Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

Moritz in der Litfaßsäule

Am 27. September wird die Autorin Christa Kożik von der DEFA-Stiftung für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Zu ihren bekanntesten Geschichten gehört MORITZ IN DER LITFASSSÄULE (1983). Sowohl das Buch als auch der Film erfreuen seit Jahrzehnten Jung und Alt. Beim Sender DEFA TV werden aktuell sechs Filme von Christa Kożik gezeigt – darunter MORITZ IN DER LITFASSSÄULE.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Moritz in der Litfaßsäule"

MORITZ IN DER LITFASSSÄULE

(R: Rolf Losansky, 1983) Grafiker: Heinz Ebel

Wenn der 9-jährige Moritz (gespielt von Dirk Müller) ein Bild malt, hat die Sohne Ohren und die Vögel tragen Hüte. Der Junge hat eine blühende Fantasie, die von den Erwachsenen jedoch kaum gewürdigt wird. In der Schule fällt es ihm schwer, Aufgaben in der vorgegebenen Zeit zu lösen und seine Noten sind schlecht. Moritz‘ Eltern (Dieter Mann und Walfriede Schmitt) sind mehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt und haben keine Zeit für die Sorgen ihres Kindes. Moritz beschließt von zu Hause abzuhauen. In einer Litfaßsäule findet er bei der sprechenden Katze Kicki Unterschlupf und einen Ort zum Nachdenken. Ein Straßenfeger (Rolf Ludwig) wird ihm wichtiger Ratgeber.

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen – gedreht in Thüringen

MORITZ IN DER LITFASSSÄULE entstand zwischen dem 15. September und 24. November 1982. Die Außenaufnahmen drehte das Filmteam überwiegend in Pößneck in Thüringen. Die Litfaßsäule wurde für die Arbeiten auf dem historischen Marktplatz der Stadt errichtet. Zu sehen sind zudem das Rathaus, die Kirche und der im Renaissance-Stil erbaute Marktbrunnen. Weitere Szenen wurden in Elbe (Elster) realisiert. Die Innenaufnahmen entstanden auf dem DEFA-Studiogelände in Potsdam-Babelsberg. Premiere feierte der Film am 27. November 1983 im Berliner Kino „Colosseum“.

 

 

 

 

Original-Kinotrailer zu MORITZ IN DER LITFASSSÄULE (R: Rolf Losansky, 1983).

Christa Kożik – Verfechterin des Real-Fantastischen

Christa Kożik mit Dirk Müller

im Umfeld der Dreharbeiten zu MORITZ IN DER LITFASSSÄULE (R: Rolf Losansky, 1983) Fotograf: Klaus Zähler

Die Kindheit von Christa Kożik (geb. Schmidt, * 1941) war geprägt von den Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Bei der Flucht aus ihrer Heimat Schlesien nach Thüringen musste sie als 4-jährige Dinge erleben, die sich bis heute in ihren Kopf eingebrannt haben: „Die Züge wurden bombardiert, wir waren kurz vor Frankfurt an der Oder, der Zug brannte, wir liefen raus, überall Schreie. Die Bomber zogen weiter ihre Kreise über uns und warfen die Bomben (...) meine Mutter war durch den Tod meines Vaters kurz vorher tief verstört. Sie hat sich über uns geworfen, wenn die Bomber kamen.“ (Christa Kożik in „Im Gespräch. Knut Elstermann befragt ostdeutsche Filmstars“, S. 183) Zuflucht fand die introvertierte Christa nach dem Krieg in den Büchern der Schulbibliothek, die ihre Begeisterung für Literatur weckten. Die Bücher waren ihre „Rettungsboote“, wie sie heute sagt. Basierend auf ihren Erfahrungen ist Christa Kożik bis heute überzeugte Pazifistin. Krieg, Gewalt und Waffen lehnt sie ab. Es sind Themen, die sich in ihren Geschichten nicht wiederfinden. Trotzdem schont sie ihre jungen Leserinnen und Leser nicht, kreiert Stoffe, die dicht an der Realität junger Menschen sowie ihren Problemen sind und verknüpft diese mit fantasievollen Elementen. „Real-fantastisch“ nennt sie diese Erzählweise, der sie bereits ihre Abschlussarbeit an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg widmete.

Die Welt mit drei Augen sehen

Christa Kożik betont stets, dass ihre Geschichten für alle sind, die noch mit drei Augen sehen können. In MORITZ IN DER LITFASSSÄULE wird das sogenannte ‚dritte Auge‘ vom Straßenfeger im Gespräch mit Moritz erklärt: „Das dritte Auge gibt den Menschen den bunten Blick. Aber, wenn sie erwachsen werden, verlieren sie es.“ – „Alle?“ fragt Moritz. „Fast alle.“ antwortet der Straßenfeger. Ganz bewusst lässt Kożik die Worte von einem Straßenfeger aus einfachen Verhältnissen sprechen. Bei ihm findet Moritz Verständnis und Trost. Der Straßenfeger setzt damit einen Gegenpol zu Moritz‘ Vater, einem Sparkassendirektor, der nur selten für seinen Sohn da ist. Oft gibt Christa Kożik in ihren Geschichten Außenseitern eine Stimme. Wie sie selbst in jungen Jahren sind ihre Protagonisten meist introvertiert und suchen Schutzräume, um sich selbst zu finden – so auch Moritz in seiner Litfaßsäule.

Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

Familie Zack ist über das Verschwinden von Moritz entsetzt. Fotograf: Klaus Zähler

Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

Ein Straßenfeger (Rolf Ludwig) wird Moritz' Vertrauter. Fotograf: Klaus Zähler

Rolf Losansky: Film für Kinder aus Leidenschaft

Rolf Losansky (1931–2016) zählt zu den bedeutendsten Regisseuren der DEFA, die mit beachtlicher Konsequenz Filme für ein junges Publikum schufen. „Vielleicht habe ich zu viel Kindheit in der Tasche“ antwortete der Regisseur in einem Zeitzeugengespräch auf die Frage, warum er immer wieder auf Stoffe für Kinder setze. Der Filmemacher, der gern mit Kindern zusammenarbeitete, wollte zeitlose Geschichten erzählen, ohne einen belehrenden Ton anzuschlagen. Sein selbst ernanntes Ziel war es, dass seine jungen Zuseherinnen und Zuseher anhand seiner Filme den Mut entwickeln, eigene Träume wahr werden zu lassen.

Verwandte im Geiste: Christa Kożik und Rolf Losansky

Christa Kożik und Rolf Losansky

während der Preisverleihung der DEFA-Stiftung 2011. Fotografen: Reinhardt&Sommer

Eine seiner engsten Verbündeten fand Rolf Losansky in Christa Kożik. Das Duo lernte sich Mitte der 1970er-Jahre während einer Reise zu einem tschechischen Filmfestival kennen. Dort erzählte Kożik, dass sie an einem Stoff für einen 15-minütigen Dokumentarfilm schrieb, in dem ein Schneemann nach Afrika transportiert wird. Losansky sah darin einen Spielfilm und rief noch aus Tschechien den DEFA-Chefdramaturgen Günter Schröder an, der schnell Zustimmung signalisierte. Eine der erfolgreichsten Arbeitsgemeinschaften für den deutschen Kinderfilm war geboren. In einem Interview für den Band „Erzählen für den Film“ in der Schriftenreihe der DEFA-Stiftung würdigte Kożik ihren wichtigsten Weggefährten und Freund mit den Worten: „Ich habe Rolf sehr viel zu verdanken, habe von ihm viel gelernt, was Filmhandwerk, was Umsetzung vom Literarischen ins Filmische anbelangt, da war er mir Lehrmeister, beim MORITZ, beim SCHNEEMANN. Und auch beim VERZAUBERTEN EINBRECHER, unserem letzten gemeinsamen Film. Wir haben uns kreativ aneinander entzündet, auch beim Durchspielen schwieriger Szenen.“ (S. 131f). Zusammen prägten sie das Genre des realistischen Märchens, wie der Filmkritiker Knut Elstermann einmal bemerkte. Harsche Kritik, die fantastischen Elemente der Filme seien eine Form der Realitätsflucht, ließ Rolf Losansky oft abprallen und konterte mit den Worten: „Das ist ein altes Argument der Fantasielosen.“

Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

Dreharbeiten in der Litfaßsäule auf dem Babelsberger Studiogelände. Fotograf: Klaus Zähler

Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

Rolf Losansky mit Walfriede Schmitt und einem weiteren Filmkind während der Dreharbeiten. Fotograf: Klaus Zähler

Wechsel in der Regie

Ursprünglich war Rolf Losansky nicht mit der Regie für MORITZ IN DER LITFASSSÄULE betraut. Sein Kollege Jörg Foth hatte bereits eine Konzeption für die Verfilmung erarbeitet, die vorsah, dass sämtliche Rollen – auch die Erwachsenen – von Kindern gespielt werden. Christa Kożik berichtete in einem im Auftrag der DEFA-Stiftung entstandenen Zeitzeugengespräch mit F.-B. Habel, dass sie diese Idee für ihre Geschichte nicht akzeptieren konnte. Der für die Filmhandlung wichtige Widerspruch zwischen der Welt der Erwachsenen und der Welt der Kinder wäre in ihren Augen in dieser Form nicht darstellbar gewesen. Da keine Einigung über das Konzept erzielt werden konnte, kam es zur erneuten Zusammenarbeit zwischen Rolf Losansky und ihr.

Eine Hauptrolle, die nicht im Vorspann genannt wird

Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

Die Katze

heimlicher Star in MORITZ IN DER LITFASSSÄULE (R: Rolf Losansky, 1983) Fotograf: Klaus Zähler

Getragen wird der Film neben dem Filmkind Dirk Müller von der in der Litfaßsäule wohnenden Katze Kicki. Bei den Vorbereitungen für das Projekt stand zur Debatte, ob für die Darstellung eine reale oder eine animierte Katze genutzt wird. Befragt nach den Gründen für die Entscheidung mit einer animierten Katze zu arbeiten, antwortete Trickgestalter Erich Günther: „Mit einer realen Katze wäre es niemals so gut gegangen. Die Sprache hätte dann aufgesetzt und vordergründig gewirkt (...) eine gewisse Abstraktion erwies sich einfach als notwendig.“ (Progress-Presseheft 12/1983, Gespräch mit Marlis Linke, S. 36). Zum Leben erweckt wurde die Katze mittels eines Einzelbildtricks. „Die Figur ist mit Gelenken und einer Mechanik ausgerüstet, so dass man im Einzelbild mit ihr arbeiten kann. Die Bewegung wird dann aus einzelnen Phasen zusammengebaut, also umgekehrt, als es sonst die Filmkamera macht, die unsere normalen Bewegungen in einzelne Phasen zerhackt“, informierte der ebenfalls an der Animation beteiligte Heiko Ebert im Progress-Presseheft (ebd.).

Eine besondere Herausforderung war es, die Katze synchron zu ihren Bewegungen reden zu lassen. Dafür sprach Regisseur Losansky die Texte zunächst auf Band ein. Basierend auf Modulation, Tempo und Pausen notierte Heiko Ebert im Drehbuch einzelne Bewegungsphasen, die als Grundlage für den Dreh dienten. Besonders schwierig sei es gewesen, wenn Moritz und die Katze gemeinsam im Bild waren und miteinander interagierten, so Erich Günther rückblickend (vgl. ebd.). Um die Katze bestmöglich zu inszenieren, mussten sich andere Gewerke der Figur unterordnen. Damit die Größenverhältnisse stimmten, verkleinerte etwa Szenenbildner Jochen Keller seine Dekorationen um ein Drittel.

Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

„Die Blaschke“ (Franziska Troegner), wie Moritz seine Lehrerin gerne nennt, hat keinen leichten Stand. Fotograf: Klaus Zähler

Filmstill zu "Moritz in der Litfaßsäule"

Die Schule macht Moritz keinen Spaß. Seine Fantasie darf er hier nicht ausleben. Fotograf: Klaus Zähler

Echo: Bis heute ein Publikumsrenner

MORITZ IN DER LITFASSSÄULE zählt zu den erfolgreichsten Kinderfilmen der DEFA. Noch heute wird der Film wiederkehrend im Kino, im Fernsehen und über Streaming-Dienste im Internet gezeigt. Bereits die zeitgenössischen Rezensionen fielen positiv aus. Helmut Ulrich, sah in dem Film ein „Plädoyer für kindliche Phantasie“ (Neue Zeit, 6. Dezember 1983, S. 4) und empfahl den Besuch auch Erwachsenen. 1984 wurde MORITZ IN DER LITFASSSÄULE mit dem Preis der Film- und Fernsehkritik der DDR als bester Kinderfilm prämiert. Weitere Auszeichnungen, u.a. beim Kinderfilmfestival „Goldener Spatz“, folgten.

Verfasst von Philip Zengel. (September 2024)

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