (DIE 3 CODONAS, 1940; ZIRKUS RENZ, 1943) und Filme mit propagandistischer Tendenz, so wie ACHTUNG! FEIND HÖRT MIT! (1940), ...REITET FÜR DEUTSCHLAND (1941) und FRONTTHEATER (1943). Zwei am Ende der NS-Zeit inszenierte Arbeiten, AM ABEND NACH DER OPER und REGIMENTSMUSIK, werden erst nach 1945 uraufgeführt, WIR BEIDE LIEBTEN KATHARINA bleibt unvollendet. Nach 1945 beharrt Rabenalt darauf, im Grunde stets ein unpolitischer Regisseur gewesen zu sein und bezeichnet seinen bekanntesten NS-Film ...REITET FÜR DEUTSCHLAND, der mit dem Prädikat „staatspolitisch wertvoll“ ausgezeichnet worden ist und einige antisemitische Szenen enthält, als „einzig von einfachen, patriotischen Empfindungen getragenen Sportfilm“.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird ... REITET FÜR DEUTSCHLAND zunächst verboten und erst 1952 mit Schnittauflagen wieder freigegeben. In der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands erhält Rabenalt ein zweijähriges Berufsverbot im Filmbereich. Der eloquente und umtriebige Regisseur, der von Freunden und Kollegen nur „Rabi“ genannt wird, gründet das Münchner Kabarett Schaubude, leitet kommissarisch die Städtischen Schauspiele Baden-Baden und wird 1947 in der Sowjetischen Besatzungszone Intendant des Berliner Metropol-Theaters. Er steht der Bühne bis 1949 vor und bringt hier im Mai 1948 eine publikumswirksame Inszenierung der Jacques-Offenbach-Operette „Die schöne Helena“ heraus. Zugleich inszeniert er auch an anderen Bühnen Berlins, so an der Städtischen Oper („Der Freischütz“, Oktober 1947) und am Deutschen Theater („Claudia“, Juli 1947; „Dame Kobold“, April 1948) . Im Juni 1947 nimmt er am Ersten Deutschen Film-Autoren-Kongress in Berlin teil. In der Zeitschrift „Theater der Zeit“ heißt es über ihn: „Wenn einer zur gleichen Zeit von der DEFA als Regisseur verpflichtet wird, an Schauspiel- und Opernhäusern inszeniert und den Intendantenposten des Metropol-Theaters übernimmt, dann muss man schon von einer Allround-Begabung sprechen.“ (Horst Schnare).
Die DEFA betraut ihn zunächst mit der Regie des Films CHEMIE UND LIEBE nach einem Entwurf des ungarischen Filmtheoretikers Béla Balázs und einem Drehbuch von Marion Keller und Frank Clifford. In „Theater der Zeit“ heißt es dazu in einem Vorbericht: „Eine zeitkritische Komödie in einem utopischen Land. Nach dem Beispiel Sacha Guitrys verlässt Rabenalt, der Freund des berühmten Regisseurs Jacques Feyder, von dessen Volk er viel gelernt hat, die wirklichkeitsbedingte Form und lässt die Handlung von einem Sprecher vermitteln, der in das Spiel eingreift, kommentiert, selbst in verschiedenster Gewandung mitspielt.“ CHEMIE UND LIEBE spielt, mit antikapitalistischer Grundtendenz, in einem Zukunftsstaat, in dem konkurrierende Wirtschaftsunternehmen um eine strategisch bedeutsame Erfindung – die Verwandlung von Gras in Butter – streiten. Am Ende setzen sich die Hauptfiguren, ein junger Wissenschaftler und seine Freundin, in ein imaginäres Land ab, „in dem es keine Konzerne gibt“. Rabenalt inszeniert Slapstick, Verfolgungsjagden, erotische Verwicklungen und Modenschauen; zudem baut er eine Reihe optischer Trickeffekte in den Film ein. Für den Montagerhythmus von CHEMIE UND LIEBE orientiert er sich an der US-amerikanischen Screwball-Comedy. Die Szenen sind kurz und pointiert, handwerklich auf der Höhe der Zeit. Für CHEMIE UND LIEBE gilt, was bereits seinen Debütfilm PAPPI ausgezeichnet hatte: „Die Einzelepisoden des Drehbuchs, die das Tempo des Films immer wieder beschleunigen, die schnellen, bildlich und tonal abgestimmten Schnitte, die kein Innehalten des Zuschauers ermöglichen, und die visuellen Gags wie (...) die komisch überzeichneten Antagonisten und die optischen Täuschungen, die sich als Leitmotive durch den Film ziehen, sorgen für Atemlosigkeit“ (Stefanie Mathilde Frank). Doch CHEMIE UND LIEBE fällt bei Kritik und Publikum weitgehend durch: die einen halten ihn für ein überflüssiges, aus der Zeit gefallenes Märchen, andere bemängeln seine Schwarzweiß-Dramaturgie, in dem die politischen Widersacher einfach nur albern sind. Alfred Bauer allerdings erkennt Anleihen am „Surrealismus im Werk des amerikanischen Schriftstellers Thornton Wilder und des französischen Dramatikers Jean Anouilh“.
Noch vor der Premiere von CHEMIE UND LIEBE wird Rabenalt beauftragt, mit DAS MÄDCHEN CHRISTINE einen zweiten DEFA-Film zu inszenieren. Schon das Drehbuch über ein junges Mädchen im Dreißigjährigen Krieg und ihr schillerndes Verhältnis zu einem grausamen Obristen ist umstritten. So schreibt Slatan Dudow in einem Gutachten, hier sei „bereits die Grenze erreicht, wo man genau abwägen muss, ob sich ein Buch dieser Art für einen DEFA-Film eignet. Nach reiflicher Überlegung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dies zu verneinen. Man wird das Gefühl nicht los, dass dieser Stoff auch im Dritten Reich möglich wäre, zumindest sich für einen Ufa-Film besser eignen würde.“ (23.3.1948). Trotz massiver Bedenken verpflichtet die DEFA-Direktion Rabenalt für ein Regiehonorar von 30.000 Mark und einen Leistungszuschlag von nochmals 15.000 Mark und erhofft von ihm einen Film über die „Zertrümmerung eines falschen Heldenideals“. Zwischen Mai und August 1948 wird gedreht, Rabenalt nutzt das „historische Kammerspiel“ ausgiebig für die ihn interessierenden erotischen Momente. Nach der Premiere im Januar 1949 schreibt der Vorsitzende der Berliner SED-Landesleitung, Hans Jendretzky, unter der Überschrift „Weg damit!“, die DEFA habe ein „übles Machwerk“ auf die „durch skrupellose Kriegshetze hier in Berlin schon genügsam verwirrten Gehirne losgelassen“. Kurt Maetzig und Walter Janka sprechen sich zwar auch für eine offene ideologische Kritik, aber vehement gegen das drohende Verbot aus, weil der Film „gewaltige Massen“ ins Kino ziehe. DAS MÄDCHEN CHRISTINE erreicht allein in der DDR 4,25 Millionen Besucher. Nach dem harschen politischen Urteil wird der Plan, Rabenalt bei der DEFA mit einem Film über das berühmte Kabarett aus der Weimarer Republik, „Die zwölf Scharfrichter“, zu betrauen, nicht mehr in die Tat umgesetzt; der Stoff bleibt unbearbeitet.
Noch zwischen seinen beiden DEFA-Arbeiten inszeniert Rabenalt in Westdeutschland das Melodram MORGEN IST ALLES BESSER, danach in West-Berlin ANONYME BRIEFE, NÄCHTE AM NIL und MARTINA (alle 1949). 1950 schreibt der Regisseur, er habe mit seiner Produktivität dazu beitragen wollen, „die West-Berliner Filmindustrie, die bereits zusammengebrochen war, wieder aufzurichten und, koste es, was es wolle, in Gang zu halten. Es galt, Film-Berlin nicht allein dem DEFA-Monopol auszuliefern.“ Von nun an arbeitet er ausschließlich in der Bundesrepublik, später auch gelegentlich in Österreich. Er bleibt ein fleißiger Handwerker, der immer schon das nächste Projekt ins Auge fasst, bevor er das laufende überhaupt abgeschlossen hat. Die Arbeit am Schneidetisch ist nicht unbedingt sein Metier; viel lieber steht er hinter der Kamera, flirtet mit jungen Schauspielerinnen und inszeniert mit unbekümmerter Forschheit. Aus einer Fülle von Operettenadaptionen (DER VOGELHÄNDLER, 1953; DER ZIGEUNERBARON, 1954; DER ZAREWITSCH, 1954 u.a.), Komödien (SOLANG’ ES HÜBSCHE MÄDCHEN GIBT, 1955) sowie Revue- und Zirkusfilmen ragen zeitkritische Stoffe wie DIE EHE DES DR. MED. DANWITZ (1956) und GLÜCKSRITTER (1957) heraus, die vom Progress Film-Verleih auch für die DDR-Kinos übernommen werden und über die Peter Rabenalt urteilt: „Das magische Dreieck zwischen gesellschaftlicher Bedeutung, filmkünstlerischer Originalität und Publikumswirksamkeit, das zu unserem Leidwesen bei den DEFA-Filmen zu selten seine Zauberkraft entfaltete – ausgerechnet hier wurde es kassenträchtige Realität!“. Für sein Remake des phantastischen ALRAUNE-Stoffes holt Rabenalt 1952 Hildegard Knef und Erich von Stroheim vor die Kamera. 1961 dreht er in Österreich den dokumentarisch grundierten Kriminalfilm MANN IM SCHATTEN.
Ab 1960 arbeitet Rabenalt, der von der jungen westdeutschen Filmkritik als ein Hauptvertreter von „Papas Kino“ angesehen und abgelehnt wird, hauptsächlich fürs Fernsehen. Er bleibt der heiteren Muse treu, inszeniert Operetten und Tanzfilme, Musikshows, Kindersendungen, Komponistenporträts, kulturhistorische Essays und Literaturverfilmungen. Seine späte Rückkehr zum Kino mit Filmen wie HILFE, MICH LIEBT EINE JUNGFRAU (1969), HAIE AN BORD (1971) und CARIBIA – EIN FILMRAUSCH IN STEREOPHONIE (1978) wird weder von der Kritik noch vom Publikum wirklich wahrgenommen. Neben seiner Filmarbeit verfasst Arthur Maria Rabenalt mit flotter Feder film- und theaterhistorische Bücher, lässt seine Memoiren drucken und veröffentlicht Schriften, in denen er nicht zuletzt seine Verstrickungen ins NS-Kino reflektiert, wie in „Film im Zwielicht. Über den unpolitischen Film des Dritten Reiches und die Begrenzung des totalitären Anspruchs“ (1958/1978) oder „Joseph Goebbels und der ,Großdeutsche‘ Film“ (1985). In den 1980er-Jahren bringt er zudem erotische Romane im Lübbe-Verlag heraus, darunter „Fabienne. Die Geschichte eines Au-pair-Mädchens“ (1984), „Das Mädchen aus dem Glashaus“ (1984), „Unternehmen Liebesinsel“ (1984) und „Das Sex-Terzett“ (1985), das 1986 von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in die Liste indizierter Publikationen aufgenommen wird.
1988 überlässt Arthur Maria Rabenalt sein Privatarchiv dem theater- und musikwissenschaftlichen Institut der Universität Bayreuth. Dort wird er 1989 zum Honorarprofessor ernannt. Daraufhin schlägt der nigerianische Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka die ihm zeitgleich angetragene Ehrendoktorwürde aus. In einer hitzigen Pressedebatte über diese Vorgänge werden Rabenalts Wirken im NS-Reich und seine darauf bezogenen Reflexionen noch einmal thematisiert. Die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ stellt die Frage: „Hat sich der 83-jährige Filmregisseur und Soft-Porno-Produzent Arthur Maria Rabenalt eine Professur ,gekauft‘?“ Seine letzten Lebensjahre verbringt Rabenalt eher zurückgezogen. Er stirbt am 26. Februar 1993 in Wildbad Kreuth.
Verfasst von Ralf Schenk. (April 2021)
Literatur
Von Arthur Maria Rabenalt (Auswahl):
- Mimus ohne Maske. Über die Schauspielkunst im Film. Ein Essay, Düsseldorf 1945.
- Die verhinderte Filmkunst. Über die Ursachen der künstlerischen Krise des deutschen Nachkriegsfilms. München 1950.
- Film im Zwielicht. Über den unpolitischen Film des Dritten Reiches und die Begrenzung des totalitären Anspruchs. München 1958. Nachdruck: Hildesheim/New York 1978.
- Joseph Goebbels und der „Großdeutsche“ Film. München 1985.
Über Arthur Maria Rabenalt (Auswahl):
- Horst Schnare: Kein Film ohne Neuentdeckung: Arthur Maria Rabenalt. In: Theater der Zeit, Berlin, Heft 12/1947.
- Alfred Bauer: Deutscher Spielfilm-Almanach, Bd. 2 (1946–1955), S. 19.
- Arthur Maria Rabenalt. In: Christiane Mückenberger (Red.): Zur DEFA-Geschichte. Spielfilme 1946–1949. Sonderband 1/1981 der Filmwissenschaftlichen Beiträge. Potsdam-Babelsberg, S. 334–338.
- Otto Köhler: ...stiftet für Deutschland. Hat sich der 83-jährige Filmregisseur und Soft-Porno-Produzent Arthur Maria Rabenalt eine Professur ,gekauft‘?. In: Die Zeit, Hamburg, 5.5.1989.
- Christiane Mückenberger/Günter Jordan: „Sie sehen selbst, Sie hören selbst...“. Die DEFA von ihren Anfängen bis 1949. Marburg 1994.
- Ralf Schenk: Immerzu flott (Nachruf). In: Der Tagesspiegel, Berlin, 23.3.1993.
- Werner Sudendorf: Der streitbare Konfektionär (Nachruf). In: Filmwärts, Hannover, Heft 26/1993.
- Werner Sudendorf: Die Schwierigkeiten kamen später (Interview vom 20.2.1989). In: SDK-Newsletter 4, Berlin 1993.
- Mathias Bleckmann: Ein Verbannter (Nachruf). In: filmdienst, Köln, Heft 8/1993.
- Peter Rabenalt: Verspäteter Nachruf (Nachruf). In: Film und Fernsehen, Berlin, Heft 2/1994.
- Stefanie Mathilde Frank: Arthur Maria Rabenalts Filme 1934 bis 1945. Eine dramaturgische Analyse. Berlin 2010.
DEFA-Filmografie
- Der Augenzeuge 1947/76 (1947) - Person, primär
- Chemie und Liebe (1948) - Regie: Arthur Maria Rabenalt
- Das Mädchen Christine (1948) - Regie: Arthur Maria Rabenalt
- DEFA: Wurzeln (1986) - Person, primär | Regie: Günter Jordan
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