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ABF-Memoiren

Regie: Karlheinz Mund, 90 Min., Farbe, Dokumentarfilm
Deutschland
Brandenburger Filmbetrieb Ackermann & Lotz / DOKFILM GmbH, 1992

Film-/Videoformat
16 mm
Sonstiger Titel
Die ABF - Ein Rückblick; ABF
Englischer Titel
ABF-Memories

Kurzinhalt (Deutsch)

"Arbeiter- und Bauernkinder an die Universität!" Dieser Aufruf ging nach dem Zweiten Weltkrieg im Osten Deutschlands von Ort zu Ort.

Sollte das ein Zeichen für eine gerechtere Welt sein? Viele, die dem Aufruf gefolgt sind, haben es erhofft. Ihre dankbaren oder bitteren Erinnerungen an jene Zeit der Forstdienanstalten und Arbeiter- und Bauernfakultäten (ABF) gewähren einen Blick auf ein Kapitel jüngster Geschichte. 1962, mit Schließung der letzten großen ABF-Einrichtungen in Berlin, Leipzig, Greifswald, Karl-Marx-Stadt und Weimar, resümierte man, dass mehr als 20.000 Absolventen aus dieser Institution hervorgingen.

Filmstill zu "ABF-Memoiren"

(R: Karlheinz Mund, 1992) Fotograf: Christian Lehmann

Filmstill zu "ABF-Memoiren"

(R: Karlheinz Mund, 1992) Fotograf: Christian Lehmann

Filmstab

Regie
  • Karlheinz Mund
Drehbuch
Szenarium
Kamera
  • Christian Lehmann
Schnitt
  • Angela Wendt
Kameraassistenz
  • Wolfgang Dietzel
Ton
  • Peter Pflughaupt
  • Eberhard Schwarz
Musikinterpret
  • Dmitri Schostakowitsch ("Suite für Jazzorchester")
Produktionsleitung
  • Rainer Ackermann
  • Hans-Christian Johannsen
Gestaltung
  • Hans Moser (Trick)
  • Thomas Rosié (Trick)
  • Jürgen Bahr (Trick)
Person, primär
  • Hermann Kant
  • Erich Loest
  • Christiane Opitz (geb. Meier)
  • Dieter Mann
  • Helios Mendiburu
  • Helmut Bleiber
  • Otto Eck
  • Veronika Schmidt
  • Hans Mayer
  • Heinz Mohrmann
  • Elli Mohrmann
  • Dieter Schlenstedt
  • Joachim Rohde
  • Guntram Borkowski
  • Adalbert Stamborski
  • Karlheinz Lohs
  • Helmut Jachnow
Person, sekundär
  • Josef W. Stalin
  • Friedrich Engels
  • Alexander von Humboldt
  • Bertolt Brecht
  • Uwe Johnson
  • Günter Ostmann
  • Horst Hawemann
  • Wilhelm Pieck
  • Wladimir Iljitsch Lenin
  • Helmuth James von Moltke (Graf von Moltke)
  • Franz Neumann
  • Franz Kafka
  • Karel Rückbau
  • Heugen Runge

Kurzinhalt (Englisch)

"University places for the children of farmers and labourers!" was the cry that went round East Germany after the Second World War.

Was this meant to be the symbol of a fairer world? Many who followed the cry hoped it was. Their grateful and bitter memories of this period of preparatory institutes and "Farmers and Labourers" faculties give us an insight into a chapter of recent history.

In 1962, when the last major "Farmers and Labourers" faculties in Berlin, Leipzig, Greifswald, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) and Weimar were closed down it was noted that 20,000 graduates had passed through their doors.

Langinhalt

0:00:00

Vorspann: DEFA-Animationslogo mit Kameraobjektiv des "Augenzeugen" mit Stabeinblendungen: Brandenburgischer Filmbetrieb-DEFA Studio für Dokumentarfilme GmbH. Umschnitt auf ein schwarz-weiß Fotos mit Titeleinblendung "ABF Memoiren" ©`92 und Stabangaben: Szenarium Karlheinz Mund und Helga Schütz. Kamera Christian Lehmann und Wolfgang Dietzel. Schnitt Angela Wendt. Trick Moser & Rosié und Jürgen Bahr. Ton Peter Pflughaupt und Eberhard Schwarz. Produktionsleitung Rainer Ackermann und Hans-Christian Isbergen. Regie Karlheinz Mund. Umschnitt

0:02:27

Historische Filmeinblendung "Der Augenzeuge" mit Originalkommentar: Schwenk über einen Schulungsraum (halbtotal). Schwenk vom Dozenten auf die lernenden Menschen (halbnah) (O-Ton) "In der ABF der Universität Leipzig werden 285 junge Menschen für ihr späteres Hochschulstudium ausgebildet. Früher wurde den Werktätigen der Zutritt sehr erschwert, jetzt steht ihnen das Hochschulstudium offen...". Blick auf den Landwirtschaftsgehilfen Günter Ostmann (halbnah). Überblendung auf Ostmann an einem Mähdrescher auf dem Kornfeld in Döben (halbnah). Ende des historischen Teils. Umschnitt auf Prof. Hans Mayer (halbnah) (O-Ton) "ja, hier muß ich einmal autobiografisch zurück gehen, welche Erfahrungen habe ich selbst gemacht in der Weimarer Republik mit der Großbürgerlichen Universität, und was hatte sich geändert als ich 1948 nach Leipzig kam, und wen fand ich im Hörsaal vor. Auch in der Weimarer Republik war ja eine Tendenz, weitgehend von der Sozialdemokratie und auch damals der kommunistischen Partei, sehr aktiv geworden, das Monopol der bürgerlichen Gymnasien und der Abiturs nicht zu durchbrechen, aber auch Menschen an die Universität zu bringen, um sie Universitätsreif zu machen, die aus mittellosen Familien kamen...damals gab es ein Hochbegabtenexamen...es war ein elitäres Prinzip das man auch auf die nichtelitären Kinder fremder Leute anwandte. Und nun Leipzig, das ganz andere, die Gründung der Arbeiter- und Bauern-Fakultäten, man will...die Kinder der kleinen Leute...an der Universität haben. Das war eine große und bereichernde Erfahrung, auch für die Professoren...". Einblendung von Fotos aus den ersten Semestern der ABF (nah). Umschnitt

0:05:07

Schriftsteller Erich Loest zitiert aus seinem Buch "Das Jahr der Prüfung" vor großformatige Bildern (halbtotal) (O-Ton) "...wenn das noch kein Klischeesatz wäre, immerfort strapaziert, Jahrhundert langes Bildungsunrecht wurde beseitigt...die moralische Berechtigung und praktische Leistung der ABF ist groß, eine zurückgesetzte Klasse holte nach, holte auf....Schwenk über die farbigen Bilder an der Wand mit Darstellungen der Arbeiterklasse (halbnah)....Kollektivgeist wurde großgeschrieben, Ziel war das alle das Abitur erreichten, auch die...Zoom auf den Vorlesenden (halbnah) ...."Ich bin 1 Jahr lang hier ein und aus gegangen...ich hab eine Abiturklasse begleitet, hab dann ein Buch geschrieben "Das Jahr der Prüfung"...ich war für das Ganze, für die Idee, hatte an der praktischen Ausführung meine Zweifel, hab sie aber nicht so radikal artikuliert wie ich es später getan hätte, und so ist das Buch ein Zwitter geworden, es ist damals heftigst angegriffen worden von Leuten der ABF, die mir sagten ich den heißen Atem der Epoche nicht begriffen, ich würde an kleinen Dingen herum mäkeln...". Umschnitt

0:08:00

Historische Filmaufnahmen von Günter Ostmann und anderen Werktätigen an Spinnmaschinen, als Straßenbahnfahrer, und Erich Loest als Student in der ABF-Leipzig (halbnah). Umschnitt auf Erich Loest heute (halbnah) (O-Ton) "...ich fand es damals gerecht, ich finde es auch heute noch gerecht, wenn nicht eine andere Ungerechtigkeit gleich damit verbunden gewesen wäre, das dann Bürgerliche nicht zur Universität kamen oder ganz wenige. Aus meiner Stadt Mittweida, wo fast alle die Oberschule besuchten, die aus den bürgerlichen Schichten kamen konnten nur ganz wenige studieren, ja, und die haben sich das eine Weile angeguckt und sind nach dem Westen abgehauen. Also ist dieser Aderlass von intelligenten Leuten auch damit verbunden das die ABF-Plätze besetzt hatten die andere ihnen weg genommen hatten, also eine Gerechtigkeit hat eine andere Ungerechtigkeit...und einen Mittelweg nicht gesucht und auch nicht gefunden". Umschnitt

0:09:12

Blick auf einen TV-Ausschnitt von "Die Aula" nach dem Roman von Hermann Kant aus dem Landestheater Halle (nah) (O-Ton). Schauspieler diskutieren über eine Mathematikaufgabe (halbnah) (O-Ton). Umschnitt auf den Schriftsteller Hermann Kant (halbnah) (O-Ton) "Das hat sich von lange her angebahnt, das ist ganz einfach so, der Begriff stammt ja nicht von mir, "Aula-Generation", die wußte worum es sich handelte, Chance und Verantwortung war da etc., also die handelte sehr bewusst. Später war das Alltag geworden, später war das wiederum auch Machtausübung gewesen, später war das eine von vielen Möglichkeiten der Indoktrinierung von Leuten, also es hatte sich der Charakter des Ganzen verändert...". Umschnitt auf weiter TV-Ausschnitte des Stückes "Die Aula" (nah) (O-Ton) "...Sterben klingt so sektiererisch, Leben für die Republik ist besser, sterben will keiner, leben will jeder...". Umschnitt auf den erzählenden Hermann Kant (nah) (O-Ton) "...und dementsprechend haben sich auch Entfremdungsvorgänge zwischen die Generationen gemengt, das ist ja ganz klar...(schwarz-weiß Fotoeinblendungen mit Kant und ABF-Absolventen)...wie in anderen Bereichen, so auch in diesem war die Mitteilung man sei ABF gewesen von irgendwann an keine Mitteilung mehr...ich erinner mich noch mit ziemlichen Entsetzen, da habe ich es glasklar gemerkt was los war, daran das mir eines Tages eine Schülerin in einem Gespräch die Frage stellte : "Sagen Sie bitte, ist das wahr, hat das Lernen damals tatsächlich Spaß gemacht?"...für die Schüler war das ganz deutlich, das war aus einem fast Märchenhaften Bereich was ich da erzählte, es war ganz wahr aber es war vorbei". Umschnitt

0:13:00

Blick in einen Raum voller weißer Stühle und Säulen und vergoldeten Kapitellen im Klassizistischen Stil (halbtotal). Im Off dazu ein Erzähler: "Er sah die Aula vor sich und in den ersten Reihen auf vergoldeten Stühlen die Würdenträger der Universität...hier, in der vormaligen Bibliothek und der heutigen Aula hier war es, ja, was war hier? War in diesem Saal...(Schwenk über die Puttengalerie)...mit der Puttengalerie jemals etwas geschehen von dem zu sprechen lohnte in der von Maibaum gewünschten Rede, etwas das einen Zusammenhang herstellte zwischen dem kostspieligen Stolz der Herzoge von Pommern Wolgast...und der Tatsache das mit auslaufendem Semester die Schließung der ABF vorgesehen war. Robert erinnerte sich nur das er wegen des mathematischen Baugrundstücks des Herrn Meier beinahe wieder fort gelaufen wäre aus der alten Universitätsstadt...(schwarz-weiß Fotoeinblendungen von ABF-Absolventen)...noch vor der 1. Stunde Unterrichts". Einblendung von s/w-Fotos: Marschierende Studenten mit Fahnen und Schild "ABF Greifswald" und Studenten mit Transparent "Arbeiter-und-Bauern-Fakultät Friedrich Engels" und "ABF der Universität Halle" (alle nah). Fotos "FDJ-Zeltlager junge Garde" und "Singenden und musizierenden ABF-Studenten" (nah). Umschnitt.

0:14:35

Schwenk über einen Aufnahmeschein der ABF des Bezirk Dresden mit Porträt der Antragsstellerin (nah). Im Off erzählt sie: "Das Bewerbungsschreiben an die ABF war eine blumige Huldigung an die Stadt Potsdam, hatte ich heimlich Nachts am Küchentisch geschrieben. Schief gehen durfte es nicht, damit hätte ich nicht nur selber versagt, damit wäre die Ordnung wieder hergestellt die in Arbeiterfamilien immer noch anhält, deswegen war ich damals mit einem sehr guten Zeugnis nicht zur Oberschule geschickt worden. Meine Lernlust war niemandem aufgefallen, in der Schule nicht und zu Hause da galt lesen als Faulheit, es war Liderlich solange es zu nichts führte...(Blick in einen Klassenraum der ABF)...Gärtner, das war ein ordentlicher Beruf. Der Lehrbetrieb mußte eine Unterschrift unter die Delegierung setzen...(Einblendung Personalkarte mit Passbild)..."Studieren willst Du gehen, ich hoffe Du bleibst der Botanik treu". Vor dem Fakultätsgebäude lag Sanssouci". Blick auf die Friedenskirche im Park von Sanssouci (halbtotal). Obelisk im Park von Sanssouci (halbtotal). Im Off erzählt die ehemalige ABF-Studentin: "Ich ahnte das Bücherschränke und Tradition entgegen aktueller Meinung standhaft und frei machen konnten, mithin, es war gut das die Alten da waren, die Lehrer mit bürgerlichem Bildungsgut und die Neulehrer hatten ja auch noch bei angesehenen Professoren studiert...(Einblendung eines s/w-Fotos der Lehrerschaft der ABF-Potsdam)...auf einmal sollte der verehrte Geschichtslehrer aber ein bürgerliches Element und damit ein Feind sein. Für die gerade mal 10 Jahre alte Neuzeit hatten wir bei dem all so vielen Stoff der zu lernen war nicht viel Zeit". Blick über das Lenin-Denkmal auf das Fakultätsgebäude von Potsdam (halbtotal). Im Off dazu: "...Lenin stand nicht als Philosoph sondern als Wegweiser da. Im "Haus der Offiziere" gingen wir in den Pausen am Buffet einen Apfel kaufen...(Schwenk über das Haus der Offiziere mit russischer Beschriftung)...und wenn es Stipendium gab ging man zu Tisch ins Restaurant mit den weiß gekleideten Stühlen...". Blick auf die Lenin-Statue auf dem Sockel (halbnah). Umschnitt auf die Fassade des ABF-Gebäudes von Potsdam, dem ehemaligen Realgymnasium (halbtotal). Blick auf den Seiteneingang der ABF (halbtotal). Gedenktafel an der Hauswand "Dem Widerstandskämpfer Helmut James Graf von Moltke" (halbnah). Im Off dazu: "...das Moltke, den die Nazis 1945 hingerichtet hatten, hier zur Schule gegangen war, davon hatte damals niemand gewußt, keiner unserer Potsdamer Lehrer hat darüber gesprochen...". Schwenk über ein s/w-Foto mit Lehrern und Studenten der ABF (nah). Umschnitt

0:17:52

Blick auf Straßenbauarbeiten vor einer S-Bahn-Brücke (halbtotal). Straßenschild "Geschwister-Scholl-Straße" (halbnah). Blick über die Baustelle auf die Fassade des ABF-Gebäudes (halbtotal). Überblendung auf einen historischen Wochenschaubeitrag mit dem Titel "ABF" und Originalkommentar: "Die frühere Berliner Alexander-Kaserne beherbergt heute die ABF der Humboldt-Universität". Historische Aufnahmen: Schwenk über die Fassade des Hauses (halbtotal). Blick in den Physikraum (halbtotal). Studentinnen und Studenten an ihren Pulten (halbnah). Studenten an der Schultafel und bei Experimenten (halbnah). Studenten bekommen Geld ausgezahlt (halbnah). Dazu im Off ein ehemaliger Student der ABF: "Es war im Oktober...sie begannen sich gerade an den seltsamen Rhythmus ihres neuen Daseins zu gewöhnen, an die 6 Stunden Unterricht am Nachmittag, an die langen Versammlungen bis in die Nacht, an die Schularbeiten in der Zeit vor dem Mittagessen, an die Verlagerung der Kraft von den Armen und Beinen in den Kopf...(historische Filmeinblendungen von: Freizeitaktivitäten mit Tischtennisspiel; diskutierenden Studentinnen im Aufenthaltsraum; lernenden Studenten; Frauen bei Schularbeiten in ihren Zimmern; Prüfungsmappe mit Aufschrift "Abitur 1957"; Lehrerkollegium bei der Abiturprüfung; Abiturient bei seiner Prüfung vor der Schultafel)...und an die verblüffende Schwere des Federhalters, und an eine bis dahin nicht gekannte Müdigkeit hinter den Augen und auch an einen nie erwarteten Kopfschmerz". Weiter mit historischen Filmeinblendungen und Originalkommentar zum bestandenen Abitur im Jahre 1957: "Ein großes Ereignis für die Studenten denen das den Weg ins Leben erleichterte". Umschnitt

0:19:34

Schauspieler Dieter Mann erzählt als ehemaliger Absolvent der ABF von Berlin im Flur des Gebäudes (halbnah) (O-Ton) "Ich hab ja hier mein Abitur nachgemacht in 3 Jahren, wie damals alle zwischen 1958 und 1961, und wollte ursprünglich Lehrer werden für Kunsterziehung, Sport und Deutsch, und bin dann durch Bekanntschaft mit einer so genannten Sprechergruppe hier an der ABF, die Horst Hawemann geleitet hat...später zu meinem Beruf gekommen den ich bis heute seit 29 Jahren ausübe. Also ich verdanke dieser ABF in jedem Fall einen Bildungsweg von dem ich nicht wüsste wo ich es hätte sonst machen sollen in diesen Zeiten...neben mir saßen welche die waren 37 Jahre alt, ich war gerade 17, der ältere hatte den Krieg voll mitgemacht, hatte im und nach dem Krieg alle möglichen Arbeiten verrichtet...dieser Mann hatte noch nie einen kyrillischen Buchstaben gesehen, ich hatte immerhin 8 Jahre Grundschule absolviert, schon damals in der SBZ und später in der heutigen DDR, und konnte zumindest das russische Alphabet, aber der hatte von Null angefangen, der wusste viele andere Sachen...und so war das eine hochinteressante Mischung...auch die Dozenten waren nicht unproblematisch, es gab wunderbare Dozenten dabei denen ich sehr viel zu verdanken habe, und es gab welche zu denen man keine große Beziehung aufbauen konnte". Umschnitt

0:21:23

Historische s/w-Filmeinblendungen mit Originalkommentar: "Aktivisten von heute, Studenten von morgen". Studenten betreten das Gebäude der ABF der Humboldt-Universität (halbnah). Blick in einen Schulraum (halbtotal). Studentinnen und Studenten an ihren Pulten (halbnah). Schwenk über die Studenten im Chemieraum (halbtotal). Karel Rückbau mit einem Reagenzglas vor der Schultafel (halbnah). Christiane Opitz mischt Chemikalien (halbnah). Ende des historischen Filmausschnittes und Überblendung auf Ärztin Christiane Opitz heute an ihrem Schreibtisch (halbnah) (O-Ton) "Es sind ja immerhin 40 Jahre her das ich die ABF besucht habe, damals als kleines, junges Mädchen...ich habe mich damals gar nicht gewagt Medizin zu studieren weil mit das etwas ganz besonders vorgekommen ist, und deshalb hab ich einfach im Film gesagt ich will Philosophie studieren. Ich hab gedacht da nehmen sie mich vielleicht eher als wenn ich Medizin studiere...ich habe aber dennoch Medizin studiert und es war nicht einfach, für eine Frau nicht einfach, für ein Arbeiterkind nicht einfach, denn so eine gute Vorbildung hatte ich nicht, die haben wir uns an der ABF erworben...eigentlich hat die ABF mein ganzes Leben mitbestimmt...den Weg zur ABF habe ich bewusst gesucht. Ich war in der FDJ tätig in Premnitz und war eigentlich verantwortlich dafür dass die Menschen studieren gehen können und habe geworben, und im Stillen habe ich immer gedacht das möchtest du auch, hab mich aber eigentlich nicht so richtig gewagt...". Fotoeinblendungen der jungen Studentin Christiane Opitz (nah). Im Off erzählt sie weiter: "...und dann habe ich mich ein bisschen heimlich doch angemeldet zur Prüfung, es waren ja auch verschiedene Typen die da angefangen haben, und ich meine ein bisschen Abenteurer waren wir ja alle die dahin gegangen sind...(ab hier wieder am Schreibtisch erzählend)...es gab auch welche die unter völlig falschen Voraussetzungen zur ABF gingen. Einer war dabei der wollte den 3. Teil von "Faust" schreiben, der ist also gleich weg gegangen, ja, und eigentlich mußte man schon fleißig lernen sonst hätte man es nicht geschafft...(s/w-Fotoeinblendungen der ABF`ler)...na ja, erst einmal war es unsere Jugend, es war schon schön, ja, es war für uns alle schön. Es hat an der ABF eine ganz tolle Kameradschaft geherrscht, der eine hat dem anderen geholfen, wir haben ein Lernkollektiv gehabt...und so haben wir es gemeinsam geschafft". Umschnitt

0:25:18

Historische Wochenschaubericht über die ABF-Studenten in Berlin mit Originalkommentar: Studenten lesen die Bekanntmachungen der demokratischen Organisationen an einer Tafel der ABF; Blick auf die Alte Nationalgalerie; Christiane Opitz und Karel Rückbau in der Nationalgalerie; badende Jugendlichen und ABF`ler; Opitz und Rückbau in ihren Zimmern. Im Off hört man einen Erzähler zitieren: "Bertold Brecht, Arbeitsjournal vom 1.7.1951, vorige Woche eine Diskussion mit Studenten der ABF...vornehmlicher Wunsch die Tagesprobleme gestaltet zu bekommen...die jungen Leute wittern Skepsis wo sie auf Ansprüche stoßen, der schnelle und von unzureichenden Lehrern veranstaltete Lehrgang entwickelt zunächst wenig wissenschaftliche Haltung, auch nicht in den neuen Sozialwissenschaften...(weitere historische Filmeinblendungen aus dem ABF-Heim)...das Denken bleibt verkümmert wo Denkprodukte auswendig gelernt werden. Besonders hapert es bei der Beschreibung der Phänomene...(Einblendung eines Anschlages des Internationalen Studentenbundes: Arbeiter kommt auf die Universitäten)...ohne die ein Eingreifen unmöglich bleibt...(Foto von Bertold Brecht)...auch künstlerische Werke werden eigentlich nicht studiert, besonders das Künstlerische wird links liegen gelassen, und doch sind dies Kinderkrankheiten, nichts Schlimmeres". Abblendung

0:26:45

Ärztin Christiane Opitz an ihrem Schreibtisch (halbnah) (O-Ton) "Also diese Diskussion war sehr turbulent, ich kann mich gut entsinnen, Brecht kam in unseren Essenraum, dieser war sehr voll, es waren sehr viele Studenten, in den ersten Reihen saßen nicht die Arbeiter- und Bauernstudenten, sonder diejenigen die schon Philosophie, Geschichte oder sonst etwas studierten, für die Brecht schon ein Begriff oder Name war...(Umschnitt auf das Gesicht von Christiane Opitz, nah)...also mir jedenfalls war es nicht bekannt welcher großer Literat er war, das muß ich ehrlich sagen, das habe ich nachher erst schätzen gelernt...als ich die "Mutter Courage" gesehen habe...also ich habe alle Stücke gesehen die damals liefen, "Mutter Courage" war schon etwas was heraus ragte...und so etwas wie der "Puntila" ist bei uns nicht sehr gut angekommen, bei mir jedenfalls, das war doch ein bisschen turbulent". Umschnitt

0:27:55

Blick über den Spreekanal auf das Rote Rathaus von Berlin (halbtotal). Schwenk auf Dr. Rothe auf der Museumsinsel (halbtotal). Frage aus dem Off an Rothe: "Herr Doktor Rothe, Sie haben für die ABF nicht gerade einen sehr typischen Weg gewählt, sind Theologe geworden, was bedeutet Ihnen so viele Jahre danach die Erinnerung an diese ABF"?. Rothe (halbnah) (O-Ton) "Welcher Großvater hätte nicht seine Jugendzeit als die Schönste angesehen, dieses bitte ich bei dieser Frage zu berücksichtigen. Auf jeden Fall war die Möglichkeit an der ABF das Abitur zu machen für mich damals wohl der einzige Weg der gangbar war, ich war zu diesem Zeitpunkt schon 18 Jahre alt...(Zoom auf Dr. Rothe)...ich hatte nur eine Zweiklassige Volksschule aus dem Dorf in Hinterpommern besucht, und sah keine Möglichkeit noch etwa über die Oberschule das Abitur zu erwerben, und deshalb habe ich diesen Weg gewählt. Er ist mir durch den Präsis Dr. Rautenberg von der Pommerschen evangelischen Kirche in Greifswald vorgeschlagen worden, und ich habe diesen Weg gewählt, hatte zunächst versucht in Greifswald anzukommen, dort war es abgelehnt worden mich aufzunehmen mit der Begründung für mich träfen die Richtlinien für ein Arbeiter- und Bauernstudium nicht zu, das heißt der Ruf meines Vaters in Hinterpommern war wohl um ganze 13 Hektar zu groß gewesen". Rothe lacht dabei. "Und ich hab es dann im gleichen Jahr aufgrund einer kleinen Notiz im "Neuen Deutschland" das man bis zum 31. Oktober 1946 sich in Berlin noch bewerben könne, hier noch einmal versucht, und hier bin ich eben auch angenommen worden". Umschnitt

0:29:50

Die ehemalige ABF-Absolventin Veronika Schmidt berichtet (halbnah) (O-Ton) "...also in dieser Vorstufenanstalt in der Universitätsstraße 3 b...der Lehrgang zu dem ich gehörte dauerte 3 Semester, was kann man in 3 Semestern schon lernen, und wenn man mit so wenig Vorkenntnissen dahin kommt? Aber wir sollten am Ende einen Schein bekommen der so etwas wie ein Abitur darstellen sollte, also mit dem wir das Recht hatten an einer Universität zu gehen, also es war so mehr eine Sonderreifeprüfung, mehr war das ja nicht...(Historische Filmeinblendungen aus dem strengen Winter 1946)...dann kommt noch dazu dass der strenge Winter 1946/47 hinein kam, wo man sowieso nicht arbeiten und denken konnte weil man fror und Hunger hatte, und ich hatte immerhin einen Weg von 2 1/2 Stunden hin und 2 1/2 Stunden zurück, denn ich kam aus Rüdersdorf her. Aber ich hatte mir gedacht du kannst ja unterwegs lernen und die Zeit nützt du jedenfalls...". Historische Filmaufnahmen von: frierenden Menschen; Kohle sammelnden Menschen; Holzsammler; leerer Bahnhofshalle; zugefrorenen Kanälen; Streudienst der Stadt; Wasserträgern; Schlitten fahrenden Kindern vor alten Geschützen. Umschnitt auf die erzählende Veronika Schmidt (halbnah) (O-Ton) "...vielleicht die meisten von denen wollten wirklich nachholen was sie bis dahin nicht konnten, die einen aus solchen Gründen wie ich, das man ihnen das aus rassischen Gründen nicht erlaubt hat eine ordentliche Schule zu besuchen, oder andere die das aus finanziellen Gründen nicht konnten...". Umschnitt

0:31:54

Ehemaliger ABF-Absolvent (aus Iserlohn) berichtet (halbnah) (O-Ton) "Ich habe mir nie vorstellen können als junger Mensch das ich mal ein Hochschulstudium machen können, ich war ja mal ursprünglich 1944 als Laborantenlehrling bei der AEG...und die Lehre wurde abrupt durch die Demontage des Betriebes im Sommer 1945 beendet...und später hat es mich in ein Krankenhaus verschlagen wo ich als Hilfslaborant dann weiter gearbeitet habe...und der dortige Gewerkschaftsvorsitzende fand dann das dies wohl nicht ganz mein Weg sein sollte und hat mich davon überzeugt ich sollte dann noch mein Abitur machen, und das hat mich dann zum Chemiestudium gebracht...(Historische Filmeinblendungen von: Schülern der ABF in einem Gebäude; Wandparole "Arbeiterstudenten sind Friedenskämpfer"; ABF`ler in einem Schulraum; Schüler und Lehrer im Chemieunterricht)...die ABF war zwar eine kurze Zeit, aber ganz für das Leben prägende Zeit, und eine Zeit an die ich mit Dankbarkeit zurück blicke...wir waren damals mit so einer Begeisterung und einem irrationalen Optimismus dabei waren weil versucht haben an einer neuen Welt mit zubauen. Man kann nur sagen den alten Hegel-Spruch, man kann nur leben mit wachsenden Ringen die sich über die Dinge ziehen, ob ich der letzte wäre weiß ich nicht, aber versuchen will ich ihn. So ein Lebensmotto ist geblieben". Rückwärtszoom vom erzählenden ABF`ler (nah). Umschnitt

0:34:17

Karlheinz Mund neben einem ehemaligen Schüler im Gebäude der ABF (halbnah) (O-Ton) "Es war für mich eine unvorstellbare Chance, denn ich hätte als Volksschüler nie die Möglichkeit gehabt…(Kamera geht auf den Erzähler zu)…ein Studium zu ergreifen, und diese Möglichkeit hat mir damals schon so verlockend erschienen, ich hatte damals keine so klaren Vorstellungen was ich mal später machen würde, aber alleine die Chance das ich sogar ohne Studiengebühren und sogar noch mit Stipendium, und nebenbei nicht jobben mußte wie man heute sagt, hier meine Kenntnisse erwerben konnte waren für mich ein unvorstellbares Glück". Umschnitt auf Dr. Rothe auf der Museumsinsel in Berlin (halbnah) (O-Ton) "...wir waren sehr eifrig denn wir mußten ja sehr viel nachholen, ich möchte sagen das ich für mich ganz neue Horizonte auftaten, etwa auch durch den Geschichtsunterricht, das man was von der alten Geschichte auch hörte. Griechische Geschichte, römische Geschichte, das hat es ja an der Volksschule in Hinterpommern nicht gegeben, da begann es frühestens mit der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 nach Christus...". Umschnitt...

0:35:39

...auf einen historischen Augenzeugen-Wochenschauausschnitt mit Originalkommentar. Blick auf die teilweise zerstörte Fassade der Alexander von Humboldt-Universität (halbtotal). Blick in einen voll besetzten Schulungsraum (halbtotal). Originalkommentar: "Der Augenzeuge besucht vor den Studentenwahlen eine der Vorstudienkurse der Berliner Universität in dem junge, begabte Menschen die Gelegenheit haben fehlende Kenntnisse zu erwerben um ihr Studium beginnen zu können". Lehrer erklärt an der Tafel eine Zweipunktegleichung (halbnah) (O-Ton). Originalkommentar: "Die neue Einrichtung verdanken wir der Initiative jener fortschrittlichen Kräfte die als erste auch den Mut fanden inmitten der Trümmer einen neuen Lehrbetrieb aufzubauen. Geldmangel, politische Verfolgung, das waren früher die unüberbrückbaren Hindernisse für das Studium, überzeugen Sie sich jetzt vom Gegenteil". Zwei Schüler an ihrem Pult (halbnah) (O-Ton Schüler) "...ich habe früher eigentlich die Realschule besucht, aber durch die Rassengesetze war es mir nicht möglich die Schule weiter zu besuchen. Ich habe Maschinenschlosser gelernt, die Abendschule besucht, bin jetzt hier und freue mich jetzt dass ich die Möglichkeit habe wieder zu studieren". Schülerin (halbnah) (O-Ton) "So ähnlich ist es auch mir gegangen. Als ich 8 Jahre alt war ist mein Vater ins KZ gekommen, aus dem Grunde war es meinen Eltern natürlich nicht möglich mich auf die Hochschule zu schicken, aber jetzt geht es ja und ich kann es gar nicht erwarten bis ich auf der Universität bin". Umschnitt

0:36:47

Germanistin Prof. Veronika Schmidt liest aus ihrem Tagebuch vor (halbnah) (O-Ton) "...wie soll ich es denn wissen was sie da alles fragen, ich will es doch erst lernen, dazu bin ich her gekommen, mir fehlt eben mehr als der Stoff der Prima. So, egal was sie jetzt dachten, jedenfalls würde ich die Mienen des Rechtsanwalts ertragen können. Ich ging zur Tür, eine Antwort erwartete ich nicht, da wurde ich zurück gerufen. Bitte setzten Sie sich noch mal, ich wurde doch noch angenommen. Erzählerin nimmt die Brille ab (halbnah) (O-Ton) "Das war also dieses Stückchen Prüfung die lange zurück liegt, ja, ein ganzes Leben liegt sie zurück". Fotoeinblendung einer Hausfassade mit Porträts von Stalin in Pieck und Parolen "Freundschaft" und "Die Jugend Westdeutschlands beantwortet das Adenauer-Verbot der FDJ in Westdeutschland mit ihrer Teilnahme an den Weltfestspielen" (nah). Umschnitt auf den erzählenden Dr. Roth, er berichtet über das ABF-Thema "Kritik und Selbstkritik" (halbnah) (O-Ton). Umschnitt auf den erzählenden ehemaligen Schüler im Gebäude der ABF (halbnah) (O-Ton) "...jetzt kommt der große Unterschied, was sich in den 2 Jahren plus 4 Jahren Jurastudium verändert hat. Als ich hier eingetreten bin war ich noch völlig gleich den andern...(Fotoeinblendung aus den 50er Jahren des Erzählers)...später waren ja einige gleicher um es mal mit Orwell zu sagen, und da war ich nicht mehr gleich, denn da stellte sich plötzlich heraus das ich weder einen Proletariernachweis noch einen Parteinachweis hatte und damit kam ich als Jurist für die Justiz, für die Staatsanwaltschaft und für die Rechtsanwaltschaft nicht mehr infrage...da hatte ich mein 1. Schockerlebnis was ich überhaupt nicht für möglich gehalten hatte. Ich dachte ich wäre so ein vollwertiger Bürger wie alle anderen und ich hätte durch meine Mitarbeit...gezeigt das ich durchaus positiv eingestellt bin für fortschrittliche Ideen, alles reichte auf einmal nicht mehr, da ging es schon nach anderen Kriterien...heute bin ich froh das ich damals nicht in die anderen Berufszweige gekommen bin...". Umschnitt

0:40:02

Dr. Roth und der Jurist begrüßen Direktor Heinz vor seinem Einfamilienhaus (halbtotal). Jurist schüttel Direktor Heinz die Hand (halbnah) (O-Ton) "Herr Heinz, ich soll Sie offiziell begrüßen, wir wollen Sie mit Filmen, die Kameraden". Dr. Roth schüttelt Heinz die Hand (halbnah) (O-Ton) "Guten Tag Herr Direktor, wie geht`s denn"? Jurist überreicht Blümchen und gemeinsam schreiten alle zum Haus (halbtotal) (O-Ton). Umschnitt auf s/w-Fotos von Direktor Heinz mit ABF-Schülern (nah). Umschnitt in das Wohnzimmer von Heinz bei Kaffee und Kuchen (halbnah). Heinz liest in einem alten Zeugnis von Rothe (halbnah) (O-Ton) "Ich bewundere hier meine schwunghafte Unterschrift...und es war hier vor allen Dingen Latein, was ja sehr interessant ist, aber er hat in allen anderen Fächern, toi, toi, toi, gut, alles gut, na, Rothe, der hatte alles gut". Dr. Rothe antwortet "Ich hatte mir ja vorgenommen ich wollte mit eins machen und das ist mir nicht gelungen...(s/w-Foto vom jungen Rothe)...gerechtet hatte ich mit russisch, aber das ging schief...(s/w-Foto der AMF-Schülergruppe)...ich machte einen Fehler in der schriftlichen Übersetzung...". Heinz antwortet "Das kann man natürlich jetzt nicht mehr ändern...für können auch nicht mehr nachtragen für Ihren Beruf griechisch und hebräisch...". Die Runde tauscht noch einmal ihre Gedanken und Erlebnisse lebhaft aus (halbnah) O-Ton. Dr. Rothe berichtet über sein Aufnahmegespräch mit Direktor Heinz am 30. Oktober 1949 (halbnah) (O-Ton). Schwenk über die Gruppe am Kaffeetisch (halbnah). Einblendung von s/w-Fotos aus der damaligen ABF-Zeit (nah). Umschnitt

0:44:21

Ehemaliger Schüler Otto Eck erzählt (halbnah) (O-Ton) "Vielleicht mal eine Situation, einmal schleppte der Unterricht...der Dozent arbeitete und die Klasse machte nicht mehr so richtig mit, und das tat mir ungeheuer leid, wir schätzten alle diese Frau. Dann habe ich mich zu Hause richtig auf das Thema vorbereitet, habe alles gelesen...und am nächsten Tag haben wir sogar darüber eine Arbeit geschrieben, und ich habe das nicht gemacht um mich auf eine Arbeit vorzubereiten, sondern nur aus Liebe zur Dozentin gemacht...". Rauchende Frau Heinz (nah). Fotoeinblendung des Klassenverbandes (nah). Im Off berichtet der Schüler über den Unterricht und eine Diskussion über die Schwachpunkte der Demokratie. Zoom auf das s/w-Foto des Klassenverbandes (nah). Erzähler weiter (halbnah) (O-Ton) "Mit meiner Frau habe ich 3 Rucksackreisen...durch Griechenland gemacht...wir sind auch rüber in die Türkei...und da habe ich nach 30 Jahren viel an meine Dozentin denken müssen...und als ich exmatrikuliert war haben sie mich auch eingeladen, und offenbar sind sie, weil ich ein schwieriger Fall war, auch für die Leute im Ministerium, sind sie auch über mich befragt worden...". Umschnitt auf das spazierende Ehepaar Eck vor der Villa Hügel in Essen (halbtotal). Im Off hört man Otto Eck weiter erzählen: "...also gegen Empfangsbescheinigung erhielt ich folgendes Dokument: Weimar, 15. Mai 1953, also man beachte vor dem 17. Juni ´53. Herrn Otto Eck, Weimar, Schloss Belvedere. Aufgrund Ihrer feindlichen Haltung gegenüber der DDR und ihrer führenden Kraft der Arbeiterklasse werden Sie mit sofortiger Wirkung vom Deutschen Theaterinstitut-Weimar exmatrikuliert. Die Direktion wird bei der Staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten den Antrag stellen Ihnen die Studienerlaubnis für eine Hochschule oder einer Universität in der DDR zu entziehen. Sie haben das Deutsche Theaterinstitut bis Montag, den 18.5.1953 zu verlassen...".

0:48:18

Eck legt das Dokument beiseite (halbnah) (O-Ton) "Das war also das Ende meines Studiums dort, 2 Studienjahre, vier Semester Theaterinstitut Belvedere. Ja, wir haben praktisch schon mit dem Ende angefangen, es begann mein Weg in der DDR im Jahre 1948, das ich als Westdeutscher über Vermittlung der KPD zur damaligen Vorstudienabteilung der Humboldt-Universität nach Berlin kam...".

Einblendung eines historischen Wochenschauberichts über die Studentenwahlen 1947 mit einem vortragenden Studenten am Pult (halbtotal) (O-Ton) "Ich persönlich lehne grundsätzlich jede Parteipolitik an der Universität ab, denn es geht nicht das die Universität als Stätte allumfassender Wissenschaft zum Kampfplatz werden...(ab hier Originalkommentar der Wochenschau) "Von den Wahlen die erstmalig von der Studentenschaft der ganzen Zone vorgenommen wurden hängen im hohen Grade die Weiterentwicklung des Aufbaues der Universitäten und die Studienmöglichkeiten ab. In den Universitäten der sowjetischen Besatzungszone wurden in den meisten Fällen die Persönlichkeiten in den Studentenrat gewählt die durch ihre aufopfernde Mitarbeit vom 1. Tag des Aufbaues an auch das Vertrauen der ihrer Kommilitonen erwarben. Diese bieten eine Gewähr dafür dass die kommende demokratische Neugestaltung der Universitäten weitergeführt wird. Trotz vieler Störungsversuche ist es auch in Berlin nicht gelungen die Studentenwahlen zu einer Demonstration für alte reaktionäre Strömungen zu machen. Hoffen wir das auch die Berliner Universität fest auf dem eingeschlagenen Weg weiter geht und das die Löhne und...". Zum Originalkommentar werden eingeblendet: Plakat zur Studentenwahl am 6.2.1947; Wahlkabine an der Juristischen Fakultät; anstehende Wahlberechtigte; Blick auf die Stimmzettel; Wahlberechtigte werfen die Stimmzettel in die Wahlurne.

0:50:28

Umschnitt auf den erzählenden Otto Eck (nah) (O-Ton) "Das war Parteijargon und wir haben den auch manchmal belächelt, und es kam dann zu den Wahlen in Berlin, das war erstmalig das die SED freie Wahlen mitgemacht hat in Berlin, da gab es Genossen die sagte die Wahlversammlung von den Neumann die besuchen wir und andere sagten zieht euch dicke Jacken an da ist was los. Ich war Misstrauisch weil ich nicht so ein Typ war der Krawall machen wollte...aber ich war ja im Block dieser Leute und der Sprecher war eigentlich ein primitiver SED-Mann...und es ging schon damals darum das die gar nicht freie Wahlen haben wollten, sondern paritätische Besetzung, das war ja der alte Trick...und da ist es zu Tumulten gekommen und einer der Klassenkameraden bekam ein blaues Auge, bekannter Mann dann der durch die Presse ging, er war später einer der größten Spione der Sowjetunion Heugen Runge, und das wurde offenbar politisch benutzt von zentralen Stellen...um sich abzugrenzen gegenüber dem Westen...". Otto Eck berichtet weiterhin von ehemaligen Kameraden bei der ABF und von Verbindungen der SED- und SPD-Leute und kommt zum Schlusssatz "Ich glaube nicht an den Sozialismus". Umschnitt

0:55:25

Historischer westdeutscher Wochenschauausschnitt von den Unruhen des 17. Juni 1953 mit Originalkommentar. "Zum ersten Mal seit dem Bestehen der DDR protestierten Zehntausende von Ostberlinern in einer spontanen Demonstration gegen die Gewaltherrschaft des SED-Regimes. Auf dem Potsdamer Platz richtete sich die Empörung der Bevölkerung gegen die Verkaufsstände der HO, die Ostberliner Arbeiter traten in den Generalstreik. Der sowjetische Stadtkommandant verhängte den Ausnahmezustand. Zum Schutz ostzonaler Regierungsgebäude wurden sowjetische Truppen eingesetzt. Amerikanische Polizei bewachte das russische Ehrenmal im Westsektor. Das Brandenburger Tor ohne Rote Fahne. Am Potsdamer Platz war der Schwerpunkt der Demonstration, Volkspolizei riegelte die Straßen ab, sowjetische Panzer eröffneten das Feuer auf die Demonstranten. Tote und Verletzte wurden nach Westberlin abtransportiert, das Columbushaus an der Sektorengrenze ging in Flammen auf. Als blutiger Mittwoch von Berlin steht dieser Tag in der Geschichte des zerrissenen Deutschland". Ende des Originalkommentars, dazu wurden folgende Wochenschauaufnahmen westlicher Kameramänner unterlegt: Massenauflauf. Verkaufsstände der HO stehen in Flammen. Sowjetsoldaten und Vopos. In Westberlin bewachen amerikanische Soldaten das sowjetische Ehrenmal. Das Brandenburger Tor ohne rote Fahne. Volkspolizisten sperren die Leipziger Straße ab. Panzer fahren auf. Leute bewerfen die Panzer mit Steinen. Reporter ducken sich hinter Mauer als Schüsse fallen und suchen Schutz. Leute rennen über den Potsdamer Platz. Verwundete werden getragen. An der Grenze zu Westberlin steht das Columbushaus in Flammen. Aufgefahrene Panzer. Papierfetzen drehen sich im Feuerwind. Ende des historischen Filmrückblicks aus dem Sonderdienst der Wochenschau "NDW 177". Umschnitt

0:56:50

Otto Eck berichtet weiter (halbnah) (O-Ton) "Wir hatten zu der Zeit Vorlesung bei Professor Kuglow über Richard den III., aber ich weiß nicht mehr viel über Richard den III., aber es ist etwas haften geblieben was Professor Kuglow mit Sicherheit nicht deutlich gemacht hat, sondern was ich beim Lesen empfunden habe, und mir hat sich das eingeprägt und ich habe gesagt was ist das für eine Welt...(blättert in seinem Manuskript)...wie heißt das jetzt hier: "Wer ist so dumm und sieht nicht diese dicke Lüge, und wer so tapfer und sagt das er sie sieht? Schlimm ist die Welt, sie muß zugrunde gehen wenn man muß schweigend solche Ränke sehn"...das war immer das Bild was ich von der damaligen DDR hatte...(Einblendung von Filmaufnahmen mit Eck und Helmut Bleiber bei einem Spaziergang auf einem Feld)...ich habe also Bleiber dann wohl 1987/88 angerufen und er war sofort im Bilde und ich sagte, Helmut erinnerst Du dich noch an mich, es waren beinahe 40 Jahre dazwischen...wir haben also ein offenes Gespräch geführt am Telefon...(Einblendung Ehepaar Eck und Bleiber auf der Hausterrasse)...es kam für alle überraschend das alles zusammengebrochen ist, aber von der Theorie her war ich eigentlich schon vorher von überzeugt. Nun wollte ich ja prüfen was ich beobachtet habe auch stimmt, und daher auch die Neugier was ist aus guten Leuten geworden...".

0:58:35

Umschnitt auf das erzählende Ehepaar am Kaffetisch (halbnah) (O-Ton). Umschnitt auf Otto Eck und Helmut Bleiber auf der Wiese (halbnah) (O-Ton) Eck "Er hat vorhin etwas zurückgewiesen, das er ein Querdenker war als diese Vokabel fiel, gut, wollen wir über das Wort nicht streiten, aber er war natürlich einer, wenn nicht vielleicht der profilierteste in der Klasse in dieser Beziehung, der sich nicht zufrieden gab mit schnellen Antworten, der immer ganz kritisch weiter überlegte und sehr häufig doch bei irgendwelchen Dingen wie sie uns geboten worden waren, immer noch ein Haar in der Suppe fand...das ist natürlich eine tragische Geschichte das solche Menschen wie Helmut Bleiber, solche charakterlich veranlagten Leute, absolut integer und ehrlich, dann unter dieser dogmatischen Enge wie sie im Laufe der 50er Jahre dann...das dann viele solcher Leute auf der Strecke geblieben sind". Umschnitt auf den erzählenden Helmut Bleiber (halbnah) (O-Ton) "Die erste nach meiner Exmatrikulation wo ich praktisch als Staatsfeind tituliert worden bin, da einen Menschen meines Niveaus zu finden in dem ich mich anvertrauen konnte und dem ich sagen konnte ich glaube nicht an den Sozialismus, obgleich ich wusste das er dazu stand, das zeigt bereits auch den Respekt dem Denken voneinander und auch die Gewissheit der wird dich nicht in die Pfanne hauen, mit dem kannst du ein offenes Wort sprechen, und das ist ja eine ganz große Seltenheit...". Eck unterbricht (O-Ton) "Oh Gott hör auf sonst werd ich noch ganz rot". Umschnitt

1:01:03

Erich Loest erzählt weiter (halbnah) (O-Ton) "…eine FDJ-Versammlung ist anberaumt, alle sind da, die ganze Klasse, und einem wird vorgeworfen das er eine Bibel in seinem Studentenzimmer hat. Es war also ein Freund da, der hat ihn besucht und verpfeift ihn und sagt der hat eine Bibel. Riesentheater, und der verteidigt sich...ja, die wäre von seiner Wirtin, ich hab sie mir nur mal geliehen, hab nur mal reingeguckt...ich will nicht behaupten das man ihn deswegen von der Schule geschmissen hätte, soweit nun nicht, aber...ich hab dann mitgeredet und gesagt, hört mal her, lassen wir die Religion mal ganz weg, ich hab nicht versucht ihn zu verteidigen, ich hätte ihn nur mehr rein geritten, ich hab gesagt das ist ein sprachliches Kunstwerk, die Lutherübersetzung, und der Junge will Germanistik studieren, und muß er es einfach kennen, das gehört einfach dazu. Und dann sprang er auf diesen Zug mit auf und hat mitgemacht...(Einblendung der Wandmalereien im Saal)...am Ende wurde der Denunziant noch gelobt für seine Wachsamkeit, so hieß das ja, und Kontrolle war ja besser als Vertrauen und es ist im Buch angedeutet worden...(Umschnitt auf den erzählenden Loest in der Saalmitte)...aber da hätte die Zensur schon eingegriffen. Ich bin damit schon nicht glücklich geworden, aber gespürt, es ist wie so ein Mittelweg, mein eigenes Unentschieden zwischen einer Idee die ich auch vertreten habe und katastrophalen Engstirnigkeit die damit verbunden waren". Umschnitt

1:03:04

Schwarz-weiß Schmalfilm-Privataufnahmen einer Großdemonstration in Ungarn des Jahres 1956 (halbtotal). Schwenk über die Straßen von Budapest mit Parolen und aufgefahrenen Panzern (halbtotal). Aufständische liefern sich Schusswechsel mit Soldaten (halbtotal). Im Off erzählt der ehemalige ABF`ler aus Ungarn Elios Mendiburu: "Ich war ja schon damals im Oktober als ich noch in Ungarn war geflohen, aber ich bin ja extra nach Berlin gekommen, hab auch versucht einen Sitzstreik zu machen am Brandenburger Tor aus Protest gegen die eigene da...er wurde bemerkt und sofort ging die Volkspolizei dazwischen, und als dann Gewalt angewendet wurde sind wir auseinander gegangen, es sollte ja nur eine Aktion sein, und an dem Tag hatte ich keine Verhöre mit der Polizei oder anderen, es muß alles so durch Ermittlung rausgekommen sein das ich daran teilgenommen habe". Umschnitt auf zwei ehemals einsitzende Gefangene im Gefängnishof (halbtotal). Elios Mendiburu erzählt dazu (halbnah) (O-Ton) "...mit Hände auf dem Rücken mußte man gehen, dann konnte man innerhalb der roten Strecke seine Runden ziehen hier, und von hier aus habe ich da immer diese beiden Türme gesehen". Schwenk vom Erzählenden auf die Mauer und die sichtbaren Kirchturmspitzen (halbtotal). Umschnitt auf den Erzähler Elios Mendiburu (halbnah) (O-Ton) "Hier war ich vom 15. Mai 1957 bis kurz vor meiner Gerichtsverhandlung, die wurde in Potsdam gemacht. In Berlin durfte ich nicht verurteilt werden weil ich nach Artikel 6 der Verfassung verurteilt worden bin, Gesetz zum Schutz des Friedens hieß das". Blick auf den Wachturm über dem Innenhof des Gefängnisses (halbtotal). Die beiden ehemaligen Gefangenen durchschreiten die Innenräume des Gefängnisses (halbtotal) dazu im Off: "Oberst Baumann, Ministerium für Sicherheit, im Mai 1957 auf einer Pressekonferenz der Humboldt-Universität: Ein besonders bezeichnendes Beispiel ist der Fall des ehemaligen Studenten Elios Mendiburu, als Student der ABF erhielt Mendiburu während eines Westberliner Besuches wiederum ein Exemplar der Hetzzeitung "Freie junge Welt", worauf er sich an der Lösung eines in dieser Zeitung abgedruckten Preisrätsels beteiligte, auf diese Weise fiel er dem Agenten des Ostbüros der SPD mit dem Decknamen "Moll", alias Leppzig in die Hände, der ihn nach einer ausführlichen Unterhaltung wieder in die Redaktion seiner Zeitung bestellte. Statt der zu diesem Termin angekündigten Auslosung der Preise wurde Mendiburu vom Hauptagenten als Agent selbst verpflichtet". Elios Mendiburu und sein ehemaliger Mitgefangener besichtigen die Einzelzellen (halbtotal). Umschnitt

1:05:40

Schwenk über eine Steinstatur mit einem Buch in der Hand (halbnah). Im Off die Frage von Karlheinz Mund: "Herr Mendiburu, Sie haben hier fast 2 Jahre in diesem Studentenheim gelebt, ich ja auch, wir haben uns damals zwar nicht gekannt, es waren ja eigentlich ganz fröhliche Wohngegebenheiten...(Blick auf den Brunnen in einer Grünanlage vor dem ABF-Gebäude mit den 4 Steinernen Figuren in der Mitte)...und plötzlich war für Sie alles zu Ende. Wie erinner Sie sich an dieses Heim"? Blick auf die Fassade des ABF-Heims (halbtotal). Mendiburu und Mund vor dem Haupteingang des ABF-Hauses (halbnah). Elios Mendiburu (O-Ton) "Ich erinnere mich gerne daran, es war immer ein fröhliches Treiben, es war immer ein kommen und gehen, ein gegenseitiges besuchen in den Zimmern...man erinnert sich gerne an die Zeit, man behält immer das Gute zurück...(Mund: Trotzdem war es sehr Kasernenhaft)...Ja, es ging sehr streng zu mit Einlaßdienst und Besuch mußte angemeldet werden, er durfte auch nur begrenzt bleiben bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, es war also immer sehr reglementiert und diszipliniert wie es eben zur damaligen Zeit in der DDR so üblich war". Umschnitt auf einen Flur im ehemaligen ABF-Heim (halbtotal). Im Off berichtet dazu Mendiburu: "Bestimmte Dinge behielt man für sich denn man hat nicht jeden gut gekannt...man hat sich auch damals gegenseitig Hinweise gegeben, auf den mußt du aufpassen, das ist ein ganz verbohrter, oder ich kann mich nicht mehr erinnern an die damaligen Ausdrücke...(Einblendung eines s/w-Fotos des ABF-Heims)...heute würde man sagen "rote Socke", zumindest Linientreue gab es da, Aufpassertypen genau, denn ich habe gestaunt als ich von einem Tag zum anderen...(Schwenk über die Fenster des ABF-Heims auf das Gesicht von Mendiburu)...die ABF verlassen mußte da hat sich niemand mit mir in Verbindung gesetzt, nur mein Zimmernachbar, sonst hat sich keiner Mühe gegeben. Hauptsache es hat ihn nicht betroffen, an ihm ist das Gewitter noch einmal vorbei gegangen...". Frage von Mund: "Die Zimmerfreundschaften, also der gute Kontakt zu den Kollegen im Zimmer wurde Ihnen sogar zum Verhängnis, deswegen 2 1/2 Jahre Gefängnis". Mendiburu (halbnah) (O-Ton) "Ja, das ist schnell erzählt, ich hatte nen Zimmerkollegen der da so in irgendwelchen Schiebergeschäften verwickelt war und die Flucht damals von einen Teil der Stadt in den anderen angetreten hat. Er mußte durch die Durchgangslager in Marienfelde, im Durchgangslager durch die entsprechenden Sichtungsstellen und ist beim amerikanischen Geheimdienst in der entsprechenden Sichtungsstelle angesprochen worden, befragt worden mit wem er zusammen wohne, da hat er meinen Namen und eines weiteren Studienkollegen angegeben, und unter dem Vorwand seine Sachen die er hier gelassen hatte, wir kannten den Grund der Flucht damals nicht, seine Sachen nach Westberlin zu bringen, hat er uns mit einem Amerikaner bekannt gemacht und als ich dann das 2. mal die Verabredung mit dem Herrn hatte spürte ich das dies ein Vertreter eines Dienstes war, so war das für mich indiskutabel und habe dann keine weitere Einladung angenommen...(Überblendung)...und mir wurde dann auch unter anderem auch der Vorwurf gemacht, wenn ich schon diese Feststellung gemacht hätte, warum ich mich nicht an den Sicherheitsdienst gewandt habe, dann hätte ich Schlimmeres verhüten können, und ich habe daraufhin geantwortet das ich kein Denunziant bin und das ich keine Veranlassung gesehen habe mich mit diesem Herrn in Verbindung zu setzen, das wurde mir natürlich im Prozess mit angekreidet, deshalb auch diese harte und drastische Strafe...". Umschnitt

1:09:58

Schwarz-weiß Amateuraufnahmen vom Ungarnaufstand 1956. Fahnen und Bücher werden verbrannt (halbnah). Ungarische Freiheitskämpfer auf Panzern (halbtotal). Häuserkämpfe in Budapest (halbtotal). Verletzte und Tote werden von Sanitätern geborgen (halbtotal). Ungarische Flüchtlinge im Grenzbereich (halbtotal). Ungarn laufen weinend über den Grenzbereich in die Freiheit (halbtotal). Im Off erzählen zwei ehemalige ABF`ler: "1956 haben wir in der Sitzenstraße gewohnt, als wir die Westsender gehört haben dort, und das wir hier die Ungarnereignisse ziemlich diskutiert haben, wobei ich damals immer noch versucht habe die östliche Position zu verteidigen, in der Frühphase, das war bezeichnend. Während der Addi ein westlich geführter Mensch war...(ab hier sind die beiden Erzähler zu sehen in der Stadt Wuppertal)...aufgrund dessen das sein Vater ein Geschäft in Westberlin hatte und ungleich intensive Kontakte zum Westen hatte als ich...und ich habe zunächst dagegen gehalten, aber die Sachlage war so evident das man also über lange Zeit nicht gegen die Argumentation von Addi angehen konnte und irgendwann...sind meine Vorstellungen zusammengebrochen und davon hab ich mich ideologisch nie wieder mehr erholt...jedenfalls sind wir sehr dezidiert nach Abschluss der ABF in bestimmte Studienrichtungen gedrängt worden...vielleicht habe ich mich nicht genügend zur Wehr gesetzt...(Einblendung der fahrenden Wuppertaler Schwebebahn)...wie gesagt nach wenigen Monaten an der Humboldt-Universität hab ich es nicht mehr ausgehalten und bin dann zusammen mit einem anderen Studienkollegen weg gegangen". Umschnitt

1:12:24

Schwenk über die strahlenden Gesichter von erfolgreichen Abiturienten (halbnah). Aufstellen zu einem Gruppenfoto vor dem Wuppertaler Schauspielhaus (halbtotal). Im Off erzählt der Wuppertaler von seiner ABF-Zeit: "…es war der gemeinsame Wunsch voran nicht nach der Lehre in den Wald zu gehen und die Forstwirtschaftliche Laufbahn weiter zu gehen, sondern es war der Wunsch da ein bisschen nach Höherem zu greifen, das war alles noch unklar. Und wenn man sich die Frage stellt, was ist das befruchtende an der Freundschaft gewesen...(Einblendung von s/w-Fotos des Erzählers mit ABF-Schülern)...und was ist es noch, da könnte man vielleicht sagen, das ist die Freundschaft an sich und außerdem das Gespräch. Wir haben über Jahre das Gespräch geführt...(ab hier sind die beiden Freunde im Bild)...ohne das wir uns jemals langweilig geworden sind". Schwenk zum Nebenmann (halbnah) (O-Ton) "In meinem Falle die Sucht zu streiten, jemanden zu finden der trotzdem über eine mittlere oder lange Distanz noch mit einem weiter streitet. Streitkultur". Umschnitt auf die erfolgreichen Abiturienten vor dem Wuppertaler Schauspielhaus (halbtotal) (O-Ton) "Eins, zwei, drei, Abi". Zoom auf die Abiturienten (halbnah). Umschnitt auf die beiden Freunde (halbnah) (O-Ton) "Wenn ich heute daran zurück denke, sind das ja ungleich interessantere Erlebnisse als wenn ich auf einem Gymnasium gegangen wäre wo man über 4 oder 5 Jahre immer dasselbe erlebt und mit diesen...deutschen glatten Lehrerkarrieretypen hätte umgehen müssen, und das war schon interessanter da". Freund dazu "Man hatte das Gefühl und es war de facto bis zu einem gewissen Grade auch nicht unrichtig, man ist an irgend einer Erneuerung, einer Art Revolution unmittelbar beteiligt, das war damals die Situation und diese Grundstimmung, diese Grundbefindlichkeit habe ich mir, hoffe ich, denke ich, erhalten und das lag mir auch". Umschnitt

1:14:52

Blick auf den Tonmeister neben Karlheinz Mund auf der Terrasse des "Hotels Müggelsee" mit einem ehemaligen ABF-Schüler mit einem ABF-Lehrer (halbtotal). Vorbeifahrt des Passagierschiffes "Dorotheenstadt" (halbtotal). ABM-Lehrer (halbnah) (O-Ton) "Ich erinnere mich jetzt wieder an ein paar Verse dadurch das Sie mir diese Texte hier gegeben haben: Bist du je in grüner Nacht, der kein Glanz abfällt, der des Mondes zitterlich ekelnd räumt das Feld, und so weiter. Mir ging sicherlich damals durch den Kopf das könnte Ihnen gut tun das Wort von Brecht zu hören "Glotzt nicht so romantisch"...ich war den Schülern gegenüber ja auch in einer besonderen Situation, ich war ja kaum älter, ihr alle damals in der Klasse...(ab hier sind beide halbnah am Tisch)...vielleicht 5 Jahre...und manche waren auch älter, und das brachte mich in eine besondere Situation als Lehrer auftreten zu müssen gegenüber gleichaltrigen..." Umschnitt auf den ehemaligen ABF-Lehrer (nah) (O-Ton) "Mein Empfinden war auch ein bisschen gespaßt von der persönlichen Erfahrung, ich war der Erste in unserer Familie der die Möglichkeit hatte zu studieren, ich bin noch über den normalen Weg gegangen, ich bin nie ABF-Student gewesen. Ich hatte die Möglichkeit über die Oberschule an die Universität zu kommen...und deshalb war ich auch gewissermaßen ganz persönlich engagiert daran wie schön es ist wenn Menschen aufwachen, neue Kenntnisse gewinnen und vielleicht ergab sich auch daraus meine Lust gewissermaßen des Unterrichtes...". Umschnitt

1:16:42

Rückwärtszoom von einer ehemaligen ABM-Lehrerin und Ehefrau des ehemaligen ABM- Direktors Heinz (halbnah) (O-Ton) "...die ersten Anfänge mit Nullkommanichts in den Händen, kein Buch, kein Heft, kein Lehrmaterial...aber es war etwas was man sich selber geschaffen hatte. Und dann kam das nachher, dass wurden wir immer größer, ich weiß nicht wie viel Klassen wir dann hatten und da zogen die Jungen ein, und dann ging’s los. Da ging das los mit 10 Minuten das machen, 5 Minuten das machen, diesen Stundenplan...ich war ja ein Pausenklau weil ich die Zeiten oft überzogen hatte, wir haben die Sachen oft ausdiskutiert...diese Freiheit wurde später beschnitten...". Umschnitt auf den Germanisten Prof. Hans Mayer (halbnah) (O-Ton) "Der Enthusiasmus der ersten Jahre, das Wissenschaftsstreben, das wissen wollen, das war nicht mehr da. Ich hab im Hörsaal dann 3 Kategorien meiner Studenten vorgestellt und manche haben doch nen roten Kopf bekommen. Ich sagte, die Mehrheit unserer Studenten hier im Hörsaal die sagt sich was der Mayer da vorträgt das kenn ich noch nicht aber das möchte ich kennen lernen, dann gibt es eine phlegmatische Minderheit die sagt das was der Mayer da vorträgt weiß ich zwar nicht, das brauch ich auch nicht zu wissen, für die Karriere natürlich, und dann gab es eine kleine Minderheit, sagte ich damals im Hörsaal, die sagten was der Mayer da vorträgt das darf ich gar nicht wissen, also ich werde mich nicht bemühen das kennen zu lernen. Das merkten wir auch an der Benutzung unserer Bibliothek, denn wir hatten alle die stellenweise mit großem Unbehagen angesehenen westlich-dekadenten Autoren, die weitgehend auch große Autoren unseres Jahrhunderts waren, also mit Kafka und mit Beckett und den anderen Böll und vielen anderen der Gruppe 47 konnte man ja alle in unserem Institut lesen. Aber wir stellten fest und das war weitgehend nach 1956 bis zum Ende der 50er Jahre, die Benutzungsintensität ging zurück. Solche Leute wie Uwe Johnson, das sie abgeknabbert hatten bis zum letzten Knochen, das wurde nicht mehr angebissen...man sagte mir, ne, die werden gar nicht mehr ausgeliehen, da ist irgendwie ein Wind der weht dagegen...". Umschnitt

1:19:57

Ehemaliger ABF-Schüler (halbnah) (O-Ton) "Auf der einen Seite haben wir im Labor Resultate gefunden die wir dann auch in Form von Berichten, von Veröffentlichungen nur zum Teil aber doch die harten Daten in Form von Berichten an die jeweiligen Kombinatsdirektoren geschickt haben, aber die haben sie eben in ihren Panzerschrank gepackt. Natürlich hatten wir in der DDR eine ganz gute Landeskulturgesetzgebung, wir hatten sogar einen Minister für solche Fragen, aber das war in dem Sinne kein Umweltschutzminister sondern das war einfach ein Minister zum Umweltdatenschutz, der eben dafür gesorgt hat das diese Daten nicht nach Draußen drangen, aber ob das in der Akademie war oder im Hochschulbereich oder auch in der Industrie vor Ort, die Leute haben durchaus gewusst das wir also ökologisch sündigen das im wahrsten Sinne es zum Himmel gestunken hat...". Umschnitt auf zwei Frauen vor Computern (halbnah). Eine ehemalige ABF-Schülerin Prof. Veronika Schmidt unterrichtet junge Menschen in einem Saal (halbtotal). Dazu hört man sie im Off erzählen: "Vor fast 2 Jahren kamen hier sowjetische, jüdische Emigranten aus der Sowjetunion und die brauchten Deutschunterricht und wandten sich an jüdische Organisationen, unter anderem an den jüdischen Kulturverein der ja auch erst grad gegründet war, und dem gehöre ich an, von daher kam die Frage kannst du nicht mit Unterricht beginnen. Na ja, das habe ich dann gemacht...(Schwenk über die lernenden Schüler im Saal)...weil ich einerseits eine gute Aufgabe darin gesehen habe und andererseits, das habe ich dann sehr schnell gemerkt, war das für mich eine Möglichkeit etwas Vernünftiges zu tun, beschäftigt zu sein in einer Zeit in dem das alles den Bach runter ging...". Umschnitt auf die erzählende Germanistin Veronika Schmidt am Tisch (halbnah) (O-Ton) "Die Lernbegeisterung ist nicht so wie zu meiner Zeit, das muß ich schon sagen, es gibt einige dabei die wissen sehr genau, sie brauchen die Sprache...(Einblendung Lehrerin mit den Emigranten bei einer Kaffeepause)...sonst gibt es keine Kommunikation, sonst können sie hier nicht leben. Das sind Leute mit einer sehr guten Ausbildung, nicht alle aber doch viele von ihnen, und sie stellten etwas dar, und hier sind sie nichts. Sie kommen her mit Illusionen, sie sagen egal was hier auf uns zukommt das ist immer noch besser als das was war...". Umschnitt

1:23:07

Ehemaliger ABM-Lehrer Prof. Hans Mayer berichtet weiter (halbnah) (O-Ton) "...aber wenn da ein Prinzip kaputt gemacht worden ist, so spricht auch das schlechte Ende auch hier nicht gegen das Prinzip. Ich bin jetzt am Ende eines langen Lebens...(Schwenk über eine Park auf historische Hausfassaden)...ich halte keine Vorlesungen mehr, aber ich muß zum Beispiel sagen, wenn ich heute die Universität erlebe und ihre Studenten ansehe da wächst in dem Zustand der latenten Gesellschaftskrise der Bundesrepublik eine neue Protestgeneration heran...(Blick auf rauchende und trinkende Jugendliche auf einer Mauer)...aber dominieren tut natürlich doch ein Status der gesellschaftlichen Stagnation und das wird sich nicht halten...(ab hier der Erzähler im Bild)...und dann wird eben keine Arbeiter- und Bauernfakultät da sein und keine Leitung von oben die versucht die Universität von unten her, von der Basis her, zu regenerieren". Umschnitt

1:24:17

Schwenk vom Hinterkopf über die Hände einer Steinstatue auf zwei erzählende ehemalige ABF-Schüler in der Parkanlage von Wuppertal (halbnah) (O-Ton) "Es ist teilweise Ballast was man mit sich rumschleppen und zu verdauen hatte, aber es ist ja auch...eine Veranlassung quer und dagegen zu denken, fällt mir Laotse ein, also das etwas da ist bedeutet Gewinn, aber das nichts daran macht ihn nutzbar. Ich würde sagen ich kann das so nicht leben, es ist ja auch so, wo Irrtümer sind, sind ja aus Irrtümern nicht nur schlechte sondern auch zum Teil große Resultate erwachsen...". Umschnitt auf den Nachspann mit Einblendung des Stabes und den jeweiligen Personen im Bild (TC-Einblendungen liegen immer genau auf den eingeblendeten Namen, somit unleserlich). Abblendung: Archivdokumente: DEFA Dokumentarfilm-Archiv; ADN GmbH-Bildarchiv; Deutsches Rundfunkarchiv; Bundesfilmarchiv. Hergestellt mit Mitteln der Kulturellen Filmförderung des Landes Brandenburg und der Filmförderung Berlin. © 1992. Abblendung

1:27:40 ENDE

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