Filmstill zu "Fernes Land Pa-isch"

Fernes Land Pa-isch

Rainer Simons FERNES LAND PA-ISCH (1993/94) ist neben drei weiteren Produktionen des Regisseurs erstmals in digital restaurierter Fassung auf DVD erschienen. Die Co-Produktion zwischen der Studio Babelsberg GmbH und der Von Vietinghoff Filmproduktion GmbH ist zugleich Coming-of-Age-Geschichte, Roadmovie und Sozialstudie vor dem Hintergrund der Wende.

Kurzinhalt

Filmstill zu "Fernes Land Pa-isch"

FERNES LAND PA-ISCH

(R: Rainer Simon, 1993 - 1994) Fotograf: Sebastian Richter

Der 16-jährige Umberto (gespielt von Jens Schumann) verlässt mit seiner alkoholkranken Mutter ( Renate Krößner) und der fünfjährigen Halbschwester Bianca (Macca Malik) die sächsische Heimat und zieht nach Hamburg. In der neuen Umgebung findet er sich nur schwer zurecht. Zuneigung und Geborgenheit bleiben ihm verwehrt. Seine Mutter schlägt sich als Prostituierte durch. Ebenso seine neue Liebe, die Nachbarstochter Tschibo (Yvette Dankou). Auf der Suche nach einem besseren Leben beschließt er mit seiner Halbschwester nach Afrika, in die Heimat von Biancas Vater, zu flüchten...
 Hier finden Sie die kompletten Filmdaten.

Produktionsgeschichte

Die Idee zum Film kam  Rainer Simon, als er im Frühjahr 1989 Günter Saalmanns ebenso umstrittenes wie hochgelobtes Jugendbuch „Umberto“ liest. Aufgrund des Mauerfalls hielt Simon eine Verfilmung der in der DDR spielenden Handlung für überholt und nicht realisierbar. Er entschied sich für eine – wie er selbst sagt – „freie Fortsetzung des Buches“, die nach dem Mauerfall spielt.

Filmstill zu "Fernes Land Pa-isch"

Jens Schumann, Macca Malik und Yvette Dankou Fotograf: Sebastian Richter

Filmstill zu "Fernes Land Pa-isch"

Katja Scorl, Macca Malik und Jens Schumann Fotograf: Sebastian Richter

Finanzierungsprobleme

Rainer Simon

während der Dreharbeiten Fotograf: Wolfgang Ebert

Rainer Simon kämpfte im Zuge der Realisierung des Films mit Finanzierungsproblemen. Nachdem sich zunächst das ZDF an der Produktion beteiligen wollte, sammelte der Regisseur zwei Millionen D-Mark an Fördergeldern. Die Handlung wurde so angelegt, dass Umbertos Reise in Frankreich endet. Nach Fertigstellung des Drehbuchs zog sich das ZDF aus unbekannten Gründen aus der Produktion zurück und es entstand eine Finanzierungslücke. Das Drehbuch musste mehrfach überarbeitet und an die finanziellen Mittel angepasst werden – Umbertos Reise endet letztlich nicht mehr in Frankreich, sondern in Berlin.

Erst eine hohe Eigenbeteiligung von Studio Babelsberg, die – laut Simons Autobiografie – aus dem Preisgeld für die Auszeichnung von  Roland Gräfs DER TANGOSPIELER beim Deutschen Filmpreis finanziert wurde, machte die Realisierung des Films möglich.

FERNES LAND PA-ISCH wurde 1994 nach wenigen Aufführungen (u. a. auf dem Filmfest Emden und im Filmmuseum Potsdam) von Studio Babelsberg an einen Hamburger Filmverleih verkauft. Der Film lief in der Folge weder im Kino noch im Fernsehen. Nachdem FERNES LAND PA-ISCH jahrelang nicht gezeigt werden konnte, erwarb der Progress Filmverleih auf Bitten Rainer Simons im Jahr 2000 die Rechte. Es folgt ein kleiner Kinoeinsatz und im Oktober 2000 die Erstausstrahlung im Spätprogramm des Fernsehsenders VOX.

Ausschnitt aus FERNES LAND PA-ISCH (R: RAINER SIMON; 1993/94)

Auf der Suche nach Umberto

Filmstill zu "Fernes Land Pa-isch"

Jens Schumann

Fotograf: Sebastian Richter

Rainer Simon plante für die Rolle des Umberto einen möglichst authentischen jungen Darsteller zu besetzen, der in seinem Leben ähnliche Erfahrungen wie die Filmfigur machen musste. Seinen Hauptdarsteller suchte Simon daher nicht bei einer Schauspiel-Agentur, sondern in sächsischen Jugendheimen. In Crimmitschau lernte er Jens Schumann kennen, der seit seinem achten Lebensjahr in verschiedenen Institutionen lebte. In seiner Autobiografie erinnert sich Simon: „Er war durch nichts zu erschüttern, nur, dass er zum ersten Mal erlebte, dass eine ganze Gruppe von Menschen ihn mochte und seine Arbeit anerkannte. Das war nach all den schlimmen Erfahrungen schwer für ihn zu glauben.“

Prominente Gäste: Von Domenica bis Ulf Kirsten

Neben bereits aus DEFA-Zeiten bekannten Gesichtern wie  Renate Krößner, Marie Gruber, Thomas Putensen und Fred Delmare wartet FERNES LAND PA-ISCH mit prominenten Gastdarstellern auf. So ist die aus zahlreichen TV-Talkshows bekannte Hamburger Prostituierte Domenica Niehoff (1945–2009) in der Rolle der Nachbarin zu sehen. Der frühere DDR-Fußballnationalspieler Ulf Kirsten spielte sich selbst: Mit seinen Teamkollegen von Bayer 04 Leverkusen ist er auf dem Weg zum DFB-Pokalfinale ins Berliner Olympiastadion. Nana Abrokwa, in der Rolle des Le Pain, machte sich ab Mitte der 1990er-Jahre als Rap-Musiker einen Namen. Yvette Dankou erlangte als gefragte Moderatorin für verschiedene TV-Formate weitere Bekanntheit.

Rainer Simons DEFA-Filme

Dreharbeiten zu "Die Besteigung des Chimborazo"

Rainer Simon

während der Dreharbeiten zu DIE BESTEIGUNG DES CHIMBORAZO (1989) Fotograf: Wolfgang Ebert, Dietram Kleist

1964 schloß Rainer Simon (*1941) sein Regie-Studium in Potsdam-Babelsberg ab. Im DEFA-Studio für Spielfilme assistierte er  Ralf Kirsten und  Konrad Wolf. Die Märchenverfilmung WIE HEIRATET MAN EINEN KÖNIG wurde 1969 sein erstes eigenes Spielfilmprojekt. 1970 realisierte er den dritten Teil des Episodenfilms AUS UNSERER ZEIT. Es folgten der Jugendfilm MÄNNER OHNE BART (1971) und mit SECHSE KOMMEN DURCH DIE WELT (1972) eine weitere Märchenverfilmung. Sein 1980/81 produzierter Gegenwartsfilm JADUP UND BOEL wurde nach der Fertigstellung verboten und erst 1988 zugelassen. Simon verfilmte in der Folge vielfach historische Stoffe. Darunter DAS LUFTSCHIFF (1982), WENGLER & SÖHNE – EINE LEGENDE (1986), DIE BESTEIGUNG DES CHIMBORAZO (1989) oder DER FALL Ö. (1990). Die Literaturverfilmung DIE FRAU UND DER FREMDE (1984) gewann 1985 den Goldenen Bären der 35. Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Drehorte

Die Anfangsaufnahmen entstanden in der nordöstlich von Chemnitz gelegenen Stadt Hainichen, der Heimat Rainer Simons. Weitere Drehorte waren Hamburg und Berlin.

Verfasst von Philip Zengel (Oktober 2019).

DVD-Tipp

Die DVD enthält als Bonusfilm Rainer Simons MÄNNER OHNE BART (1971). Eine weitere Edition beinhaltet Simons Historienfilme DIE FRAU UND DER FREMDE (1984) – Gewinner des Goldenen Bären auf der Berlinale 1985 – und DER FALL Ö. (1990).

zur DVD
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