Pressekonferenz Jutta Limbach zu Honecker-Akten
22:26 Min.
Deutschland
Cintec Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft mbH, 1990
- Film-/Videoformat
- Betacam SP
Kurzinhalt (Deutsch)
Pressekonferenz zu den Honecker-Akten mit dem Chef der Sondergruppe, Oberstaatsanwalt Christoph Schaefgen, und Berlins Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD). Themen sind u. a. die juristische Aufräumarbeit, der zu bewältigende Aktenumfang, Verfahren gegen Erich Mielke und Harry Tisch, Vergeudung finanzieller und materieller Mittel für die Sonderversorgung in Wandlitz sowie die Frage nach dem Beginn des Verfahrens gegen Erich Honecker.
Filmstab
- Kamera
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- M. Thoess
- Ton
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- Neidhardt Willerding
- Redaktion
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- Ulfert Engelkes
- Person, primär
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- Christoph Schaefgen
- Jutta Limbach
- Person, sekundär
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- Harry Tisch
- Alexander Schalck-Golodkowski
- Erich Honecker
- Erich Mielke
Langinhalt
Pressekonferenz mit Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD):
Unruhe im Konferenzraum; Leute laufen umher;
leerer Rednertisch T mit sitzenden Journalisten im VG; Kameramann von hinten;
Jutta Limbach, Christoph Schaefgen et al. nehmen am Rednertisch Platz;
Rednertisch T; Limbach OH;
Jutta Limbach OT: "...die Berliner Staatsanwaltschaft sieht sich gegenwärtig einem besonderen Erwartungsdruck ausgesetzt/ ihr fällt im Wesentlichen die Aufgabe zu, 40 Jahre eines totalitären Unrechtsregimes strafrechtlich aufzuarbeiten/ Frage nach dem Haftbefehl gegen Honecker und nach seiner Haftfähigkeit werden den Staatsanwälten und mir unablässig gestellt/ Besorgnis macht sich breit, ob hier wieder nach dem Gemeinspruch verfahren wird 'Die Kleinen fängt man, die Großen lässt man laufen'/ werden in der Tat nur die strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, die an der Mauer tatsächlich geschossen haben?/ lässt man etwa die politisch Verantwortlichen frei davon gehen?/ kann man eigentlich vernünftig zweifeln, dass die Herren Honecker, Mielke und Genossen für den Schießbefehl an der Mauer und für das, was sich in Haftanstalten wie Bautzen ereignet hat, verantwortlich sind?/ veranlasst mich zwischen politischer und strafrechtlicher Verantwortlichkeit zu scheiden/ politische Verantwortlichkeit für dieses totalitäre Unrechtsregime ist schnell konstatiert/ politische Schuld für dieses Unrechtsregime ist den Herren Honecker, Mielke und Genossen im Herbst des vergangenen Jahres in eindrücklicher Art und Weise erteilt worden/ Volk hat ihn verurteilt/ er befindet sich zwar nicht bisher in einer Westberliner - wenn ich diesen geographischen Ausdruck noch einmal gebrauchen darf- in einer Westberliner Haftanstalt, aber die Bevölkerung hat ihn längst ausgegrenzt/ für die Staatsanwälte beim Landgericht und hier insbesondere bei dieser Arbeitsgruppe- beim Kammergericht Berlin- geht es jetzt darum im Einzelnen die Spuren zu verfolgen, die von der konkreten Tat und dem konkreten Täter zu denen führen, die eben für den Schießbefehl und für Bautzen politisch verantwortlich sind/ kostet Zeit und Geduld/ Arbeit muss mit Akribie versehen werden/
diese juristische Aufräumarbeit hat Dimensionen und eine politische Bedeutung, die weit über die Grenzen Berlins hinaus reichen.../ Appell an Bundesjustizminister und an Kolleginnen und Kollegen in den Ländern wenden mit der Bitte, einen Beitrag zu dieser juristischen, strafrechtlichen Arbeit zu leisten...",
Limbach stellt den Leiter der Arbeitsgruppe Regierungskriminalität in der DDR/ leitender Oberstaatsanwalt Schaefgen vor;
Christoph Schaefgen OT: "...will ihnen nur erklären, warum die vielen Fragen, die in Bezug auf Honecker gestellt worden sind...warum die aus ihrer Sicht sicherlich noch nicht befriedigend beantwortet werden können/ haben schon am Abend des 02. Oktober die Verfahrensakten des Generalstaatsanwaltes der DDR übernommen soweit die Verfahren von dort aus eingeleitet worden sind/ diese Übernahme kostete viel Zeit/ Vorgänge umfassen etwa 1000 Bände/ prall gefüllte Leitz-Ordner und etwa 570 Beistücke/ andere Art zu verfahren / hohe Einarbeitungszeit/ unter den Verfahren befanden sich zwei Haftsachen/ Haftsachen bei uns höchste Priorität/ eine dieser Haftsachen ist das Verfahren gegen Erich Mielke/ andere gegen Harry Tisch/ allein der Komplex Mielke umfasst über 200 Bände Akten und 200 Beistücke/ die Staatsanwaltschaft war gehalten - kraft des Einigungsvertrages- auf dem bestehenden Haftbefehl aufzubauen- dieser gilt weiter- und war nun verpflichtet zu prüfen, inwiefern die Vorwürfe berechtigt sind/ Arbeit ist mit fast übermenschlichem Einsatz von diesen Kollegen geleistet worden/ Arbeit begann schon am 03. Oktober und setzte sich in der Folg fort bis in die späten Abendstunden/ standen unter erheblichen Zeitdruck/ nach unserer Strafprozessordnung müssen Haftsachen spätestens nach sechs Monaten abgeschlossen sein/ Verlängerung der Untersuchungshaft nur in Ausnahmefällen/ Entscheidung darüber steht dem Kammergericht zu/ im Falle Mielke und im Falle Tisch liegen die Voraussetzungen vor/ erforderte besonderen Arbeitsdruck/ sind soweit, die Vorgänge den Gerichten vorzulegen, damit dort über die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft befunden werden kann/
führt nun dazu, dass wir uns nicht mit der Intensität, die sie sicherlich alle erwartet haben, dem Verfahren gegen Honecker widmen können/ werden das natürlich tun sobald wir aus dieser Situation heraus sind/ sobald uns also die Haftverhältnisse nicht mehr zwingen, unsere Kraft auf diesen Verfahrenskomplex zu konzentrieren...";
Christoph Schaefgen geht auf Fragen der Journalisten ein;
Christoph Schaefgen OT zur Bemerkung, dass wichtige Komplexe aus Personalmangel nicht parallel bearbeitet werden: "Wir sind Kraft unserer Strafprozessordnung verpflichtet zunächst die Haftsachen zu bearbeiten/ habe ihnen den Umfang genannt/ sie werden verstehen, dass innerhalb von zwei Wochen nicht mehr geleistet werden kann...";
Limbach OH;
Christoph Schaefgen OT zum Tatverdacht: "In Bezug auf Mielke können wir bejahen einen dringenden Tatverdacht soweit der Vorwurf des Vertrauensmissbrauchs erhoben worden ist im Zusammenhang mit der Sonderversorgung der Wandlitz-Siedlung/ wir können ihn bejahen soweit der Vorwurf erhoben worden ist, dass das Brief- und Fernsprechgeheimnis verletzt worden ist/ können ihn bejahen soweit der Verdacht besteht, dass Herr Mielke anlässlich der Demonstrationen zum 40. Jahrestag der DDR Anweisungen gegeben hat, dass Festnahmen erfolgen, die möglicherweise nicht rechtmäßig waren...";
Christoph Schaefgen OT zu den Folterungen: "War bisher nicht Gegenstand des Haftbefehls.../ sind verpflichtet uns zunächst nur mit diesen Vorwürfen zu befassen...";
Christoph Schaefgen OT zu Harry Tisch: "Das Verfahren gegen Harry Tisch...ist gerichtsanhängig/ ist eröffnet, muss aber jetzt in Bezug auf die Haftfrage dem Kammergericht vorgelegt werden sofern die zuständige Strafkammer die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält...";
Schnittbilder: Limbach OH; Rednertisch WA mit Kamerateams und Journalisten; Kameramänner seitlich;
Schaefgen OH;
Schaefgen OT: "...sind noch längst nicht soweit, alles zur Kenntnis genommen zu haben, was wir übernommen haben/ stehen noch große Aktenmengen völlig unbearbeitet herum/ wir mussten uns in erster Linie den Haftsachen widmen/ mehr Zeit blieb für andere Dinge nicht.";
Schaefgen OT zur Frage, ob anhand der bisher durchgesehenen Akten der Eindruck gewonnen wurde, dass es zu Manipulationen gekommen ist: "Nach dem bisherigen Studium der Akten kann ich also diesen Eindruck jedenfalls nicht bestätigen.";
Schaefgen OT zum Vorwurf, dass Materialien fehlen würden: "Es ging da um einen Band, der nicht auffindbar war, der aber aus der Fülle der Akten, die uns übergeben worden sind, nicht auffindbar/ hatten die Aufgabe erst einmal Ordnung in dieses Aktenmaterial zu bringen/ glaube nicht, dass die Aussage dahingehend verstanden werden musste, dass etwas verschwunden ist/ sollte nur dokumentieren vor welchen Schwierigkeiten wir stehen.";
Limbach OH;
Limbach OT: "...wir ihre persönliche Eignung überprüft und der Richterwahlausschuss in jedem Einzelfall diese Entscheidung getroffen hat, dass sich der jeweilige Staatsanwalt oder jeweilige Richterin in der Vergangenheit nicht menschenrechtsverletzender Urteile schuldig gemacht hat/ gegenwärtig ruhen alle Beschäftigungsverhältnisse aller Staatsanwälte und aller Richterinnen und Richter.";
Schaefgen OT: "Zur ersten Frage: 62,5 Millionen einmal oder viermal.../ es ist ein Komplex Wandlitz-Siedlung/ in diesem Komplex werden die Vorwürfe gegen die Personen Honecker, Mielke, Mittag...erhoben/ geht immer nur um den Komplex Wandlitz und in diesem Fall wird die Schadenssumme mit 62,5 Millionen genannt/ zur Chance: Ich habe am Anfang gesagt, dass wir uns mit dem Komplex Honecker noch nicht befassen konnten wegen der Haftsachen/ kann ihre Frage als Strafjurist nicht beantworten/ muss die Sache gründlich prüfen/ muss die Befehlsstränge nachvollziehen/ braucht Zeit.";
Schaefgen OT zur Frage, ob der Haftbefehl gegen Mielke möglicherweise erweitert werden kann/ Beginn mit dem Fall Honecker/ Akten von Schalck-Golodkowski: "Verfahren gegen Schalck-Golodkowski wird auch hier bearbeitet werden/ gehört zu den Verfahren, die in dieser Arbeitsgruppe angesiedelt sind/ auf die Frage, wann wir damit anfangen, kann ich ihnen keine Auskunft geben/ wir stehen unter dem Druck der Haftsachen und werden mit dem Honecker-Verfahren- ein Verfahren mit höchster Priorität- beginnen, sobald es uns möglich ist/ müssen die Haftsachen zuerst bearbeiten/ wir müssen uns durch die Akten durcharbeiten/ Haftbefehl erfordert dringenden Tatverdacht und dazu brauche ich Beweismittel.";
Schaefgen OT zur Frage, ob er damit rechne, dass Mielke und Tisch aus der Untersuchungshaft entlassen werden: "Entlassung von Mielke und Tisch aus der Untersuchungshaft, ob ich damit rechne ist wahrscheinlich nicht von großem Interesse/ Frage der Haftfähigkeit wird überprüft werden/ wie die beantwortet wird, kann ich nicht sagen.";
Schaefgen OT zum Zustandekommen der 62,5 Millionen für Wandlitz: "...es geht um die Sonderausstattung der Siedlung Wandlitz, in der die gesamte SED-Prominenz zusammengefasst war und versorgt worden ist/ Waren, die nur über Westwährung zu beschaffen waren/ gilt vom Aufbau der Siedlung bis zu den kleinsten Gegenständen des persönlichen Bedarfs/ mehr kann ich im Moment nicht dazu sagen.";
Schaefgen nah;
Kameramann; beobachtende Journalisten; Schaefgen nah;
Limbach OT: "Auf der Ost-Seite waren 40 Staatsanwälte beschäftigt.",
Schaefgen OT gibt ein Beispiel für aktenführungstechnisches Problem;
Tonausfall: Journalist seitlich mit Notizblock und Diktiergerät; Journalistin und Journalist OH von vorne; Presse T vom Rednertisch aus gesehen; Mann nah; schreibende Hand nah; Aufwärtsschwenk auf Mann; Hände nah