Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

Die Geschichte vom kleinen Muck

Am 23. Dezember 1953 – vor 70 Jahren – feierte DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (R: Wolfgang Staudte) im Berliner Kino Babylon Premiere und wurde zum erfolgreichsten deutschen Märchenfilm aller Zeiten.

Kurzinhalt

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK

(R: Wolfgang Staudte, 1953) Grafiker: Kurt Geffers

In einem orientalischen Land wird ein kleiner, greiser Töpfergeselle mit dem Namen Muck (gespielt von Johannes Maus) von Kindern gehänselt und verfolgt. Mit einer List bringt er sie dazu, ihm zuzuhören und beginnt eine – seine eigene – Geschichte zu erzählen. Er berichtet von einem kleinen Jungen (Thomas Schmidt), der sich nach dem plötzlichen Tod des Vaters (Wilhelm Otto Eckhardt) auf die Suche nach dem Kaufmann, der das Glück verkauft, begibt. Von diesem hatte ihm seine verstorbene Mutter als kleines Kind oft erzählt. Auf seiner Reise begegnet der kleine Muck vielen Menschen und nicht alle sind ihm freundlich gesinnt. Im Haus der alten Hexe Ahavzi (Trude Hesterberg) gelangt er an ein Paar Zauberpantoffeln und einen Stab, der Schätze aufspüren kann. Auf der nächsten Station seiner Reise, dem Palast des Sultans, sollen ihm die Gegenstände von großer Hilfe sein...

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK war eine Großproduktion und nach DAS KALTE HERZ (Paul Verhoeven, 1950), der zweite Märchenfilm, der von der DEFA in Farbe gedreht wurde. Die aufwendigen Kulissen schuf Szenenbildner Erich Zander auf dem Babelsberger Studiogelände. Regisseur Wolfgang Staudte standen zwischen dem 16. Februar und dem 31. Juli 1953 140 (!) Drehtage zur Verfügung und er konnte sich für die Arbeit der Filmgewerke der besten Mitarbeiter des Studios versichern. Premiere feierte der Film am 23. Dezember 1953 im Berliner Kino Babylon, dessen Fassade zu diesem Anlass aufwendig dekoriert wurde.

 

 

 

 

Die Kino-Wochenschau DER AUGENZEUGE (Ausgabe 02/1954) berichtet über die Premiere im Berliner Kino Babylon.

Wilhelm Hauff und die DEFA

DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK geht auf ein Kunstmärchen des Schriftstellers Wilhelm Hauff (1802–1827) zurück, dessen literarisches Schaffen sich auf die Jahre 1825 bis 1827 beschränkt. In dieser kurzen Zeit entstand ein bemerkenswert umfangreiches Œuvre. Neben dem Roman „Lichtenstein“ sind es insbesondere Hauffs Märchen-Almanache „für Söhne und Töchter gebildeter Stände“, die große Bekanntheit erlangten. Zu seinem Werk zählt auch die Novelle „Jud Süß“, die jüdische Stereotype und Klischees reproduziert. Veit Harlan verfilmte die Erzählung 1940 in stark veränderter Form als antisemitischen Propagandafilm für die Nationalsozialisten.

Bei der DEFA entstanden neben DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (1953) und dem bereits erwähnten DAS KALTE HERZ (1950) noch drei weitere Filme nach Erzählungen von Wilhelm Hauff. Gottfried Kolditz inszenierte 1958 mit DER JUNGE ENGLÄNDER einen Langfilm der „Stacheltier“-Reihe als musikalische Pantomime. Am DEFA-Studio für Trickfilme wurden zwei orientalische Märchen Hauffs verfilmt: 1982/83 adaptierte Kurt Weiler mit einer Collage- und Legetricktechnik DIE GESCHICHTE VOM KALIF STORCH und Katja Georgi schuf 1985 den Puppentrickfilm ZWERG NASE (1985).

 

 

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

Viele Tiere wirkten in DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (R: Wolfgang Staudte, 1953) mit. Neben Affen, Katzen, Kamelen und Tigern auch Elefanten. Fotograf: Eduard Neufeld

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

Nach dem Tod des Vaters erfährt der kleine Muck erste Unterstützung vom Stadtwächter (gespielt von Friedrich Gnaß). Fotograf: Eduard Neufeld

Regie: Wolfgang Staudte

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

Wolfgang Staudte

bei den Dreharbeiten zu DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (R: Wolfgang Staudte, 1953) Fotograf: Eduard Neufeld

Eigentlich war Wolfgang Staudte nicht glücklich, als er von der DEFA die Verfilmung des Hauff’schen Märchens angeboten bekam. „Ich wollte doch so richtige politische Filme machen, und dann kam sowas“ sagte Staudte später (zitiert nach Schenk, Filmdienst, 26/2003). Nach dem großen Erfolg seiner Heinrich-Mann-Verfilmung DER UNTERTAN zwei Jahre zuvor steckte Staudte bereits in den Vorbereitungen für eine Verfilmung von Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“, doch Querelen mit dem Autor verhinderten den Start des Projekts. Mit der Aussicht, das gleiche Budget wie für die Brecht-Verfilmung zur Verfügung zu haben, erklärte sich Staudte bereit DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK zu inszenieren.1976 erinnerte er sich in einem Interview mit Malte Ludin an eine Filmarbeit zurück „die mir sehr viel Freude gemacht hat.“ Weiter heißt es „(…) da waren Bauten, das ist also wirklich Hollywood und besser gewesen. Solider und großzügiger, und mit vielen technischen Tricks konnte ich da arbeiten.“ (zitiert aus „Nachdenken über Wolfgang Staudte“, Hg. Michael Grisko, Filmmuseum Potsdam)

Thomas Schmidt als kleiner Muck

Lange musste Wolfgang Staudte nach einem passenden Darsteller für den kleinen Muck suchen. Da er zunächst nicht daran glaubte, dass ein Kind die Hauptrolle bewältigen könne, wurden zahlreiche unbekanntere, erwachsene Schauspielerinnen gecastet. Schließlich fiel die Wahl auf den 11-jährigen Thomas Schmidt (1942–2008), Sohn der Schauspielerin Charlotte Ulbrich und Stiefkind des für DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK tätigen Drehbuchautors Peter Podehl. Schmidt erinnerte sich später, dass seine Mutter ihn zu den Probeaufnahmen mitnahm und dort einen Turban aufsetzte. Regieassistent Siegfried Hartmann, der später selbst erfolgreich Märchenfilme bei der DEFA drehte, wies Regisseur Staudte auf den Jungen hin und so kam es, dass Schmidt die Rolle erhielt. Knapp zwei Jahre nach den Dreharbeiten verließ Thomas Schmidt mit seiner Familie die DDR. Bis 1961 wirkte er noch in einigen Fernsehproduktionen mit. Anschließend studierte er Medizin und war zuletzt Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

Die Familie des kleinen Muck ist nach dem plötzlichen Ableben des Vaters nur am Erbe interessiert. Fotograf: Eduard Neufeld

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

Ein Garant für den Erfolg des Films: Thomas Schmidt in der Rolle des kleinen Muck. Fotograf: Eduard Neufeld

Rekord für die Ewigkeit?! Über elf Millionen Kinozuschauer

Das überzeugende Spiel des jungen Hauptdarstellers dürfte ein wichtiger Aspekt für den bahnbrechenden Erfolg des Films bei Jung und Alt an der Kinokasse gewesen sein: Weit mehr als elf Millionen Menschen sahen DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK in den Kinos der DDR. Der Film lief in mehr als 60 Ländern und erhielt Auszeichnungen auf den Filmfestivals in Edinburgh und Montevideo. Damit ist DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK bis heute der erfolgreichste deutsche Märchenfilm aller Zeiten. Auch die zeitgenössische Presse überhäufte den Film mit positiven Besprechungen. So hieß es unter anderem im Sächsischen Tageblatt vom 29. Dezember 1953: „Tiefes menschliches Empfinden und wahre Güte strahlen von diesem Film aus“ und die Junge Welt urteilte am 1. Januar 1954: „Der ethische Gehalt dieses Märchens (…) wird dazu beitragen, nicht nur in unserer Jugend, sondern auch bei den Erwachsenen das Gefühl für Recht und Unrecht, der Achtung vor dem Menschen, gleich welcher Hautfarbe (…) weiterzuentwickeln.“ Bis heute wird DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK regelmäßig im deutschen Fernsehen gezeigt und erfreut sich großer Beliebtheit. Jedoch mehren sich auch kritische Stimmen, die den Film als diskriminierend empfinden und mit dem Vorwurf des „Black Facing“ konfrontieren.

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

Aufwendiger Kulissenbau in den Studiohallen... Fotograf: Eduard Neufeld

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

... und auf dem Außengelände in Potsdam-Babelsberg. Fotograf: Eduard Neufeld

Diskriminierungskritische Betrachtung

Im September 2022 diskutierte Deutschland, ob die Karl-May-Verfilmungen um den Apachen Winnetou heutzutage noch gezeigt werden dürfen. Für Aufregung sorgte eine im Zuge der laufenden Debatte von vielen Medien aufgegriffene Ankündigung des MDR, Filme zu Beginn mit einer Tafel zu versehen, wenn sie diskriminierende Inhalte enthalten und auf Stereotype zurückgreifen. Im Medienecho fand diesbezüglich auch DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK einige Beachtung. Die DEFA-Stiftung bat daraufhin die Outreach-Managerin und interkulturelle Trainerin Aida Ben Achour, den Film aus diskriminierungskritischer Sicht zu betrachten.

Dass Hauptdarsteller Thomas Schmidt und viele andere Akteure für ihre Rollen dunkler geschminkt wurden, erkennt Ben Achour in ihrer Analyse nicht als zentrales Problem, da es nicht um eine groteske, böswillig marginalisierte und stereotype Darstellung ginge. Insofern handele es sich nicht um „Black Facing“ im herkömmlichen Sinne, wie es unter anderem in den sogenannten „Minstrel-Shows“ in den USA praktiziert wurde. Weitaus kritischer sieht die Autorin, dass in DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK zahlreiche Schwarze Darsteller als stumme Statisten mitwirkten, ohne Sprechanteile zu erhalten. Man „ging offensichtlich davon aus, dass keine der Schwarzen Personen dazu in der Lage war, eine Sprecherrolle zu übernehmen“, stellt Ben Achour fest. Als explizit rassistisch stuft die Autorin eine Szene mit den beiden Kinder-Leibwedlern des Sultans ein: Nach dem Blick auf die Schwarzen Kinder folgt ein kurzer Filmschnitt auf zwei Rhesus-Affen. „Diese Bilder sind es letztendlich, die sich unbemerkt im Bewusstsein der Zuschauer einnisten und die Wahrnehmung nachhaltig prägen. […] Was drollig wirken sollte, verfestigte das Bild von Menschen, die man mit Affen auf eine Stufe setzte“ so Ben Achour.

Die diskriminierungskritische Betrachtung eines Films ermöglicht einen neuen Blick auf das Werk. Sie macht die gesellschaftliche Vielfalt sichtbar und Diskriminierungsmuster erkennbar. Dies kann zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Film führen, die jedoch nicht den humanistischen Ideengehalt des Films oder die Leistung der Filmschaffenden schmälern sollte.

Die vollständige Betrachtung zu DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK von Aida Ben Achour wird in Kürze auf der Website der DEFA-Stiftung bereitgestellt.

Verfasst von Philip Zengel. (Dezember 2023)

menu arrow-external arrow-internal camera tv print arrow-down arrow-left arrow-right arrow-top arrow-link sound display date facebook facebook-full range framing download filmrole cleaning Person retouching scan search audio cancel youtube instagram