Caspar David Friedrich – Grenzen der Zeit
Am 5. September 2024 jährt sich der Geburtstag von Caspar David Friedrich (1774–1840) zum 250. Mal. Im Jubiläumsjahr wird mit zahlreichen Veranstaltungen an ihn erinnert. Die deutsch-deutsche Koproduktion CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT (R: Peter Schamoni 1986) ist wieder auf DVD und erstmals auch auf Blu-ray in der Edition Filmjuwelen erschienen.
Kurzinhalt
Caspar David Friedrichs Landschaftsmalereien – darunter herbe Ostseebilder und melancholische Bergsilhouetten – zeigen keine idealisierten Szenerien. Realistisch und zugleich symbolisch bilden sie Natur und Menschen ab. Ein neuer Kurs in der Kunstwelt. Doch nicht alle sind von den oft düsteren Werken des unangepassten Eigenbrötlers beeindruckt. Friedrich kämpft mit den Zweifeln seiner Zeitgenossen – breite Anerkennung bleibt ihm verwehrt. Sein Kunstverständnis stößt an die Grenzen der Zeit... Überzeugt von der Kunst seines Freundes ist Carl Gustav Carus (gespielt von Helmut Griem). Aufopferungsvoll verteidigt und erklärt er die Werke Caspar David Friedrichs.
Ein Künstlerleben: Caspar David Friedrich
Caspar David Friedrich wurde 1774 als sechstes von zehn Kindern in Greifswald geboren. Privatunterricht im Zeichnen erhielt er ab circa 1790 vom Greifswalder Hochschullehrer Johann Gottfried Quistrop. Es folgte ein Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Anschließend kehrte Friedrich 1798 zunächst nach Greifswald zurück, verlagerte seinen Wohnsitz jedoch wenige Monate später nach Dresden. Bis zu seinem Tod 42 Jahre später blieb die Stadt seine Heimat. Ausgehend von Sachsen unternahm Friedrich immer wieder ausgedehnte, künstlerisch produktive Reisen nach Mecklenburg und Pommern aber auch ins Riesengebirge und in den Harz. Trotz einiger künstlerischer Erfolge blieb ihm zu Lebzeiten eine breite Anerkennung verwehrt. Nach seinem Tod geriet er zunächst weitgehend in Vergessenheit. Eine Reihe wichtiger Werke des Malers wurden 1931 beim Brand des Münchner Glaspalasts zerstört. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden Caspar David Friedrichs Werke mit wachsendem Interesse der Öffentlichkeit wiederentdeckt. Heute gilt er als bedeutendster Maler der Romantik. Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen erinnern an sein Schaffen.
Produktionsnotizen
Die Dreharbeiten für den Film erfolgten unter anderem auf der Insel Rügen, in Dresden und Greifswald, im Neuen Palais in Potsdam sowie in der Sächsischen Schweiz. Sämtliche Gemälde Caspar David Friedrichs, die im Film zu sehen sind, wurden von den Kunstmalern des DEFA-Studios für Spielfilme aufwendig nachgemalt. Damit die Werke nicht als Fälschungen betrachtet werden konnten, wurden leicht veränderte Formate gewählt. Für die Kostüme zeichnete die renommierte DEFA-Kostümbildnerin Christiane Dorst verantwortlich. Trotz knappen Budgets entstanden zahlreiche Gewänder, die die Epoche der Romantik widerspiegeln. Historische Genauigkeit spielte eine wichtige Rolle: Ein Kleid für Sabine Sinjen in der Rolle von Friedrichs Frau Caroline wurde anhand einer Vorlage des Gemäldes „Frau am Fenster“ gefertigt.
DDR-Premiere feierte CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT am 27. Februar 1987 im Dresdner Filmtheater in der Prager Straße (Rundkino) in Anwesenheit von Regisseur Peter Schamoni und Kameramann Gérard Vandenberg. Einen Tag später folgte die Berliner Erstaufführung mit der Wiedereröffnung des renovierten Premierenkinos „International“. In der BRD war der Film bereits ab dem 23. Oktober 1986 zu sehen.
Regie und Kunst: Peter Schamoni
Peter Schamoni (1934–2011) zählt als Mitautor des Oberhausener Manifests von 1962 zu den wichtigsten Vertretern des Neuen Deutschen Films in der BRD. Seine künstlerische Leidenschaft entdeckte Schamoni bereits als Kind, als er kleine Rollen im Theater und in Filmen übernahm. Sein Vater war der Filmpublizist Victor Schamoni. Auch Peter Schamonis Brüder – Victor jr., Thomas und Ulrich – hinterließen prägnante Spuren im Filmgeschäft. Seinen ersten dokumentarischen Kurzfilm MOSKAU 57 drehte Peter Schamoni über die VI. Weltfestspiele der Jugend in Moskau. Ab 1966 inszenierte er mehr als 30 lange Spiel- und Dokumentarfilme, die mit zahlreichen Preisen bedacht wurden. Eng verknüpft mit seinem filmischen Werdegang war die Leidenschaft zur Bildenden Kunst. Davon zeugt unter anderem seine enge Zusammenarbeit mit dem surrealistischen Künstler Max Ernst, mit dem und über den er mehrere Filmprojekte verwirklichte, darunter den Kurzfilm MAXIMILIANA – DIE WIDERRUFLICHE AUSÜBUNG DER ASTRONOMIE (1971), der in Cannes um die Goldene Palme konkurrierte. Mit HUNDERTWASSERS REGENTAGE (1972) verfilmte Schamoni das künstlerische Lebenswerk des Österreichers Friedensreich Hundertwasser. 1994 folgte eine filmisch dokumentarische Auseinandersetzung mit der amerikanisch-französischen Bildhauerin Niki de Saint Phalle in WER IST DAS MONSTER – DU ODER ICH?
Eine deutsch-deutsche Koproduktion
Bereits einige Jahre vor CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT realisierte Peter Schamoni mit FRÜHLINGSSINFONIE (1983), der die Liebesgeschichte zwischen dem Komponisten Robert Schumann und der Pianistin Clara Wieck – gespielt von Herbert Grönemeyer und Nastassja Kinski – erzählt, eine der seltenen deutsch-deutschen Koproduktionen der Filmgeschichte. Aufgrund der guten Erfahrungen kam es zu einer erneuten Zusammenarbeit. Zudem war Schamoni für seine neue Filmidee dringend auf Drehorte in der DDR angewiesen, die eng mit der Biografie Caspar David Friedrichs verknüpft sind. 1984 nahm der Filmemacher erstmals Kontakt zum Dresdner Albertinum auf, um Unterstützung bei Recherchen zu erbeten. Sein Ansprechpartner dort war der junge Kunsthistoriker Winfried Werner. Werner holte den über Caspar David Friedrich forschenden Dresdner Pfarrer Karl-Ludwig Hoch (1929–2015) mit ins Projekt, der für Schamoni zum wichtigsten Fachberater wurde. Zusammen bereiste das Gespann Originalschauplätze, um passende Motive für den Film zu finden. Wesentliche Handlungsmotive des Films gehen auf Hochs Buch „Caspar David Friedrich – unbekannte Dokumente seines Lebens“ (1985) zurück.
Ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern
Einige Schauspieler aus CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT wirkten bereits Jahrzehnte zuvor in DEFA-Produktionen mit und waren zwichenzeitlich nur noch in der BRD aktiv. Zu nennen ist allen voran Lothar Blumhagen (1927–2023), der mit HEXEN (R: Helmut Spieß, 1954) und SOMMERLIEBE (R: Franz Barrenstein, 1954) große Erfolge bei der DEFA feierte und in CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT als Verleger Georg Andreas Reimer zu sehen ist. Hans Quest (1915–1997), der den Schriftsteller Ernst Moritz Arndt spielt, übernahm bereits 1949 in der DEFA-Produktion DIE BLAUEN SCHWERTER (R: Wolfgang Schleif) die Hauptrolle des Gründungsadministrators der Meißner Porzellanmanufaktur Johann Friedrich Böttger. Manfred Günther (1935–1989) spielte zu Beginn seiner filmkünstlerischen Laufbahn Rollen in STEINZEITBALLADE (Ralf Kirsten, 1960) und DER FALL GLEIWITZ (R: Gerhard Klein, 1961). Er kehrte als Kunsthistoriker Andreas Aubertin zu seinen filmkünstlerischen Wurzeln zurück.
Otto Sander (1942–2013), in CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT als Gerichtsgehilfe zu sehen, übernahm später eine Hauptrolle in der DEFA-Produktion DER BRUCH (R: Frank Beyer, 1989).
Echo: Ein Bildungserlebnis
Zeitgenössische Pressekritiken würdigten insbesondere die unkonventionelle Herangehensweise des Regisseurs an den Film. So tritt Caspar David Friedrich – wie die Menschen in seinen Gemälden – lediglich als Rückenfigur aus der Ferne in Erscheinung. Das Publikum lernt den Maler über seine Kunst, Zitate sowie durch Aussagen von Zeitgenossen über ihn kennen. „Bemerkenswert ist das hier unternommene Experiment, die Dramaturgie des biographischen Films ins Essayistische aufzulösen und so vielschichtiger werden zu lassen“ urteilte Helmut Ullrich in der „Neuen Zeit“ am 3. März 1987. Geradezu begeistert zeigte sich auch der Westberliner Kritiker Dieter Strunz in der Berliner Morgenpost: „Ein Bildungserlebnis von höchster Bildwirkung dank der kongenialen Kamera von Gérard Vandenberg. Schamoni holt Friedrich aus der Ecke des Nur-Romantikers, vom Sockel des Postkarten- und Kalender-Lieblings. Er vermenschlicht ihn, erzählt von seinen Anfechtungen, von politischer Not und persönlichen Widrigkeiten.“ Astrid Kuhlmey betonte in ihrer Besprechung für das Presseheft des Progress-Filmverleihs den Umweltaspekt, und verwies auf eine Szene in der Friedrich eine Allee mit Weiden kauft, um die Abholzung zu verhindern: „Der Mensch im beginnenden Industriezeitalter ist nicht mehr ohne weiteres Teil seiner natürlichen Umwelt – eine Frage, die aktuell zu neuen Lösungen drängt.“
CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT war in der DDR insbesondere in Friedrichs Wahlheimat Dresden ein Publikumserfolg. Innerhalb kurzer Zeit sahen 50.000 Menschen des Bezirks das künstlerisch anspruchsvolle Filmwerk. Zudem gewann der Film mehrere Preise, darunter 1986 den Bayerischen Filmpreis für die beste Bildgestaltung. Ein Jahr spätere folgte das Filmband in Gold für die Beste Kamera. Zudem gewann der Film Preise auf dem Kunstfestival Monte Carlo und dem Art-Filmfestival Montreal. Die deutsche Film- und Medienbewertung verlieh CASPAR DAVID FRIEDRICH – GRENZEN DER ZEIT das Prädikat „besonders wertvoll“.