Filmstill zu "Lotte in Weimar"

Quer durch Zeit und Welt.

20 Jahre Filmmuseum Potsdam

von Volker Baer

Mitunter schlägt die Geschichte eigenwillige Wege ein, um ans Ziel zu gelangen, wobei man am Ende auch noch streiten mag, was denn das Ziel und was nur willkommene Begleiterscheinung gewesen sein mag. So auch beim Filmmuseum Potsdam, das in diesen Tagen sein 20-jähriges Bestehen feiert. Galt es einst, ein gefährdetes Gebäude vor dem Zugriff zerstörungswütiger Ideologen zu retten, oder galt es vor allem, ein Filmmuseum in der DDR zu gründen? Um am Ende in beiden Fällen Erfolg zu haben, bedurfte es eines begeisterungsfähigen Mannes, der beide Absichten zu vereinen wusste: Jochen Mückenberger, den man 1966 als Direktor der DEFA-Studios seines Amtes enthoben und als Direktor der staatlichen Schlösser-und-Gärten-Verwaltung in Potsdam eingesetzt hatte. In ihm vereinigte sich die Verantwortung für die einstmals königlichen Bauten in Potsdam und die Liebe zum Film. Worum es ging? Um den Erhalt des 1685 von Nering als Orangerie errichteten, 1714 zum Pferdestall degradierten und 1746 von Knobelsdorff erweiterten Gebäudes, das den Krieg, wenn auch beschädigt, überstanden hatte. Ideologische Eiferer wollten nach der Sprengung des ausgebrannten Potsdamer Stadtschlosses auch den Marstall beseitigen. Er blieb erhalten, die Vernunft hatte gesiegt. Heute beherbergt er das Filmmuseum.

Finanzielle und politische Schwierigkeiten

Dessen Weg war lang. Nicht ohne ein gewisses Schmunzeln vergleicht der heutige Betrachter die Vorgeschichte mit der des Berliner Filmmuseums: Beide Institutionen benötigten für die Realisierung von der ersten Vorstellung bis zur Eröffnung Jahrzehnte. Politische Querschüsse, regionale Eifersüchteleien, Verständnislosigkeit, Zaudern, finanzielle und architektonische Probleme hier wie dort. Im Jahr 2000 eröffnete das Berliner Institut seine Pforten, 2001 kann das Potsdamer Haus auf zwei Jahrzehnte erfolgreiche Arbeit zurückblicken, von denen lediglich neun Jahre in die Zeit der DDR fallen, elf Jahre hingegen im vereinten Deutschland die Arbeit nachhaltig bestimmten. War das von nicht gerade dem Film verbundenen Kulturfunktionären geführte Haus zunächst der Verwaltung der Schlösser und Gärten unterstellt (was vermutlich auch einen gewissen Schutz vor der Hauptabteilung Film im DDR-Kulturministerium bedeutet haben mag), so wurde es 1991 dem Kulturministerium des Landes Brandenburg als verantwortliche Behörde anvertraut. Die Finanzierung beträgt heute drei Mio. DM. Das Filmmuseum muss jedoch alljährlich Einnahmen von 662.000 DM an das Land Brandenburg abführen. Der Etat ist somit schmal: Nur ein Drittel steht für Kino und Museum zur Verfügung. Da bleiben wenig Sachmittel für Ankäufe und Publikationen. Dennoch wurde Erhebliches geleistet, die Sammlung beträchtlich erweitert.

Zu Beginn verfügte man über keine eigene Sammlung. Wie wollte man da ein Museum ausstatten? Man hatte zwar eine Vielzahl historischer technischer Geräte vom Staatlichen Filmarchiv der DDR übernommen (und sie in der ersten Ausstellung im April 1981 gezeigt), doch Fotos, Plakate, Kostüme, Schriftgut fehlten am Anfang. Hinzu kamen politische Schwierigkeiten: Man durfte von unliebsamen DEFA-Künstlern und in den Westen ausgereisten Regisseuren und Schauspielern keine Notiz nehmen. Wie aber wollte man eine lebendige Übersicht über die DEFA-Geschichte bieten, ohne etwa Angelica Domröse, Jutta Hoffmann, Manfred Krug oder Hilmar Thate zu erwähnen? Wie sollte man ferner ein lebendiges Kinoprogramm realisieren, wenn man lediglich auf das Angebot aus östlichen Regionen, nur auf die Hilfe des Staatlichen Filmarchivs und des staatlichen Filmverleihs zurückgreifen konnte? Man fand jedoch von Fall zu Fall Auswege, schaffte sich kleine Freiräume. Immerhin konnte man, auch dies ein Novum, 1988 eine Staudte-Ausstellung in deutsch-deutscher Zusammenarbeit aus Düsseldorf übernehmen. 1989 war es dann mit der Konzeptionslosigkeit des Hauses vorbei: Die Mitarbeiter votierten für eine neue Leitung des Hauses, für die Berufung einer ehemaligen Kollegin, die von einer Auswahlkommission – auch dies ein Novum in der späten DDR – unter 42 Bewerbern tatsächlich berufen wurde: Seither leitet Bärbel Dalichow mit Erfolg das Museum, das sich nach ihren Worten weniger als eigenständige Institution, mehr als zusätzliche Informationsquelle zum Kino begreift. Die „Originale“, so Bärbel Dalichow, werden im Kino gezeigt, das Museum hingegen stellt nur eine Erweiterung des Blickes dar, und so ergänzen sich zumeist Kinoprogramm und Ausstellungsplanung. Quer durch die Filmgeschichte, quer durch die Welt – das ist das erklärte Programm. Man gibt sich, auf die Historie der Filmateliers in Babelsberg spezialisiert, weltoffen. Blickt man auf das vergangene Jahrzehnt zurück, kommt man auf rund 2000 Titel, die – von Dorett Molitor ausgewählt und betreut – im Museumskino auf dem Programm standen; vieles mochte Erinnerungen wecken, das meiste jedoch war neu für die Besucher, zumindest jene aus Potsdam. Da man Kino und Ausstellungen im Zusammenhang sieht, wird nur eine gemeinsame Besucherstatistik geführt. Sie zeigt, dass bei aller Fluktuation jährlich etwa 100.000 Filminteressierte den Weg in den Marstall fanden, sei es zur 1994 eröffneten Dauerausstellung „Filmstadt Babelsberg“, zu einer der vielen Sonderausstellungen oder ins Museumskino mit seinem wechselnden Repertoire von etwa drei bis fünf Titeln in der Woche.

Sichtbare und „unsichtbare“ Schätze

Bei den Ausstellungen sei, wie Bärbel Dalichow meint, oftmals weniger die Qualität für die Besucherzahlen ausschlaggebend als der jeweilige Name. So fand die Leni-Riefenstahl-Schau (1998) auffallend großes Interesse, während die vorzügliche Darbietung über das Schaffen des Szenenbildners Alfred Hirschmeier weniger Aufmerksamkeit erregte. Die Erinnerung geht zurück auf Übersichten, die etwa Alexandre Trauner gewidmet waren oder in schöner Atmosphäre Fellini, Hildegard Knef, Romy Schneider oder Charles Chaplin, dem malerischen Werk von Derek Jarman oder letzthin von Armin Mueller-Stahl in buntem Wechsel. Den größten Zuspruch fand, vielleicht aus einem gewissen Gefühl der Verbundenheit mit der ehemaligen DDR oder auch aus einem gewissen Trotzgefühl heraus, der Blick auf das „Sandmännchen“, eine Trickfilmfigur des abendlichen DDR-Fernsehens: Über zwei Millionen Besucher intersseirten sich in Potsdam und anderswo für das beliebte Kinderidol.

Was nicht im Museum zu sehen ist (aber auf Wunsch vorgeführt wird), ist die umfangreiche Gerätesammlung, die über 1000 große Apparate und unzähliges kleineres technisches Instrumentarium vom Bioskop der Skladanowskys bis zu neueren Apparaturen umfasst. Diese „unsichtbaren Schätze der Kinotechnik“ werden nun in einem informativen, gut illustrierten Band vorgestellt: Apparate der Frühzeit, Geräte für Aufnahme, Bearbeitung, Wiedergabe und Restaurierung. Dazu ein Verzeichnis der Sammlung und eine Übersicht technischer Dokumentationen – ein besonderer Aspekt der Filmgeschichte, gewiss nicht nur für Techniker von Reiz.

Beachtung verdienen auch die anderen bisherigen Publikationen des Filmmuseums, etwa jene über die „Filmstadt Babelsberg“, über „Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg“, den Dokumentarfilm der DDR, über Frank Beyer und Leni Riefenstahl. Sie alle zeugen von der Arbeit des Potsdamer Instituts, das mit anspruchsvollen Publikationen erst nach dem Ende der DDR hervortreten konnte. Ein anderer wesentlicher Teil des Museums ist das von Elke Schieber betreute Archiv, das vornehmlich von Filmwissenschaftlern und Journalisten genutzt wird. 90 personenbezogene Nachlässe befinden sich hier, rund 600.000 Fotos aus der Zeit von 1912 bis heute, Kostüme u.a. von Zarah Leander, Asta Nielsen, Lilian Harvey, Henny Porten und Hans Albers, Skizzen, Figuren, Plakate und Schriftgut – Schätze von unschätzbarem Wert. Einigen der Materialien mag man demnächst in der dem Bergfilm gewidmeten Ausstellung begegnen oder in Übersichten, die Klaus Kinski oder dem Fotografen Günter Linke gelten werden. An Einfällen und Arbeit fehlt es in dem Potsdamer Museum, das weit mehr ist als ein regionales Institut, jedenfalls nicht.

Volker Baer (filmdienst 10/2001)

Literaturhinweis:

Filmmuseum Potsdam: Unsichtbare Schätze der Kinotechnik, Parthas Verlag, Berlin 2001, deutsch und englisch, 223 S., 471 Fotos.

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