Filmstill zu "Lotte in Weimar"

In einer Hand.

Drefa und Kinowelt haben sich von Berliner Verleih Progress verabschiedet

von Ralf Schenk

Ohne es vorher an die große Glocke zu hängen, haben sich zwei der drei Gesellschafter der Berliner Progress Filmverleih GmbH verabschiedet. Schon im Herbst vergangenen Jahres stellte die Drefa ihre Anteile zur Verfügung; jetzt meldete auch die Kinowelt Medien AG, dass sie sich rückwirkend zum 1. Januar 2001 von Progress zurückziehe. Damit ist die von der Treuhand favorisierte Konstruktion, den einstigen DDR-Monopolverleih an drei miteinander kooperierende Partner zu vergeben, schon im dritten Jahr nach dem Verkauf gescheitert. Was hinter dem Ausstieg steckt, kann nur gemutmaßt werden; aus den offiziellen Mitteilungen gehen die Gründe jedenfalls nur bedingt hervor. Mit Sicherheit hatten sich Drefa und Kinowelt von Progress andere Betriebsergebnisse versprochen. Die Drefa war vom wirtschaftlichen Minus 1998/99 vermutlich nicht gerade erbaut und sah für sich keinen Anlass mehr, den kulturpolitischen Auftrag zur „Rettung“ der einstigen Ost-Firma weiter zu verfolgen, wenn dabei nicht auch ansehnliche Gewinne fließen würden. Kinowelt hatte Progress und den DEFA-Filmstock nicht zuletzt deshalb nötig, um einen weiteren Pluspunkt für den Börsengang aufweisen zu können. Außerdem versprach man sich bessere Kontakt zu osteuropäischen Partnern, die zu DDR-Zeiten naturgemäß von Progress gepflegt worden waren: außerdem hoffte man auf eine Vermarktung des DEFA-Stocks durch das eigene Videolabel - wobei die Rechte allerdings schon vor dem Kinowelt-Einstieg an die eigenständige Firma Icestorm vergeben worden waren. Keine der drei Hoffnungen wollte so recht aufgehen.

Der dritte Progress-Gesellschafter, die Tellux-Beteiligungsgesellschaft mbH, war ihrerseits angesichts bedenklicher Kinowelt-Zahlen nicht mehr unbedingt darauf erpicht, diesen Partner im Boot zu halten, zumal Progress für das Geschäftsjahr 2000 endlich ein ausgeglichenes Jahresergebnis vorlegte. Ohne von außen kommende Turbulenzen befürchten zu müssen, kann Tellux Progress nun zu 100 Prozent lenken und leiten. Neue Gesellschafter sind vorerst nicht geplant. Progress will sich laut Auskunft seines Geschäftsführers Jürgen Haase ganz auf sein Kerngeschäft konzentrieren: den Repertoirefilm auf Bundesebene beleben und eine extensivere Auswertung des DEFA-Stocks anstreben. Neu ist die Integration des gesamten rechtlich freien Tellux-Bestands seit Anfang der 60er-Jahre: Hunderte von Dokumentationen und Spielfilmen, darunter Werke wie Wickis „Spinnennetz“ und Brandauers „Mario und der Zauberer“. Der Einsatz aktueller Filme wird laut Haase freilich nur noch vorsichtig praktiziert. Vorgesehen sind maximal ein bis drei Starts pro Jahr, wobei Kinderfilme und „junges Kino“, etwa Abschlussarbeiten von Hochschulen, Priorität genießen sollen. Hinzu kommen „einige wenige ausgewählte europäische Projekte“, vermutlich solche Arbeiten, die von Haases zur Tellux gehörender Firma Provobis selbst produziert werden. Der Start von „Weiser“, einer Co-Produktion mit Polen, ist von Progress bereits angekündigt, und auch der von Provobis vorbereitete „Pfarrerblock“, der neue Film von Krzysztof Zanussi, wird sich bei Progress wieder finden. Auf den Einsatz neuer Dokumentarfilme, einst eine Domäne von Progress, will Jürgen Haase dagegen völlig verzichten. Dass in den nächsten Jahren von Progress Überraschendes - etwa aus Osteuropa - ins deutsche Kinoprogramm gehievt wird, dürfte bei einer solchen Strategie weitgehend ausgeschlossen sein. Spannend dagegen ist die Frage, inwieweit es gelingt, den DEFA-Repertoirefilm auch in westdeutschen Kinos (und im westdeutsch dominierten Fernsehen) unterzubringen. Auch elf Jahre nach der Einheit muss noch eine riesige Mauer aus Vorbehalten und Ignoranz überwunden werden. Für Progress eine Lebensaufgabe - die hoffentlich nicht zur Überlebensaufgabe wird.

Ralf Schenk (filmdienst 16/2001)

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