Filmdokumentation
Agenda
280: Filmdokumentation
Herstellung von Personen- und Sachdokumenten zu Archivzwecken.
Staatliche Filmdokumentation ist eine Produktion des Staatlichen Filmarchivs der DDR für den nichtöffentlichen Bereich.
Legende
Entstehungsgeschichte
Die Einrichtung eines „Regierungsfilmarchivs“ wird früh in den Blick genommen (1949), scheitert aber an der fehlenden Staatsfinanzierung. Eine Übernahme in das Produktionsprogramm des DEFA-Studios für Wochenschau und Dokumentarfilme ist nicht möglich, da das Studio nach der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitet und zum Verkauf der Filme an den Vertrieb verpflichtet ist: „Diese Aufnahmen sind aus archivarischen Gründen zweifellos notwendig, aber man könne den Etat der Wochenschau damit nicht belasten.“ (1952) Spätere Vorstöße des Dokumentarfilmstudios sowie von VVB Film und Staatlichem Filmarchiv (1958-1962) scheitern aus dem gleichen Grund. Die Einrichtung einer Filmothek im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme als „Spezialsammlung von Film- und Originaltonmaterialien mit dazugehörigem Katalog“ (1965) mit Zielstellung Übernahme in das SFA (1970) steht im Zusammenhang mit der Studioproduktion und erfüllt nicht die Bedingungen systematischer Dokumentenproduktion und -sammlung. Der entscheidende Vorstoß erfolgt durch das SFA mit der Bildung einer Redaktion (1969) bzw. Gruppe (1970) für staatliche Filmdokumentation Zeit- und Personengeschichte der DDR. Die konzeptionelle Grundlegung bezieht dabei auch die Quelleneditionen des IWF Göttingen ein. Die Übernahme des Filmstudios der Akademie für marxistisch-leninistische Organisationswissenschaft (AMLO)*, Berlin, mit Technik (16-mm-Aufnahme- und Bearbeitungstechnik) und Personal durch das SFA (1971) begründet die Staatliche Filmdokumentation (1972).
(*Der Plan zur Bildung eines aus der AMLO hervorgehenden Zentrums für Gesellschaftsforschung und -steuerung mit angeschlossenem Filmstudio wird nach der Entmachtung Ulbrichts (1971) zerschlagen, die AMLO aufgelöst, ihre Strukturbereiche in das ISW überführt.)
Status
Die Staatliche Filmdokumentation ist eine selbständige Arbeitsgruppe des Staatlichen Filmarchivs. Die Tätigkeit der SFD ist Bestandteil des Planes der Aufgaben des SFA.
Struktur
Die Arbeitsgruppe besteht aus Redaktion und Produktion und umfasst etwa 10 Mitarbeiter. Über Produktionsvolumen, Thematischen Plan und Filmabnahme entscheidet der Direktor des SFA. Planaufstellung und Durchführung liegen in der Verantwortung der SFD.
Zuordnung und archivarische Zielstellung gewährleisten die Zulassungsfreiheit der Produktion, „Filmdokumente aus allen gesellschaftlichen Bereichen der Republik zu produzieren und vorhandenes Material auszuwerten und zu ergänzen. Die Eigenproduktionen der SFD sind nicht vorrangig für eine aktuelle Veröffentlichung bestimmt, sondern dienen in der Hauptsache zur Archivierung.“
Politische Tabu-Themen sind auch für die SFD ein Tabu.
Produktion
Die Produktion wird im Format 16mm, schwarz-weiß, zweistreifig (Sepmag), realisiert.
Die erste Phase (1972-1978) ist gekennzeichnet durch Herstellung von Persönlichkeitsporträts. Es kommt zur Disproportion zwischen Produktionsaufkommen und Endfertigungskapazität.
In der zweiten Phase (1978-1980) wird die Personendokumentation um die Sachdokumentation erweitert. Die Ausführung des Konzepts „Berlin-Totale“ scheitert an der beschränkten Kapazität der SFD. Es kommt zur informellen Zusammenarbeit mit AdK, IML, Künstlerverbänden, Fachabteilungen des ZK der SED.
Die dritte Phase (1980-1986) ist charakterisiert durch konzeptionelle Neuorientierung im Zusammenhang mit dem Aufschwung der kulturwissenschaftlichen Forschung in der DDR. Die Arbeitsfähigkeit der Gruppe stößt quantitativ und qualitativ an ihre Grenze und wird am Ende hauptsächlich durch freiberufliche Kräfte gewährleistet. Personelle Gründe und unlösbare technische Probleme führen zur Auflösung der SFD. Die gesamte Technik und ein Teil der Mitarbeiter werden von der Produktionsgruppe Chronik des DEFA-Studios für Dokumentarfilme übernommen, welche die Dokumentation vom Grundsatz her fortsetzt (1987-1990).
In der SFD entstehen jährlich ca. 30 Personendokumentationen und 5 Sachdokumentationen, was insgesamt über 200 Filmdokumenten entspricht.
Finanzierung
Personal- und Herstellungskosten werden aus (aufgestockten) Haushaltsmitteln des SFA finanziert.
Rechtsfragen
Die Nutzung sieht entsprechend VO vom 15. Januar 1976 eine Verwendung als zeitgeschichtliches Quellenmaterial für gesellschaftliche, wissenschaftliche und künstlerische Aufgaben sowie für Aufgaben im Rahmen der kulturpolitischen Tätigkeit des SFA vor. Voraussetzung ist der Abschluss eines Werknutzungsvertrages mit dem SFA bzw. AwiF unter Angabe der Quellen, Information über die Veröffentlichung und unter Beachtung der Verfügbarkeit. Die Verfügbarkeit der Filmdokumente ist in einer Nutzungsordnung festgelegt, die eine Verwendung nach den Kriterien „ohne Einschränkung“, „mit Einschränkung“ und „genehmigungspflichtig“ (Direktor des SFA bzw. Dokumentationspartner) zum Schutz der Persönlichkeitsrechte vorsieht.
Nach 1990
Einstellung der Arbeit der Produktionsgruppe durch Fortfall der Finanzierung.
Eine Weiterführung der audiovisuellen Erfassung von Lebens- und Zeitläufen des 20. Jahrhunderts erfolgt durch Zeitzeugen TV (1990) und Cintec (1984), die ihren Archivbestand der > DEFA-Stiftung übereignen (2004; 2005).
Quellen
Bestände
- BArch Ministerium für Kultur (DR 1)
- Staatliches Filmarchiv (DR 140)
Rechtsvorschriften
- Richtlinie vom 30. September 1968 zur Anwendung des einheitlichen Systems von Rechnungsführung und Statistik im Bereich des Film- und Lichtspielwesens der DDR (BArch, DR 118/3876)
- VO vom 15. Januar 1976 über die Lizenz- und Zulassungspflicht im Filmwesen (GBl. I Nr. 6 S. 102)
- DA 4/74, Ordnung für den Umgang mit Filmen der SFD (BArch, DR 140/A 81)
- DA 4/76, Ordnung zur Produktion, Abnahme, Archivierung und Nutzung von Filmen der SFD
- DA 17/84, Ordnung zur Produktion, Abnahme, Archivierung und Nutzung von Filmen der Staatlichen Filmdokumentation (BArch, DR 140/A 933/2)
Verträge
- Vereinbarung der Staatlichen Filmdokumentation und des DEFA-Dokumentarfilm-Studios vom 11.5.1978 über die Zusammenarbeit bei der Herstellung von filmischen Dokumentationen zur Geschichte der DDR (BArch, DR 140/A 830)
Berichte
(1):
- Filmaufnahmen für Regierungszwecke, DEFA/Schwab an AfI, 5.12.1949; AfI/Lippmann an DEFA, 30.1.1950 (BArch, DR 1/4325)
- Aufträge des AfI an die Wochenschau, Protokoll der 5. Vorstandssitzung am 14.2.1952 (BArch, DR 117/21711)
- Helmut Schneider, Plan zum Aufbau eines Dokumentar-Filmarchivs, 18.5.1958 (BArch, DR 1/4381)(Archivaufnahmen von Persönlichkeiten und Einrichtungen. Vorschlag zur Bildung einer Arbeitsgruppe) SFA/Volkmann an VVB Film/Hoffmann, 4.7.1960 (BArch, DR 1/4324)
- (Dto.) SFA/Volkmann an ZK der SED/Abt. Kunst und Literatur, 11.7.1960
(SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/9.06/214) - Bildung einer Archivabteilung „Persönlichkeiten“, SFA/Volkmann an VVB Film/Hoffmann, 5.8.1960 (BArch, DR 14324)
- Heinz Schifner, Vorschlag zur Bildung einer Filmothek, 7.5.1962 (BArch, DR 1/4324)
- Zur Vorgeschichte der Staatlichen Filmdokumentation im Staatlichen Filmarchiv, 20.2.1979 (BArch, DR 140/A 830)
(2):
- Studie über den Aufbau einer staatlichen Filmdokumentation, 1.12.1969 (BArch, DR 140/A 828)
- (Umsetzung des AMLO-Filmstudios in das SFA) MinfK/Gysi an MinWT/Prey, 2.9.1971 (BArch, DR 140/A 828)
- Übernahme der Filmstelle der AMLO durch das SFA, SFA/Klaue, Information, 14.10.1971 (BArch, DR 140/A 828)
- Studie zur Erweiterung der Staatlichen Filmdokumentation des SFA, 27.8.1971 (BArch, DR 140/A 828)
- Aufgaben der Staatlichen Filmdokumentation, Fassung Mai 1972 (BArch, DR 140/A 828)
(3):
- Vorlage über die Arbeit der S.F.D. beim S.F.A. der DDR (1975) (BArch, DR 140/A 30; 829)
- Information über Entwicklung, Aufgaben und bisherige Tätigkeit der Staatlichen Filmdokumentation beim Staatlichen Filmarchiv der DDR, SFA/Klaue an HV Film, 17.6.1977 (BArch, DR 140/A 829)
- Arbeitsanalyse der SFD. Probleme, Erfahrungen, Erkenntnisse und Schlussfolgerungen, 1.22.1978 (BArch, DR 140/A 829)
- Zur Tätigkeit der Staatlichen Filmdokumentation. Erfahrungen und Schlußfolgerungen, 15.2.1979 (BArch, DR 140/A 830)
- Bericht über eine Diskussion beim 2. Nationalen Festival des Dokumentar- und Kurzfilms der DDR in Neubrandenburg, 12.10.1979 (BArch, DR 140/A 830)
- Bericht über die Diskussion mit Soziologen, 18.12.1979 (BArch, DR 140/A 830)
- Bericht über die Bildung einer Arbeitsgruppe über Maßnahmen in Zusammenhang mit geplanter Veränderung des DEFA-Augenzeugen sowie über die zukünftige Arbeitsorganisation und Aufgabenstellung der SFD, 7.5.1980 (BArch, DR 140/A 830)
- Dokumentation zur Entwicklung von Lebensweise und Kultur in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, Entwurf (1981) (BArch, DR 140/A 830)
- Zur inhaltlichen Aufgabenstellung der SFD und ihrem Dokumentationsprofil, Arbeitspapier, 1. Fassung, 6.8.1982 (BArch, DR 140/A 831)
- Konzeption der (DEFA-)Gruppe Dokumentation/Geschichte, Auszug, 20.8.1982 (BArch, DR 140/A 831)
- Konzeption zur Arbeit der SFD, Entwürfe, (1982-1983) (BArch, DR 140/A 831)
- Dr. Peter Glaß, Aufgabe und Funktion (der SFD). Konzeption 1984 (BArch, DR 140/A 830)
- Wolfgang Klaue, Ausarbeitung zur Geschichte und Situation der SFD, 17.6.1985 (BArch, DR 140/A 121)
- (Zur Auflösung der SFD) SFA/Klaue an HV Film/Pehnert, 15.10.1985 (BArch, DR 140/A 121)
- Protokoll zu der am 30.5.1986 in der HV Film durchgeführten Beratung über die Umsetzung der Staatlichen Filmdokumentation des Staatlichen Filmarchivs zum DEFA-Studio für Dokumentarfilme, 3.6.1986 (BArch, DR 140/A 121)
Literatur
- Informationsblatt, SFD des SFA, Berlin 1977ff
- Dutschke, Pedro: Entwurf einer Studiodirektive über den technologischen Ablauf zur Anfertigung von Dokumentationen im VEB DEFA-Studio für Dokumentarfilme, Produktionsgruppe CHRONIK, Fachschulabschlussarbeit, HFF 1989
- Grimm, Thomas: Verrat der Quellen. Die Staatliche Filmdokumentation. In: Jordan/Schenk 1996
- Grimm, Thomas: Erinnern als Verantwortung. Das Zeitzeugen-Archiv in Text und Bild. Katalog, Berlin 2003