I'm a Negro. I'm an American - Paul Robeson
Dem Dokumentaristen Kurt Tetzlaff gelang Ende der 1980er-Jahre ein eindringlicher und authentischer Dokumentarfilm über den US-amerikanischen Künstler und Bürgerrechtler Paul Robeson. Nach einer digitalen Restaurierung ist die Produktion am Sonntag, den 25. September, 16:00 Uhr, auf dem Filmerbe-Festival „Film Restored“ im Berliner Kino Arsenal zu sehen.
Kurzinhalt
Der Film porträtiert den weltbekannten Sänger und Bürgerrechtler Paul Robeson (1898–1976), der 1949 auf dem Höhepunkt seiner Gesangskarriere begann, sich primär als Bürgerrechtler in den USA zu engagieren und in der Folge jahrelange Diskriminierung und Isoliertheit im eigenen Land erdulden musste. Zur Realisierung des Projekts trug das Produktionsteam in mühevoller Kleinstarbeit rare Archivaufnahmen zusammen. Im Film kommen neben Robesons Sohn, Paul jr., auch Freunde und Weggefährten wie Earl Robinson, Pete Seeger und Harry Belafonte zu Wort.
Paul Robeson: Ein Ausnahmetalent und politischer Künstler
Paul Robeson war vielseitig talentiert. Zu Schul- und Studienzeiten machte er als begabter Sportler auf sich aufmerksam. Aufgrund seiner Hautfarbe sah sich Robeson immer wieder rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. Nach dem Abschluss des Jurastudiums und gescheiterten Versuchen als Anwalt zu arbeiten, begann er in den 1920er-Jahren eine Laufbahn am Theater. Der „Othello“ wurde zu seiner bedeutsamsten Rolle am Broadway. Ab 1925 wirkte er zunehmend in Filmproduktionen mit. Im Zuge seiner schauspielerischen Tätigkeiten wurde Robesons herausragende Bass-Gesangsstimme entdeckt. Mit „Ol’ Man River“ aus dem Musical „Show Boat“ wurde er einem breiten Publikum bekannt. 1939 sang er die von Earl Robinson komponierte „Ballad for Americans“. Robeson wurde zum Botschafter für Toleranz und Vielfalt und ein gefeierter Star.
Der Künstler begann in den 1930er-Jahren mit kommunistischen Werten zu sympathisieren und näherte sich der sowjetischen Kultur an. Zunehmend äußerte er sich politisch, trat aber nie in eine kommunistische Partei ein. Robeson setzte sich für die Rechte der Schwarzen Bevölkerung und gegen Diskriminierung ein. Mit Beginn der McCarthy-Ära wurden ihm seine politischen Überzeugungen zum Verhängnis. 1949 reiste er anlässlich des 150. Geburtstags des russischen Dichters Alexander Puschkin in die Sowjetunion. Im Folgejahr wurde ihm im Vorfeld einer geplanten Europatournee der Reisepass entzogen. Die politisch gewollten künstlerischen Einschränkungen und Anfeindungen gegen Robeson nahmen in den 1950er-Jahren zu. Erst 1958 erhielt er seinen Pass zurück, gab wieder Konzerte und reiste nach Europa. Seine körperlichen und künstlerischen Kräfte begannen jedoch zu schwinden. „Er ist nicht glücklich gestorben. Amerika hat ihn verraten. Ich glaube, in gewisser Weise haben wir ihn alle verraten“ stellte sein Freund Harry Belafonte rückblickend fest. Robeson verstarb 1976.
Produktionsnotizen
Das Filmprojekt entstand anlässlich des 90. Geburtstags von Paul Robeson. Als besonders aufwendig erwies sich die Finanzierung und Beschaffung des Archivmaterials. „Filmmaterial über Robeson ist sehr teuer. (...) Manches war nur im Austausch zu erhalten, das brauchte Zeit.“ berichtete Regisseur Kurt Tetzlaff 1990 in einem Gespräch mit der Journalistin Gisela Harkenthal.
Als wichtige Partner des Projekts erwiesen sich die Akademie der Künste in Ost-Berlin, der britische Dokumentarfilmer Stanley Forman (1921–2013) aus London sowie insbesondere die westdeutschen Filmemacher Bengt und Irmgard von zur Mühlen und ihre Chronos Berlin GmbH, die als Co-Produzent auftrat. Die Chronos-Sammlung umfasst zahllose historische Filmaufnahmen aus mehr als drei Jahrzehnten.
Premiere feierte I’M A NEGRO. I’M AN AMERICAN – PAUL ROBESON am 16. Februar 1990 im Rahmen des „Festivals des politischen Liedes“ im Berliner Kino International. In der Transformationszeit nach dem Mauerfall stieß der Film über das Leben Paul Robesons jedoch nur auf wenig Interesse bei Kinobetreibern und Publikum.
Regie: Kurt Tetzlaff
Kurt Tetzlaff (1933–2022) zählt zu den herausragenden Dokumentaristen der DEFA. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1981, der im Sammelband „Dokumentaristen der Welt“ beim Henschel-Verlag erschien, äußert sich Tetzlaff über sein Dokumentarfilmverständnis: „Was mich fasziniert an guten Dokumentarfilmen, ist das wahrheitsgetreue Abbild von Menschen und ihrer Zeit. Und da ist auch immer die Sicht des Machers auf den Gegenstand erkennbar und zuweilen die leidenschaftliche Anteilnahme, die sich nie penetrant in den Vordergrund drängt, die einfach spürbar ist.“ (S. 485) Weiter heißt es: „Dokumentarfilm ist stärker als jede andere Kunstart mit dem Leben verbunden. Und ihr schadet wie keiner anderen Kunstart alles Illustrative, Statische und Plakative. Dokumentarfilm ist Leben, und er hat wie keine andere Kunstart mit der Wirklichkeit verbunden zu sein, und die wunderschöne Möglichkeit, mehr als die Wirklichkeit zu liefern.“ (S. 486)
In seiner von 1963 bis 1992 währenden Schaffenszeit am DEFA-Dokumentarfilmstudio schuf der in Potsdam-Babelsberg ausgebildete Tetzlaff ein überaus facettenreiches Œuvre. Vielfach widmete er sich Geschichten und Perspektiven junger Menschen in der DDR. Auch Schicksale infolge des Braunkohletagebaus oder des Baus der Erdgastrasse „Druschba“ in der Ukraine bewegten ihn. Mehrfach porträtierte Tetzlaff bekannte Persönlichkeiten von Bertolt Brecht über Erwin Geschonneck und Ernst Thälmann bis zu Paul Robeson.
Erfahrungen mit der DDR-Filmzensur blieben Tetzlaff, der mit seinen Stoffen immer nah an der Realität und am Leben der Menschen sein wollte, nicht erspart. Sein Film ES GENÜGT NICHT 18 ZU SEIN (1964) durfte erst 1990 gezeigt werden. ERINNERUNG AN EINE LANDSCHAFT – FÜR MANUELA (1983) fand nach langen, zähen Diskussionen den Weg ins Kino. Auf nationalen und internationalen Filmfestivals wurden Tetzlaffs Werke gefeiert und mit zahlreichen Preisen bedacht. Zum Leipziger Dokumentarfilmfestival hegte Tetzlaff die engste Verbindung. Noch im Oktober 2021 würdigte das DOK Leipzig zusammen mit der DEFA-Stiftung den Filmemacher mit einer Matinee, in deren Rahmen mit IM DURCHGANG (1990) und IM ÜBERGANG (1991) zwei Filme aus der Transformationszeit liefen, die Tetzlaff besonders am Herzen lagen.
Aus der Digitalisierungsarbeit: Archivmaterial und Sprache
Die Digitalisierung eines Films, der zum Großteil aus verschiedenen Archivaufnahmen unterschiedlicher Generationen und mit uneinheitlicher Bild- und Tonqualität besteht, bringt Herausforderungen mit sich. Für dieses Projekt wurde entschieden den Charakter der Archivmaterialien mit allen einkopierten Mängeln – Schrammen, Kratzer, Filmschmutz, Filmkorn, instabiler Bildstand – möglichst zu erhalten, damit die Authentizität der Dokumente nicht verloren geht.
Eine weitere Besonderheit lag in der im Film verwendeten Sprache. Bei der Übersetzung von Original-Zitaten aber auch im deutschsprachigen Kommentar nutzt der Film mehrfach Worte, die aufgrund ihres rassistischen Aussagegehalts nicht zum Sprachgebrauch gehören sollten. Um den Film als wichtiges historisches Dokument zu bewahren, wurde im Zuge der digitalen Bearbeitung 2022 entschieden, die Aussagen unverändert im Film zu belassen und lediglich im Zuge einer Tafel zu Beginn des Films auf die sprachlichen Besonderheiten hinzuweisen. Der Filmtitel geht zurück auf ein Zitat Paul Robesons in seinem Buch „Here I Stand“ (1958). Für Bürgerrechtler wie Martin Luther King, Paul Robeson und andere verfügte das Wort „Negro“ zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts über einen fortschrittlichen Stellenwert. Das Zitat kann auch heute noch als deutliches Statement für die Rechte der Schwarzen Bevölkerung in den USA gewertet werden.
Verfasst von Philip Zengel. (September 2022)