Filmstill zu "Kaule"

Kaule

Der DEFA-Kinderfilm KAULE wurde durch die DEFA-Stiftung mit Mitteln aus dem Förderprogramm Filmerbe von Bund, Ländern und Filmförderungsanstalt digital-restauriert und feiert am 1. Mai 2024 beim 33. Filmkunstfest MV in Schwerin in Anwesenheit der damaligen Filmkinder seine Wiederaufführungspremiere. Die Hauptdarsteller konnten zuvor durch eine von der DEFA-Stiftung initiierten „Such-Aktion“ in der Tageszeitung Nordkurier ausfindig gemacht werden.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Kaule"

KAULE

(R: Rainer Bär, 1967) Grafiker: Rudolf Grüttner

In Hinrichsfelde, einem kleinen Dorf in Mecklenburg, lebt der 11-jährige Kaule (gespielt von Hartmut Schwerdtfeger). Er wohnt bei seiner Tante Sophie (Johanna Clas), da seine Mutter sich in der Stadt auf ihr Studium konzentriert. Vorbild und wichtigste Bezugsperson ist für Kaule der alte Vater Pietsch (Kazimierz Opaliński). Was dieser sagt, ist für ihn gesetzt. Als die gleichaltrige Karola (Karin Asmus) mit ihrem Vater, dem Zootechniker Hollnagel (Erik Veldre), ins Dorf zieht, findet Kaule Gefallen an dem Mädchen und versucht ihr zu imponieren. Zwischen dem traditionell denkenden Pietsch und dem in die Zukunft blickenden Vater Hollnagel brechen Konflikte auf, in deren Spannungsfeld auch Kaule gerät...

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

Gedreht wurde KAULE zwischen dem 20. Juli und dem 28. Dezember 1966 überwiegend in Mecklenburg. Prägnante Drehorte waren unter anderem die Ortschaften Warnow, Triepkendorf und Brüel. Die Innenaufnahmen und Synchronarbeiten erfolgten in Potsdam-Babelsberg. Die Produktionskosten überstiegen die Norm deutlich. Mit 1,1 Millionen Mark waren sie mehr als doppelt so hoch als geplant und für DEFA-Kinderfilme dieser Zeit üblich. Premiere feierte der Film am 7. Mai 1967 im Berliner Kino Kosmos.

 

 

 

 

Filmstill zu "Kaule"

Kaule und „sein“ Vater Pietsch (Kazimierz Opaliński) in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Filmstill zu "Kaule"

Der Titelheld versucht Karola (Karin Asmus) mit einem Strauß Blumen zu beeindrucken in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Alfred Wellm – vielfach verfilmt

KAULE geht auf ein 1962 erschienenes Kinderbuch des in Mecklenburg ansässigen Schriftstellers Alfred Wellm (1927–2001) zurück. In der auf dem Land spielenden Geschichte um den jungen Titelhelden Kaule sahen Rezensenten Erwin Strittmatter und Mark Twain als künstlerische Vorbilder des Autors. In der DDR wurde das Buch Pflichtlektüre in der 6. Klasse.

Stoffe von Alfred Wellm erfreuten sich bei der DEFA stetiger Beliebtheit. Nachdem Pläne für eine Verfilmung der Erzählung „Die Kinder von Plieversdorf“ durch den Regisseur Siegfried Hartmann in den frühen 1960er-Jahren aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Umsetzbarkeit verworfen wurden, war KAULE die erste von Wellm verfasste Geschichte für Kinder und Jugendliche, die auf die Kinoleinwand kam. 1979 folgte DAS PFERDEMÄDCHEN (R: Egon Schlegel) mit Wellms Tochter Märtke in der Hauptrolle und 1981 PUGOWITZA (R: Jürgen Brauer) nach einer autobiografisch geprägten Vorlage Wellms. Viele Jahre bemühte sich die Regisseurin Vera Loebner Wellms Roman „Pause für Wanzka oder die Reise nach Descansar“ in der DDR zu verfilmen. Da die Vorlage jedoch deutliche Kritik am DDR-Schulsystem übt, konnte das Vorhaben erst 1990 als Auftragsproduktion der DEFA für den Deutschen Fernsehfunk (DFF) realisiert werden.

Filmstill zu "Kaule"

Hartmut Schwerdtfeger im Bullenstall in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Filmstill zu "Kaule"

Karola hat Heimweh. Lehrer Knittel (Horst Jonischkan) gibt Rat in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Regie: Rainer Bär

Filmstill zu "Kaule"

Rainer Bär

mit Hartmut Schwerdtfeger während der Dreharbeiten zu KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Rainer Bär zählt in der Liste der Regisseure, die DEFA-Filme inszenierten, heute zu den unbekannteren Namen. Geboren 1939 in Radebeul, studierte Bär zunächst zwei Jahre Psychologie und Pädagogik in Altenburg, bevor er 1959 bis 1963 an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg als Regisseur ausgebildet wurde. Anschließend war er für das DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme tätig und arbeitete u.a. mit Hanna Emuth und Kurt Tetzlaff zusammen. Mit KAULE (1967) legte er sein Spielfilm-Debüt vor. Zwei Jahre später folgte mit dem Agentenfilm VERDACHT AUF EINEN TOTEN (1969) – mit Alfred Rücker und Uta Schorn in ihren ersten Filmrollen – eine weitere Kinoproduktion bei der DEFA. Im weiteren Verlauf seiner Karriere drehte Bär insbesondere Kriminalfilme für das Fernsehen. Er starb im Januar 2022 in Fredersdorf-Vogelsdorf in Brandenburg.

Presseecho: Ein Talentbeweis

Die Pressekritiken zu KAULE würdigten insbesondere die Leistung des Nachwuchs-Regisseurs. So meldete Horst Knietzsch im ND vom 28. Mai 1967: „Ein Talent kündigt sich an“. Die Berliner Zeitung schrieb bereits am 18. Mai 1967, dass Bär „auf Anhieb den Nachweis führt, daß er eine Geschichte optisch zu erzählen vermag“. Lob erhielt Bär auch für die Besetzung und Führung der Filmkinder.

Weitere Besprechungen hoben hervor, dass KAULE weit mehr als ein Kinderfilm sei. Es handle sich vielmehr um einen Film „über Kinder für Erwachsene, der sie anregen will, über ihr Verhältnis zu Kindern nachzudenken“ (Neue Zeit, 1. Juni 1967). In diesem Kontext wurde auch die von vielen visuellen Einfällen geprägte Kameraarbeit von Hans-Jürgen Sasse gelobt. Sasse verantwortete nach seinen vorherigen Arbeiten DER FRÜHLING BRAUCHT ZEIT (R: Frank Vogel, 1965) und FRÄULEIN SCHMETTERLING (R: Kurt Barthel, 1966) erstmals einen DEFA-Spielfilm als Kameramann, der nicht verboten oder abgebrochen wurde.

Filmstill zu "Kaule"

Ein nachdenklicher KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Filmstill zu "Kaule"

Harmut Schwerdtfeger mit Erik Veldre in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Früher waren sie Filmkinder

Für die Rolle des Titelhelden wurde der 1954 in Neustrelitz geborene Hartmut Schwerdtfeger ausgewählt, der bis heute – fast 60 Jahre später – auf der Straße mitunter einfach nur als „Kaule“ angesprochen wird. Auch in der Wohnung Schwerdtfegers finden sich noch immer viele Erinnerungsstücke an die Dreharbeiten. Zum Film kehrte Schwerdtfeger jedoch kein zweites Mal zurück. Er absolvierte eine Lehre zum Elektromonteur und arbeitete später als Berufssoldat und Schul-Hausmeister.

Die gebürtige Neubrandenburgerin Karin Geister (* 1955 als Karin Asmus) spielte Kaules Filmfreundin Karola. Auch für sie blieb es bei einem einzigen Film-Engagement. Nach dem Abitur absolvierte sie in Berlin ein Fachhochschulstudium. In dieser Zeit traf sie auch Regisseur Rainer Bär wieder, der sie fast ein weiteres Mal in einem Film der Reihe „Polizeiruf 110“ besetzt hätte, sich letztlich jedoch für eine andere Darstellerin entschied.

Filmstill zu "Kaule"

Karin Geister (geb. Asmus) und Hartmut Schwerdtfeger in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Filmstill zu "Kaule"

Auch mit von der Partie: Die Filmkinder Ulf-Peter Tannert und Reinhard Jacht in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

DEFA-Kinderfilme aus den Nordbezirken

Filmstill zu "Kaule"

Prägnanter Drehort

in KAULE (R: Rainer Bär, 1967) war die verfallene Mühle bei Brüel. Fotografen: Rudolf Meister, Jörg Erkens, Jochen Zillmer

Der Norden der DDR erfreute sich über alle DEFA-Jahrzehnte hinweg einer großen Beliebtheit bei den Filmschaffenden, um dort Filme für Kinder und Jugendliche zu inszenieren. Insbesondere in den 1960er-Jahren entstand eine Reihe von Filmen, die auch heute noch regelmäßig gezeigt werden und im kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung fest verankert sind. Dazu zählen u.a. LÜTT MATTEN UND DIE WEISSE MUSCHEL (R: Herrmann Zschoche, 1963) und DIE REISE NACH SUNDEVIT (R: Heiner Carow, 1966). 1963 wurde ebenfalls mit Kindern aus der Region Neubrandenburg/Neustrelitz, die mitunter auf die gleichen Schulen, wie die jungen Darsteller aus KAULE gingen, der Film PIRATEN AUF DER PFERDEINSEL (R: Michael Englberger) nach einer Vorlage der Schriftstellerin Lilo Hardel in der Feldberger Seenlandschaft inszeniert. Eine gewisse thematische Ähnlichkeit zu KAULE weist die bereits 1956 von Herbert Ballmann gedrehte Verfilmung von Erwin Strittmatters TINKO auf, die ebenfalls zum Teil in Mecklenburg entstand.

Verfasst von Philip Zengel. (April 2024)

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