Signale - Ein Weltraumabenteuer
Mit großem technischen und finanziellen Aufwand hat die DEFA-Stiftung zusammen mit dem Unternehmen PHAROS den auf 70mm-Filmaterial gedrehten Science-Fiction-Film SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER digitalisiert. Auf dem Filmkunstfest MV in Schwerin wird die restaurierte Fassung am Freitag (5. Mai) und am Samstag (6. Mai) erstmals auf großer Leinwand zu erleben sein. Die Aufführung am Samstag findet in Anwesenheit von Stefan Kolditz, Drehbuchautor und Sohn des Regisseurs statt.
Kurzinhalt
Mitte des 21. Jahrhunderts. Im Umfeld des Planeten Jupiter empfängt das mit Forschern besetzte Raumschiff „Ikaros“ Signale von vernunftbegabten Wesen einer fremden Zivilisation. Zeitgleich wird das Raumschiff von einem Meteoritenschauer getroffen und verliert den Funkkontakt zur Erde. Die Besatzung ist im Weltraum verschollen. Auf der Erde errechnet ein Computer der Raumsicherheitszentrale, dass eine Rettung ausgeschlossen ist. Der Kapitän des Raumschiffes „Laika“, Veikko (gespielt von Piotr Pawłowski), will das nicht akzeptieren und macht sich mit seiner Besatzung unter dem Vorwand, Wartungsarbeiten an unbesetzten Raumstationen durchzuführen auf den Weg ins All, um die „Ikaros“ zu finden...
Produktionsnotizen
SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER wurde unter dem Arbeitstitel „Alarm im Weltraum“ frei nach Motiven des Romans „Asteroidenjäger“ des Science-Fiction-Autors Carlos Rasch (1932–2021) als Co-Produktion der DEFA mit Polen gedreht. Das Drehbuch entstand in Zusammenarbeit zwischen Regisseur Gottfried Kolditz (1922–1982) und dem Autor Claus Ulrich Wiesner (1933–2016). Zur Vorbereitung sichteten die Filmschaffenden u.a. die US-amerikanischen Science-Fiction-Produktionen BARBARELLA (R: Roger Vadim, 1968) und 2001: A SPACE ODYSSEY (R: Stanley Kubrick, 1968). Die Dreharbeiten folgten zwischen dem 11. August 1969 und dem 8. April 1970. Premiere feierte der Film am 17. Dezember 1970 im Berliner Kino „Kosmos“.
Science-Fiction bei der DEFA
Science-Fiction-Filme hießen in der DDR „utopische Filme“ und fanden sich nur selten in den Produktionsplänen der DEFA. Gründe liegen sowohl bei den hohen Produktionskosten für die technisch anspruchsvollen Filme als auch bei der niedrigen Wertschätzung des Genrefilms bei den Filmschaffenden sowie künstlerischen und politischen Entscheidungsträgern. Nicht zuletzt sahen sich die Filme einer hohen internationalen Konkurrenz ausgesetzt.
Den ersten „utopischen Film“ drehte mit Kurt Maetzig einer der Gründerväter der DEFA. DER SCHWEIGENDE STERN entstand 1959/60 nach dem Roman „Die Astronauten“ von Stanislaw Lem. Die 1961 gedrehte Komödie DER MANN MIT DEM OBJEKTIV (R: Frank Vogel) wird aufgrund fehlender atemberaubender Bilder aus dem All nur manchmal zu den Science-Fiction-Filmen der DEFA gezählt. Die Geschichte um einen Mann, der aus dem Jahr 2222 kommend mit einer Zeitmaschine in der DDR 1960 landet, kann aber zweifelsohne als fantastisch gewertet werden. Die beiden folgenden Produktionen SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER (R: Gottfried Kolditz, 1970) und EOLOMEA (R: Herrmann Zschoche, 1972) wurden mit der DEFA eigenen 70mm-Technik umgesetzt. Kolditz realisierte mit IM STAUB DER STERNE (1976) noch einen weiteren Science-Fiction-Film und tat sich in der von Joachim Hellwig gegründeten Arbeitsgruppe „futurum“ am Dokumentarfilmstudio als Autor futuristischer Stoffe hervor. Auch Kolditz’ letztes vollendetes Spielfilmprojekt DAS DING IM SCHLOSS (1978), über Rentner, die einen Professor in ein Veteranenheim entführen, um dort eine Verjüngungsmaschine ans Laufen zu kriegen, weist fantastische Elemente auf. Einen Abschluss unter das Science-Fiction-Genre bei der DEFA setzte Regisseur Horst Seemann mit seinem von der Filmkritik verrissenen und vom Publikum gemiedenen BESUCH BEI VAN GOGH (1985).
Meister des Genrekinos – Regie: Gottfried Kolditz
Unter den Regisseuren des DEFA-Studios für Spielfilme widmete sich Gottfried Kolditz am konsequentesten dem Genrefilm. Gegenwartsfilme mied der Regisseur weitestgehend. Lange Debatten und das Ringen um Stoffe waren nicht sein Metier. Kolditz’ Œuvre umfasst eine Fülle an Märchen-, Operetten-, Revue-, Western- und Science-Fiction-Filmen. Ihm gelangen viele große Publikumserfolge, die die Zuschauermillion in den Kinos mühelos überschritten. Die Filme führten ihn u.a. in die Hohe Tatra, nach Georgien und bis in die Mongolei. Am Studio galt Kolditz, der zu den wenigen DEFA-Regisseuren ohne Parteibuch zählte, als Arbeitstier, der seine Werke stets termintreu und ohne Budgetüberschreitungen ablieferte. Kollegen beschrieben ihn während der Dreharbeiten als stets freundlich aber distanziert. Mit der vollständigen Zuwendung zum Unterhaltungskino blieben Gottfried Kolditz große Auszeichnungen zu Lebzeiten weitgehend verwehrt. Was bleibt von dem Regisseur, der 1982 unerwartet bei Drehvorbereitungen verstarb und dessen Geburtstag sich im Dezember 1922 zum 100. Mal jährte? „Die Liebe eines Publikums, das seinen Filmen über Jahrzehnte treu ist und sie bis heute gern sieht“ stellt Ralf Schenk zum Abschluss seines Essays über den Regisseur im Buch „Publikumspiraten – Das Genrekino der DEFA und seine Regisseure“ fest.
Zusammenarbeit mit Polen
Aufgrund der hohen Produktionskosten bemühte sich die DEFA für SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER frühzeitig um einen Mitproduzenten und suchte den Kontakt nach Polen. Co-Produktionen der DEFA mit Polen wurden in der mehr als 45-jährigen DEFA-Geschichte kaum umgesetzt. Mögliche Partnerschaften für Filme wie DIE SCHLÜSSEL (R: Egon Günther, 1973) oder JAKOB DER LÜGNER (R: Frank Beyer, 1974) scheiterten aus unterschiedlichen Gründen. So blieben die Science-Fiction-Abenteuer DER SCHWEIGENDE STERN (R: Kurt Maetzig, 1959) und SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER (R: Gottfried Kolditz, 1970) sowie die unter polnischer Leitung entstandene Literaturverfilmung BEGEGNUNG IM ZWIELICHT (R: Wanda Jakubowska, 1960) und der Historienfilm COPERNICUS (R: Czesław Petelski & Ewa Petelska, 1972) die einzigen Co-Produktionen.
Im Rahmen des Kooperationsvertrags für SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER wurde vereinbart, dass die künstlerische Leitung für den Film der DEFA obliegt. 70 Prozent (4,5 Millionen Mark) der finanziellen Aufwendungen lagen vertraglich auf deutscher Seite. Der überwiegende Anteil der technisch anspruchsvollen Aufnahmen im All sollte in Babelsberg entstehen und nur ein kleiner Teil im Filmstudio Łódź. Während der Dreharbeiten in Polen setzte schnell Ernüchterung über die Zusammenarbeit ein. Kameramann Otto Hanisch erinnerte sich später: „Unsere Partner waren total überfordert.“ Die in Polen gebauten Inneneinrichtungen für die Raumschiffe waren unzureichend und verlangten Nachbesserungen. Auch ein von der DEFA entwickeltes Schienensystem für die schwere 70mm-Kamera konnte im polnischen Studio nicht befestigt werden, sodass sämtliche Trickaufnahmen nach Babelsberg verlegt werden mussten.
Einblick in die Trickkiste
Der hohe Schauwert von SIGNALE – EIN WELTRAUMABENTEUER ist eng verbunden mit der Leistung von Kameramann Otto Hanisch (1927–2021), der im Zuge der Dreharbeiten mit der 70mm-Technik vor einer Reihe von Herausforderungen stand. So waren in der futuristischen Weltraumumgebung zunächst zahlreiche Tests nötig: „Unzählige Materialien (vor allem Chemiefasern) waren zum Beispiel auf Farbwiedergabe zu prüfen.“ Eine besondere Schwierigkeit lag zudem darin, dass es im dunklen Weltraum nur eine Lichtquelle – die Sonne – geben durfte. 40 im Studio aufgebaute Lichtscheinwerfer durften demnach nur einen Schatten werfen. „Deshalb war die Beleuchtung oft langwierig, für manche Einstellung brauchten wir an die vier Stunden“ erzählte Hanisch, der seitdem im Studio den Spitznamen „Lampen-Otto“ trug. Viel Tüftelei erforderte auch eine kostengünstige Darstellung des von einem Meteoritenschauer getroffenen, steuerlosen Raumschiffes: „Nicht die Ikaros torkelte vor der Kamera, sondern die Kamera vor der Ikaros. Zu diesem Zweck hatte ich eine Drehscheibe konstruiert, an die ich dann beim Drehen angeschnallt war und mit deren Hilfe nun die Kamera alle erforderlichen Bewegungen ausführen konnte.“
Ein internationales Darstellerensemble mit Gojko Mitić
Ein Coup gelang den Filmschaffenden mit der Besetzung von Gojko Mitić in einer Hauptrolle. Bisher war Mitić bei der DEFA ‚nur’ in fünf „Indianerfilmen“ in Erscheinung getreten. Mit diesen Darstellungen war er längst zum populärsten Filmstar in der DDR aufgestiegen. Für Mitić bot die Besetzung in einem Science-Fiction-Film die Möglichkeit, sich in einem anderen Genre zu beweisen. Die Produktion verließ sich im Gegenzug auf Mitić Zugkraft an der Kinokasse. Von deutscher Seite waren u.a. Routinier Helmut Schreiber und die junge Schauspielerin Karin Ugowski zu sehen, die dem Image der ewigen Märchenprinzessin entfloh. Weitere Hauptrollen wurden international besetzt: Piotr Pawłowski und Irena Karel (beide Polen), Jewgeni Sharikow (UdSSR), Iurie Darie (Rumänien). Mit Soheir Morshey war erstmals eine ägyptische Schauspielerin in einem DEFA-Spielfilm zu sehen. Auch der ein Jahr später bei einem Unfall verstorbene US-amerikanische Sänger Aubrey Pankey, der während der McCarthy-Zeit aus den USA in die DDR emigrierte, wirkte in einer kleinen Rolle mit.
Verfasst von Philip Zengel. (Mai 2023)