Filmstill zu "Solo Sunny"

Solo Sunny

Die digital restaurierte 4K-Fassung von Konrad Wolfs letztem DEFA-Spielfilm SOLO SUNNY (1979) eröffnet am Freitag, 14. Februar, 19:00 Uhr, in der Akademie der Künste die Berlinale Classics 2025. Für die DEFA-Stiftung ist die Veranstaltung zugleich Auftakt in das Konrad-Wolf-Jahr 2025. Anschließend wird der Film noch drei weitere Male auf dem Festival zu sehen sein.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Solo Sunny"

SOLO SUNNY

(R: Konrad Wolf, 1978 - 1979) Grafikerin: Gerda Dassing

„Is‘ ohne Frühstück. Is‘ auch ohne Diskussion.“ – Die Ost-Berliner Sängerin Ingrid Sommer (gespielt von Renate Krößner), genannt Sunny, entscheidet selbstständig und frei, was in ihrem Leben passiert. Zu Kompromissen ist sie nicht bereit. Mit einer Band tingelt sie quer durch die DDR. Der große Erfolg bleibt ihr verwehrt. Sunny sehnt sich nach Glück und Anerkennung. Weder bei Taxifahrer Harry (Dieter Montag) noch beim Philosophen Ralph (Alexander Lang) findet sie den Mann fürs Leben. Als sie sich gegen sexuelle Übergriffe eines Bandkollegen (Klaus Brasch) währt, fliegt sie aus der Gruppe und wird durch eine jüngere Sängerin ersetzt. Sunny gerät in eine tiefe Lebenskrise...

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Produktionsnotizen

Die Dreharbeiten erfolgten zwischen dem 4. September 1978 und dem 18. Januar 1979 in Nauen, im Rüdersdorfer Kulturhaus und insbesondere im Berliner Prenzlauer Berg, in der Schönhauser Allee 168, weiterhin in der Kopenhagener Straße 13 und in der Willi-Bredel-Straße (heute Schivelbeiner Straße) und auf dem Friedhof in der Pappelallee.

Konrad Wolf arbeitete für seinen letzten Spielfilm mit zahlreichen Filmschaffenden zusammen, die er von der gemeinsamen Arbeit vorheriger Filme kannte – darunter Szenenbildner Alfred Hirschmeier, Schnittmeisterin Evelyn Carow, Assistenz-Regisseurin Doris Borkmann und Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase. Für die Kamera setzte Wolf mit Eberhard Geick auf einen Newcomer, der zuvor am DEFA-Studio für Dokumentarfilme angestellt war. Die markante Filmmusik für SOLO SUNNY komponierte Günther Fischer.

Original-Filmtrailer zu SOLO SUNNY (R: Konrad Wolf, 1979)

Aus Sanije wurde Sunny

Filmstill zu "Solo Sunny"

SOLO SUNNY

(R: Konrad Wolf, 1978 - 1979) Fotograf: Dieter Lück

Entstanden ist SOLO SUNNY nach einer Idee des Autors Wolfgang Kohlhaase (1931–2022), der die Geschichte als einen Stoff „über das Alleinsein in einer Gesellschaft, in der niemand allein sein sollte“ zusammenfasste (vgl. Poss & Warnecke, Spur der Filme, S. 356). Sanije Torka (* 1944) – das Vorbild für Sunny – lernte Kohlhaase bereits Ende der 1960er-Jahre in einem Künstlerclub kennen. Für das Drehbuch griff Kohlhaase zudem auf ein Interview zurück, dass die Journalistin Jutta Voigt mit der unangepassten Schlagersängerin, die eigentlich Rock’n’Roll machen wollte, führte. Dieses Interview erschien in der DDR nie und auch in Kritiken und Publikationen, die in der DDR über SOLO SUNNY erschienen, wurde Torka nicht erwähnt. Im Filmvorspann findet sich lediglich der Hinweis „Beratung: Jutta Voigt“. 

In dem 2009 erschienenen Dokumentarfilm SOLO FÜR SANIJE der Regisseurin Alexandra Czok berichtete Torka, dass sie, als sie SOLO SUNNY zum ersten Mal sah, erstaunt war, so viele Geschichten von sich wiederzufinden: „Als ich den Film gesehen habe, war ich sprachlos. Ich wurde angesprochen (...) aus allen Ecken kam: Das bist doch du.“ Erstmals selbst in einem Film zu sehen, war Torka als Kind in Jürgen Böttchers dokumentarischem Hochschulfilm NOTWENDIGE LEHRJAHRE (1960), der Jugendliche eines Jugendwerkhofs porträtierte. Später übernahm sie zwei Mal kleine Rollen in DEFA-Produktionen des Regisseurs Erwin Stranka: ZUM BEISPIEL JOSEF (1974) und DER HAIFISCHFÜTTERER (1985).

 

 

 

 

Konrad Wolf und sein letzter Spielfilm

In der Erinnerung von Konrad Wolfs langjähriger Assistenz-Regisseurin Doris Borkmann wollte Wolf das Buch von Wolfgang Kohlhaase für SOLO SUNNY lange Zeit nicht verfilmen – Es sei „nicht seine Geschichte“. Während einer Autofahrt soll er seine Mitfahrer dann unvermittelt mit den Worten überrascht haben, den Film doch zu drehen. „Ich werde ihn machen gegen die Brutalisierung der Menschen im täglichen Umgang miteinander“ erinnerte sich Doris Borkmann an seine Worte (zitiert nach Poss & Warnecke, „Spur der Filme“, S 355).

Manche Kritikerstimme betrachtete die Thematik von SOLO SUNNY als gänzlich ungewöhnlich für Konrad Wolf, andere verwiesen darauf, dass die Kompromisslosigkeit von Künstlerpersönlichkeiten bereits mehrfach in seinen Filmen einen wichtigen Aspekt darstellte, und nannten GOYA (1971) und DER NACKTE MANN AUF DEM SPORTPLATZ (1973) als Beispiele. Auch Wolfs letzter Film, das Dokumentarfilmprojekt BUSCH SINGT, widmete sich einer unerschrockenen Künstlerpersönlichkeit.

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Konrad Wolf während des Drehs im Austausch mit Renate Krößner. Fotograf: Dieter Lück

 Filmstill zu "Solo Sunny"

Konrad Wolf mit Doris Borkmann und Eberhard Geick bei den Dreharbeiten. Fotograf: Dieter Lück

Neue Töne im DEFA-Spielfilm

Ab den späten 1970er-Jahren gab es eine Tendenz im DEFA-Spielfilmschaffen, Geschichten aus der DDR mit möglichst realen Konfliktsituationen und mit mehr Fehlern behafteten Helden von großer Individualität zu erzählen. Erwin Strankas SABINE WULFF (1978) und Heiner Carows BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (1978) sind Beispiele für solche Produktionen. Konrad Wolf kommentierte die Auswirkungen dieser neuen Töne auf das Publikum im Gespräch mit Klaus Wischnewski mit den Worten: „Das Erwartungsklima ist positiver, anspruchsvoller, nicht mehr so skeptisch. Endlich nähern wir uns der Normalität, dass nämlich kein Film für sich allein immer ‚die DEFA‘ und ‚den‘ sozialistischen Film repräsentieren soll, was es nie und nirgends gibt.“ (zitiert nach „Aus Theorie und Praxis des Films“, 1/1980, S. 112). Gemeinhin sah man diese Entwicklung auch darin begründet, dass ein Großteil des DDR-Kinopublikums in dieser Zeit jünger als 20 Jahre alt war und nach Geschichten suchte, denen es glauben konnte und in denen es sich wiederfand. Als einen Film für ein ausschließlich junges Publikum wollte Konrad Wolf SOLO SUNNY aber nicht verstanden wissen: „Es sträubt sich immer in mir, wenn es bei uns heißt, man macht Filme für... für Junge, für Mittlere, für... Ich möchte doch Filme für alle machen!“ (Konrad Wolf im Gespräch mit Margrit Voss in „Sonntag“, 13. Januar 1980)

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Tagsüber in der Altbauwohnung im Prenzlauer Berg... Fotograf: Dieter Lück

 Filmstill zu "Solo Sunny"

... abends erobert Sunny die Bühne. Fotograf: Dieter Lück

Ein Berlin-Film

SOLO SUNNY zählt zu den großen Berlin-Filmen der DEFA. Aus heutiger Sicht hat der Film „diesen fast aufgegebenen Ort des alten Ost-Berlins, wo die Uhren anders gingen, aufbewahrt.“ resümierte Filmkritiker Knut Elstermann (zitiert aus „Gespräche mit Wolfgang Kohlhaase“, S. 28). Dass der Film dies geschafft hat, ist insbesondere ein Verdienst des gebürtigen Berliners Wolfgang Kohlhaase, dessen Stoffe über Jahrzehnte immer wieder in Berlin spielen. Konrad Wolf verwies in einem zeitgenössischen Interview auf die unterschiedliche Bindung der beiden Filmemacher zur Stadt, in der er anders lebte als Kohlhaase: „Meine Beziehung zu Berlin hat sich tatsächlich ganz anderes als bei Wolfgang entwickelt. Ich hatte kein besonderes und kein persönliches Verhältnis zu dieser Stadt, als ich nach Berlin kam. Das Grundverhältnis war eher negativ: aus der Ferne war Berlin das Sinnbild deutschen Chauvinismus und des Nazismus, und die Ruinen 1945 waren das schreckliche Gesicht einer Stadt, von der Schreckliches ausgegangen war.“ (Konrad Wolf im Gespräch mit Klaus Wischnewski, Theorie und Praxis des Films, 1/1980, S. 113) Zusammen schufen die beiden Filmemacher ein von Klischees befreites Berlin: „Ich glaube, hier ist ein reales, weil objektives und immer individuelles Bild einer Stadt erzählt.“ (Konrad Wolf, Norddeutsche Zeitung, 14. Januar 1980)

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Beim Philosophen Ralph findet Sunny nicht die große Liebe. Fotograf: Dieter Lück

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Gegen die Nötigungen ihres Bandkollegen wehrt sich Sunny. Fotograf: Dieter Lück

Renate Krößner ist Sunny

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Renate Krößner

in SOLO SUNNY (R: Konrad Wolf, 1979) Fotograf: Dieter Lück

Getragen wird SOLO SUNNY von der Leistung von Renate Krößner (1945–2020). Bis heute wird der Name der Schauspielerin sofort mit der Rolle der Sunny in Verbindung gebracht. Dabei war sie sowohl davor als auch danach in erinnerungswürdigen Rollen auf der Kinoleinwand präsent – bei der DEFA u.a. in FEUER UNTER DECK (Herrmann Zschoche, 1977), ZÜND AN, ES KOMMT DIE FEUERWEHR (Rainer Simon, 1978) oder BIS DASS DER TOD EUCH SCHEIDET (Heiner Carow, 1978). Nach ihrer Ausreise aus der DDR 1985 etablierte sie sich in der BRD als gefragte Schauspielerin. Später war sie unter anderem in NORDKURVE (Adolf Winkelmann, 1993) und VERGISS DEIN ENDE (Andreas Kannengießer, 2011) zu sehen. „Doch all diese schönen Arbeiten, all die großen und kleineren Rollen, die Schwergewichtigen und die Leichtfüßigen werden für immer überstrahlt vom Glanz der Sunny.“ fasste Knut Elstermann die Filmkarriere von Renate Krößner zusammen (vgl. „Gespräche mit Wolfgang Kohlhaase“, S. 31).

Erfolg – National wie international

„Noch nie ist ein DDR-Film in der Bundesrepublik so groß gestartet“, schrieb Der Spiegel am 7. April 1980. Nach dem großen Erfolg von SOLO SUNNY im Rahmen der Berlinale wenige Wochen zuvor, als Renate Krößner als beste Darstellerin den Silbernen Bären erhielt und die FIPRESCI-Jury den Film mit dem Kritikerpreis bedachte, war der Film nicht nur in der DDR in aller Munde. 13 Wochen war SOLO SUNNY in den DDR-Premierenkinos zu sehen und bescherte der DEFA mit 1,6 Millionen Zuschauern im Jahr 1980 einen ihrer größten Publikumserfolge der letzten DEFA-Dekade. Auf dem 1. Nationalen Spielfilmfestival der DDR in Karl-Marx-Stadt wurde der Film mit Auszeichnungen überhäuft. Im November 1980 folgte ein Festivaleinsatz beim 16. Internationalen Filmfestival in Chicago. Wolfgang Kohlhaase wurde dort mit der „Goldenen Plakette“ für das Beste Drehbuch ausgezeichnet. 1982 erwarb das ZDF die TV-Senderechte für Westdeutschland. Im gleichen Jahr war SOLO SUNNY Teil der internationalen Filmausstellung FILMEX in Los Angeles. 

Seinen Zauber hat der Film bis heute nicht verloren. „Dieser Film hat das Land überlebt“ stellte Kritiker Hans Helmut Prinzler 2010 in der Süddeutschen Zeitung in einem Beitrag zu „60 Jahre Berlinale“ fest und zitierte Regisseur Andreas Dresen mit den Worten: „Konrad Wolf erzählt eine tiefe Wahrheit über diese kleine, manchmal liebenswerte, manchmal sehr mittelmäßige und manchmal einen zur Verzweiflung treibende DDR. Wer etwas über dieses Land erfahren will, muss sich einen Film wie SOLO SUNNY nur sehr genau angucken, dann wird er viel begreifen.“ (Süddeutsche Zeitung, 19. Januar 2010)

Verfasst von Philip Zengel. (Februar 2025)

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