Filmstill zu "Einfach Blumen aufs Dach"

Peter Rabenalt

Komponist, Filmwissenschaftler, Autor

* 16. Juli 1937 in Semlin; † 25. August 2024

Biografie

Peter Rabenalt

auf der 17. Preisverleihung der DEFA-Stiftung am 1. Dezember 2017; Fotograf: Reinhardt & Sommer

Ein Mann spielt in einem Bus „verjazzten“ Bach für sich selbst. In diesem kurzen Auftritt des Komponisten Peter Rabenalt in Kurt Barthels FRÄULEIN SCHMETTERLING liegt eine vorausschauende Zusammenfassung des Wirkens des Komponisten: Mit ihm macht das Publikum ab den 1960er Jahren ungewohnte Hörerfahrungen und baut allmählich seine Widerstände gegen diese Klänge ab. Zugleich ist Rabenalt als langjähriger Professor an der heutigen Filmuniversität „Konrad Wolf“ einer der Begründer der deutschsprachigen sound studies.

Rabenalt wird am 16. Juli 1937 in Semlin (Havelland) geboren und wächst in Rathenow in einem musikalischen Elternhaus auf. Er erhält Unterricht in verschiedenen Instrumenten – Klavier, Akkordeon, Klarinette, Saxophon – und singt im Schulchor. Dennoch geht der junge Rabenalt nach dem Abitur 1956 nicht an eine Musikhochschule, seine Bewerbungschancen hält er für gering, sondern an die Deutsche Hochschule für Filmkunst (heute: Filmuniversität „Konrad Wolf“), die er 1960 mit einem Diplom der Fachrichtung Filmproduktion verlässt. Er arbeitet zunächst in der Redaktion des Deutschen Fernsehfunks und geht dann als Assistent in der Fachrichtung Dramaturgie wieder an die Hochschule zurück. Neben seiner lehrenden Tätigkeit ist Rabenalt auch als Musiker aktiv: Er tritt mit einem Jazz-Quartett auf, unter anderem im Klubhaus des Kulturbundes am Heiligensee und dem Keller des Babelsberger Rathauses. Unter den vielen Nachwuchsfilmemachern der DEFA, die in der Jazzszene der DDR unterwegs sind, trifft Rabenalt auch auf Kurt Barthel, mit dem er bereits zusammen studierte. Barthel gelingt es, ihn für die Musik für den Film FRÄULEIN SCHMETTERLING zu gewinnen.

Filmstill zu "Fräulein Schmetterling"

Milan Sládek und Melánia Jakubisková in FRÄULEIN SCHMETTERLING (1965/1966-2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

Filmstill zu "Fräulein Schmetterling"

Rolf Hoppe und Melánia Jakubisková in FRÄULEIN SCHMETTERLING (1965/1966-2020) Fotografen: Rolf-Eckhardt Rambow, Eckhardt Hartkopf

Im Zuge des 11. Plenums 1965 wird die Fertigstellung des Films verhindert. Erstmals aufgeführt wird FRÄULEIN SCHMETTERLING in Form einer Dokumentation des erhaltenen Filmmaterials im Jahr 2005. 2020 entsteht unter Mitwirkung Peter Rabenalts eine neue Fassung, die einen endmontierten Film darstellt und als hochauflösendes Digitalisat aufgeführt werden kann. Für Rabenalt beginnt im Anschluss an das Verbot von FRÄULEIN SCHMETTERLING eine Karriere als gefragter Filmkomponist. Seine Musik, die sich mit dem diskreten Charme des „Cool Jazz“ entfaltet, überzeugt viele der wichtigen Autoren des Studios. Mit Regisseur Barthel kann er 1968 an dem Kinderfilm DIE NACHT IM GRENZWALD zusammenarbeiten. Langjährige Arbeitsbeziehungen entwickeln sich unter anderem zu den Regisseuren Kurt Tetzlaff, Rainer Simon und  Armin Georgi.

Parallel zu seiner Filmarbeit lehrt Rabenalt an der Hochschule für Film und Fernsehen in Ästhetik und Dramaturgie und nimmt 1968 ein fünfjähriges Fern- und Abendstudium in Tonsatz und Kontrapunkt an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ auf. Zu seinen Lehrern gehört Wolfgang Hohensee, der als Komponist mit einer großen stilistischen Breite – von 12-Ton-Techniken bis Neoklassizismus – auch Dokumentar- und Kulturfilme vertont. Rabenalts Schaffen ist immer auch mit einem theoretischen Anspruch verbunden. Er vertont die Kinderfilme WIE HEIRATET MAN EINEN KÖNIG (1968), MOHR UND DIE RABEN VON LONDON (1968) sowie MÄNNER OHNE BART (1971) und baut gleichzeitig an der Filmhochschule einen Studiengang Ton- und Musikdramaturgie auf, deren Dozent er 1977 wird. Weiterhin veröffentlicht er filmwissenschaftliche Studien zum Filmton und zur Filmmusik. Für Rabenalt ist Zeit der klassischen „scores“, die unter die Bilder gelegt werden, vorbei. Er gehört nicht zu den Komponisten, die sich nur für die Musik des Films interessieren, sondern für den auditiven Raum als Ganzen, und eine umfassende akustische Dramaturgie anstrebt. Freilich spricht da der Wissenschaftler, der sich mit der „Komposition für den Film“ von Theodor W. Adorno und Hanns Eisler auseinandersetzt, die fordern, dass der Einsatz von Musik Teil der Drehbuchentwicklung sein müsse.

Filmstill zu "Die Nacht im Grenzwald"

Jiří Vršťala und Harald Domröse in DIE NACHT AM GRENZWALD (R: Kurt Barthel, 1968) Fotografen: Dietram Kleist, Eckhard Rambow

Filmstill zu "Tambari"

Erwin Geschonneck und Frank Reichelt in TAMBARI (R: Ulrich Weiß, 1976) Fotograf: Norbert Kuhröber

Für die Umsetzung dieses Ansatzes ist Rabenalts Begegung mit Ulrich Weiß entscheidend. „In allen Filmen mit Uli (= Ulrich Weiß) mussten kleine und scheinbar nebensächliche klangliche Vorgänge mit gleicher Aufmerksamkeit wie richtige Musik bedacht werden“, erinnert sich Rabenalt an den Anspruch des Regisseurs, der Filmkompositionen ablehnt, die sich in „Illustration, dramaturgisch nachhelfendem Leitmotiv, aufdringlicher Melodie und unangemessenem ,Wohllaut‘“ erschöpfen. Fünf Filme entstehen zusammen mit Weiß: TAMBARI (1976), BLAUVOGEL (1979), DEIN UNBEKANNTER BRUDER (1982), OLLE HENRY (1983) und MIRACULI (1991).

Nachdem Rabenalt die Forschung und Vermittlung im Bereich Ton- und Musikdramaturgie in der DDR wesentlich vorangebracht hat, gelingt es ihm, auch nach der Wende Professor für dieses Fachgebiet an der Hochschule für Film- und Fernsehen zu bleiben und wird als Gastdozent an verschiedene Hochschule eingeladen. 2002 wird Rabenalt emeritiert. Nach seinen Schriften, die primär von künstlerisch-praktischen Ansätzen ausgehen, legt er 2014 mit „Der Klang des Films“ eine filmhistorische Analyse zum Verhältnis zwischen Sehen und Hören im Film vor – eine Geschichte, zu der auch Rabenalt bei der DEFA wesentlich beigetragen hat.

Peter Rabenalt stirbt im August 2024 im Alter von 87 Jahren.

Verfasst von Stephan Ahrens. (Stand: Januar 2021)

Original-Kinotrailer zu MÄNNER OHNE BART (R: Rainer Simon, 1971) mit Musik von Peter Rabenalt

Literatur

Eigene Schriften

  • Peter Rabenalt: Die Elemente der filmkünstlerischen Gestaltung in ihrem funktionellen Zusammenhang (Leitfaden für die Analyse von Spielfilmen, Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg 1973/74.
  • Peter Rabenalt: Dramaturgie der Filmmusik, DEFA-Studio für Spielfilme Potsdam-Babelsberg 1986 (=Aus Theorie und Praxis, Heft 3)
  • Peter Rabenalt: Die audiovisuelle Einheit in Film und Fernsehen, in: Wofgang Gersch (Hg.): Beiträge zur Theorie der Film- und Fernsehkunst, Henschel Berlin 1987.
  • Peter Rabenalt: Nicht nur METROPOLIS - Filmmusik live als neues „altes“ Filmerlebnis, in: Film und Fernsehen, Nr. 3, 1992.
  • Peter Rabenalt: Film sehen und hören - Dramaturgie des Tons under Musik im Film. In: Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft, Band 47, Vistas Berlin 1995.
  • Peter Rabenalt: Filmdramaturgie, Vistas Berlin 1999.
  • Peter Rabenalt: Filmmusik mit Ulrich Weiß, in: Ralf Schenk, Erika Richter: apropos: Film 2003, Jahrbuch der DEFA-Stiftung, Bertz Berlin 2003.
  • Peter Rabenalt: Die jazzige Art gefiel den Regisseuren. Peter Rabenalt im Gespräch mit Klaus-Dieter Felsmann, in: Klaus-Dieter Felsmann: Klang der Zeit, Bert und Fischer Berlin 2013.
  • Peter Rabenalt: Der Klang des Films. Dramaturgie und Geschichte des Filmtons. Alexander Verlag Berlin 2014.
  • Peter Rabenalt: Meine Lehrer von der DEFA. Prof. Peter Rabenalt über sein Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam Babelsberg.  Leuchtkraft - Journal der DEFA-Stiftung 2018.

DEFA-Filmografie

Eine erweiterte Filmografie können Sie unter filmportal.de einsehen.

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