Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Die Mörder sind unter uns

Im Dezember 2025 jährt sich der Geburtstag von Hildegard Knef zum 100. Mal. Bereits jetzt startet der biografische Dokumentarfilm ICH WILL ALLES von Luzia Schmid in den Kinos. Im Umfeld des 80. Jahrestags des Kriegsendes am 8. Mai 2025 wird DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (Wolfgang Staudte, 1946) im Rahmen verschiedener Veranstaltungen im Kino zu sehen sein. Ab 22. Mai ist der Film in der Edition Filmjuwelen auf DVD und Blu-ray verfügbar.

Kurzinhalt

Filmpalakt zu "Die Mörder sind unter uns"

DIE MÖRDER SIND UNTER UNS

(R: Wolfgang Staudte, 1946) Grafiker: René Ahrle

Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Berlin liegt in Trümmern. In einem überfüllten Zug kehrt Susanne Wallner aus dem Konzentrationslager zurück in ihre Heimat. „Leben. Endlich einmal leben“, lautet ihre Zukunftshoffnung. In ihrer alten Wohnung lebt nun der Chirurg Dr. Mertens, ein Kriegsheimkehrer, der versucht seine schrecklichen Erinnerungen an ein Kriegsverbrechen mit Alkohol zu verdrängen. Die beiden arrangieren sich und Susanne hilft Mertens, wieder zu sich selbst zu finden. Als dieser seinen ehemaligen Hauptmann, nun ein aufstrebender Geschäftsmann, der für das Kriegsverbrechen verantwortlich war, wiedertrifft, sinnt Mertens auf Rache. Wird er den Weg der Selbstjustiz gehen?

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

Die Dreharbeiten zu DIE MÖRDER SIND UNTER UNS begannen am 4. Mai 1946 und damit noch vor dem offiziellen Gründungstag der DEFA am 17. Mai 1946. Letzter Drehtag war der 8. August des Jahres. Zwei Monate später folgte am 14. Oktober 1946 die Premiere in der Berliner Staatsoper im Admiralspalast. Vor der Filmvorführung wurde dem Publikum die aktuelle Ausgabe der DEFA-Wochenschau „Der Augenzeuge“ präsentiert. Zudem würdigte der Schriftsteller Erich Weinert in einer Ansprache die Bedeutung des Tages als Wiedergeburt des deutschen Films. Rund 6,3 Millionen Menschen sahen den Film in den Kinos. Auch international wurde die Produktion viel beachtet.

Filmausschnitt aus DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (R: Wolfgang Staudte, 1946)

Ein Trümmerfilm gedreht in Berlin

Ein Großteil der Aufnahmen zu DIE MÖRDER SIND UNTER UNS wurde im zerstörten Berlin gedreht. Nur wenige Szenen entstanden im Studio. Die Dreharbeiten erfolgten u.a. in der Bernauer Straße, am Stettiner Bahnhof (Nordbahnhof) und am Andreasplatz (Friedrichshain). Der Film markierte mit seinen authentischen Bildern von in den Himmel ragenden Ruinen in starken schwarz-weiß Kontrasten den Auftakt einer Reihe von Filmen, die als „Trümmerfilme“ in die Filmgeschichte eingingen. Es folgten u.a. IRGENDWO IN BERLIN (Gerhard Lamprecht, 1946) bei der DEFA und IN JENEN TAGEN (Helmut Käutner, 1947), als erster Trümmerfilm, der in den westlichen Besatzungszonen entstand. 

 

 

 

 

Regie: Wolfgang Staudte

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Wolfgang Staudte

während der Dreharbeiten zu DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (1946) Fotograf: Eugen Klagemann

Weimarer Republik, NS-Zeit, DDR und BRD – Wolfgang Staudte wirkte im Laufe seines Lebens in vier verschiedenen deutschen Staaten. Geboren wurde er 1906 in Saarbücken als Sohn eines Schauspieler-Ehepaars. Nachdem er zunächst das Handwerk des Automonteurs erlernte, wechselte Staudte 1926 in den Beruf seiner Eltern, spielte Theater und war in ersten kleinen Filmrollen zu sehen, u.a. in Josef von Sternbergs DER BLAUE ENGEL (1930). 

Mit Beginn der NS-Zeit erhielt Staudte als Schauspieler der Volksbühne, die mit politischen Inszenierungen den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge war, zunächst für zwei Jahre ein Berufsverbot. Anschließend war er beim Rundfunk und im Synchronbereich tätig und immer wieder in kleinen Rollen auf der Leinwand zu sehen. Parallel begann er sich als Regisseur zu erproben. Vielfach sind es Werbefilme, die durch ihre humorvolle Inszenierung auffallen. Sein Talent blieb nicht unentdeckt und er erhielt einen Nachwuchs-Regievertrag bei der Tobis. Staudte, ein überzeugter Pazifist, genoss in der Zeit des Zweiten Weltkriegs das Privileg, nicht an die Front zu müssen. Um diese Position nicht zu verlieren, wirkte er auch in Propagandafilmen wie JUD SÜSS (Veit Harlan, 1940) mit. 1943 kam mit AKROBAT SCHÖ-Ö-Ö-N, ein Unterhaltungsfilm im Varieté-Milieu, Staudtes eigene Spielfilm-Regiearbeit in die Kinos. Als sein nachfolgendes Filmprojekt verboten wurde und der Einzug in die Wehrmacht drohte, legte der einflussreiche Schauspieler Heinrich George seine schützende Hand über Staudte. 

Die erfolgreichste Phase seiner künstlerischen Karriere erlebte Staudte ab 1946 bei der DEFA. Neben DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (1946) fanden auch ROTATION (1949) und die Märchenverfilmung DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (1953) große Beachtung.

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Wolfgang Staudte mit Hildegard Knef während der Dreharbeiten. Fotograf: Eugen Klagemann

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Berlin ist zerstört. Die Trümmerfrauen beginnen mit dem Wiederaufbau. Fotograf: Eugen Klagemann

Der Weg zum ersten deutschen Nachkriegsfilm

Die Idee für DIE MÖRDER SIND UNTER UNS hatte Staudte bereits im letzten Kriegsjahr im Kopf, brachte sie aus Vorsicht jedoch noch nicht zu Papier. Erst im Mai 1945 begann er mit der Niederschrift des Drehbuchs, das zunächst noch den Titel „Der Mann, den ich töten werde“ trug. „Ich musste diesen Film machen. Er bedeutete eine innere Befreiung, die innere Auseinandersetzung mit der Nazizeit und all ihren Verbrechen“ sagte Staudte später über seine Motivation den Film zu machen (zitiert nach Mückenberger/Jordan, Die DEFA von ihren Anfängen bis 1949, 1994, S. 41)

In den drei West-Zonen suchte Staudte, der im britischen Teil Berlins wohnte, vergeblich nach Geldgebern. Lediglich die sowjetischen Kulturoffiziere waren bereit den Film zu finanzieren. Sie ließen ihn DIE MÖRDER SIND UNTER UNS weitestgehend frei realisieren, lediglich den Schluss musste er ändern. Im Original-Drehbuch erschießt Mertens seinen früheren Hauptmann. Die Möglichkeit der Selbstjustiz sollte jedoch nicht aufgezeigt werden. Dies geschah in der DEFA-Filmgeschichte erst 1965 in der Verfilmung des Leonhard-Frank-Romans „Die Jünger Jesu“ unter dem Titel CHRONIK EINES MORDES (Joachim Hasler, 1965). Eine Jüdin erschießt dort den neu gewählten Bürgermeister einer Kleinstadt, der für den Tod ihrer Eltern verantwortlich war. Handlungsort des Films war jedoch mitten im Kalten Krieg die BRD und nicht die DDR.

In der Hauptrolle: Hildegard Knef

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Hildegard Knef

als Susanne Wallner in DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (R: Wolfgang Staudte, 1946) Fotograf: Eugen Klagemann

Für die 1925 in Ulm geborene Hildegard Knef markierte das Mitwirken in DIE MÖRDER SIND UNTER UNS den Auftakt für eine große Karriere als international gefragte Schauspielerin. Nach der Schulzeit wurde sie zunächst als Zeichnerin in der Trickfilmabteilung der Ufa ausgebildet. Ab 1943 folgte eine Schauspielausbildung. Noch vor Kriegsende wirkte sie 1944 in Nebenrollen in ersten Ufa-Produktionen mit, die jedoch erst nach dem Krieg vorgeführt wurden. So war Knef ein unbelastetes, junges Gesicht, als sie 1945 die Schauspielerei am Theater wieder aufnahm. Am 1. November 1945 sprach sie auf Wunsch des Intendanten Boleslaw Barlog den Einweihungsprolog zur Wiedereröffnung des Berliner Schlosspark Theaters. Zudem übernahm sie die Rolle der Fanny in einer Inszenierung des Stückes „Der Goldene Anker“ von Marcel Pagnol. In diesem Part entdeckte sie Wolfgang Staudte für sein geplantes Filmprojekt DIE MÖRDER SIND UNTER UNS. In der MDR-Dokumentation „DEFA – Es werden ein paar Filme bleiben“ erinnerte sie sich 1996 an die Dreharbeiten und an Staudte: „Er war ein wunderbarer Mensch und hatte dabei sogar noch Humor. Wir hatten alle manchmal einen sehr seltsamen Humor, der heute gar nicht mehr zu verstehen wäre, weil wir alle natürlich auf sehr egozentrische Weise froh waren, den Krieg überlebt zu haben.“

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Gezeichnet vom Krieg: Dr. Mertens (gespielt von Ernst Wilhelm Borchert) Fotograf: Eugen Klagemann

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Aufsteiger nach dem Krieg: Hauptmann Brückner (gespielt von Arno Paulsen) Fotograf: Eugen Klagemann

Echo: Aus zeitgenössischen Kritiken

DIE MÖRDER SIND UNTER UNS wurde in diversen Zeitungen der sowjetischen Besatzungszone überaus positiv besprochen und gefeiert. So hieß es in der Berliner Zeitung: „Diese Veranstaltung war ein Ereignis, ein Ereignis nicht nur für Berlin, sondern für ganz Deutschland. In ihr dokumentiert sich nicht nur ein erstaunliches Stück kulturellen Wiederaufbaus, sondern auch der klar bekundete Wille, mit den künstlerischen Mitteln des Films einen Beitrag zur seelischen und moralischen Liquidierung einer unheilvollen Vergangenheit zu erbringen“ (W.L. in Berliner Zeitung vom 16.10.1946). Kritischer äußerte Friedrich Luft im Tagesspiegel, der im US-amerikanischen Sektor erschien. In seiner Kritik heißt es: „Der Film ist langsam, er kommt erst spät ins Thema. Und als er es erreicht hat, verhakt er sich so sehr in die Symbolträchtigkeit der Bilder, dass er schließlich die Wirkung, die von ihm zu erhoffen war, nur halb erreicht wird.“ (zitiert nach Prinzler & Orbanz in Staudte, 1991, S. 175)

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Susanne Wallner (Hildegard Knef) mit ihrem Vertrauten Mondschein (Robert Forsch). Fotograf: Eugen Klagemann

Filmstill zu "Die Mörder sind unter uns"

Eine Liebesbeziehung? Susanne (Hildegard Knef) mit Dr. Mertens (Ernst Wilhelm Borchert). Fotograf: Eugen Klagemann

Echo: Aus heutiger Perspektive

Neuere Besprechungen und wissenschaftliche Arbeiten zu DIE MÖRDER SIND UNTER UNS greifen verschiedene Aspekte auf, die der Film nicht offen thematisiert. „Da ist zum einen der merkwürdige Umstand, dass Susanne Wallner aus einem Konzentrationslager heimkehrt – mit einem Koffer, gepflegt, geschminkt, die blonden Locken gebürstet.“ hebt Lisa Schoß in ihrem Buch  Von verschiedenen Standpunkten (S. 69) hervor. Über die Erlebnisse und Gründe der Deportation von Susanne Wallner erfährt das Publikum nichts. Scheinbar gänzlich ohne traumatische Erfahrungen stürzt sich Susanne nach ihrer Rückkehr in die (Haus-)arbeit und kümmert sich aufopferungsvoll und selbstlos um Mertens. Die Millionen von Opfer in den Konzentrationslagern finden lediglich mittels einer kurz eingeblendeten Zeitungsschlagzeile Erwähnung. Eine Hervorhebung einer bestimmten Opfergruppe – bspw. der jüdischen oder der sowjetischen Bevölkerung – sucht man vergebens. Gleichzeitig signalisiere: „[…] die Symbolik in DIE MÖRDER SIND UNTER UNS von der ersten bis zur letzten Einstellung den christlich-deutschen Kontext. Wenn Hans Mertens, der Kriegsheimkehrer, […] Anklage ‚im Auftrag von Millionen unschuldig hingemordeter Menschen‘ erhebt, dann fährt die Kamera über ein Meer an Kreuzen von Soldatengräbern. Die jüdischen Opfer und Überlebenden waren nicht Teil der dargestellten Nachkriegsgesellschaft.“ (vgl. Schoß, S. 70). Bei aller Kritik wird der Film jedoch auch heute noch als „einzigartiges Dokument und Zeit-Bild“ (vgl. Zander, Berliner Morgenpost, 21.7.2023) gewürdigt, das in kürzester Zeit nach dem Krieg entstand und sich mit der Frage der Schuld der Deutschen auseinandersetzt.

Verfasst von Philip Zengel. (März 2025)

menu arrow-external arrow-internal camera tv print arrow-down arrow-left arrow-right arrow-top arrow-link sound display date facebook facebook-full range framing download filmrole cleaning Person retouching scan search audio cancel youtube instagram