Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

Till Eulenspiegel

Erstmals steht die im vergangenen Jahr unter Mitwirkung des Regisseurs Rainer Simon digital restaurierte Fassung des DEFA-Spielfilms TILL EULENSPIEGEL (1974) mit Winfried Glatzeder in der Titelrolle den Zuschauerinnen und Zuschauern online als Video-on-Demand zur Verfügung. Bis zum 22. April 2024 ist die Produktion in der ARD-Mediathek abrufbar.

Kurzinhalt

Filmplakat zu "Till Eulenspiegel"

TILL EULENSPIEGEL

(R: Rainer Simon, 1974) Grafiker: Erhard Grüttner

Till Eulenspiegel (gespielt von Winfried Glatzeder), ein Narr und Provokateur, zieht am Vorabend des Bauernkrieges durch das Land und setzt sich gegen die Adligen und Mächtigen zur Wehr. Auf der verfallenen Burg des rüden Ritters Kunz (Franciszek Pieczka) gelingt es ihm, den Junker hereinzulegen und Rosine (Cox Habbema), die Tochter des Schmieds, zu retten. Weitere Abenteuer führen Till zum Anwesen des Fürsten Heinrich des Sanftmütigen (Eberhard Esche) und an den Hof des Kaisers (Jürgen Gosch). Auch dort ergeben sich für den Narr heikle Situationen. Wird sich Till vor dem Galgen retten können?

 Hier finden Sie die vollständigen Filmdaten.

Till Eulenspiegel und die DEFA

Mehr als einmal widmete sich die DEFA dem beliebten Volksnarr. Bekannt ist insbesondere die Koproduktion mit Frankreich unter dem Titel DIE ABENTEUER DES TILL ULENSPIEGEL aus dem Jahr 1956 mit Gérard Philipe in der Titelrolle, der auch die Regie übernahm. Diese Verfilmung nutzte die Ulenspiegel-Romanvorlage des belgischen Schriftstellers Charles de Coster als Vorlage. Weitaus unbekannter sind zwei DEFA-Puppentrickfilme von Jan Hempel, die ebenfalls Mitte der 1950er-Jahre entstanden: TILL EULENSPIEGEL UND DER BÄCKER VON BRAUNSCHWEIG (1954) und TILL EULENSPIEGEL ALS TÜRMER (1955) – beide Filme entstanden unter maßgeblicher Beteiligung des späteren Erfinders des Sandmännchens Gerhard Behrendt.

Rainer Simon verfolgte mit seiner Verfilmung das Anliegen, das Eulenspiegel-Klischee vom heiteren Volkshelden nicht weiter zu festigen. Ihm ging es um eine historisch-realistische Darstellung – ganz ohne Verniedlichungen. Spaß und Unterhaltung sollten nicht im Vordergrund stehen. Eulenspiegel zeigt hier auch egoistisch-selbstsüchtige Züge und führt neben den Reichen mitunter auch die Armen hinters Licht.

 

 

 

 

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

Rosine (Cox Habbema) wird von Till gerettet... TILL EULENSPIEGEL (R: Rainer Simon, 1974) Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

... doch schafft es Till selbst, dem Galgen zu entfliehen? TILL EULENSPIEGEL (R: Rainer Simon, 1974) Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Produktionsnotizen

TILL EULENSPIEGEL wurde zwischen dem 20. Februar und 11. Juli 1974 u.a. auf Schloss Quedlinburg, in der Burgruine Arnstein im Harz, in der Klosterkirche Drübeck sowie auf der Albrechtsburg in Meißen gedreht. Am 22. Mai 1975 feierte der Film im Berliner Kino Kosmos Premiere.

 

 

Original-Kinotrailer zu TILL EULENSPIEGEL (R: Rainer Simon, 1974)

Als Zweiteiler geplant

Die Pläne für eine Till-Eulenspiegel-Verfilmung reichten bereits in die späten 1960er-Jahre zurück. 1972 stellten die Autoren Christa und Gerhard Wolf ihre zweiteilige Filmerzählung – Die List der Schwachen und Die Kunst des Narren – nach Motiven des bekannten Till-Eulenspiegel-Volksbuchs fertig. Regisseur Rainer Simon wollte den Stoff auf die Leinwand bringen. Er befand sich bereits auf Drehortsuche und verhandelte mit verschiedenen osteuropäischen Darstellerinnen und Darstellern. Sechs Wochen vor Drehbeginn, im Frühsommer 1973, wurden die Vorbereitungen von Seiten der DEFA-Studioleitung jedoch gestoppt, da die geplanten Produktionskosten von elf Millionen Mark den finanziellen Rahmen sprengten. In seiner Autobiografie „Fernes Land“ erinnerte sich Simon später: „(...) mir ist nie klar geworden, warum diese Entscheidung so spät fiel, warum sie uns so lange arbeiten ließen, was ja auch eine Menge Geld kostete. Natürlich vermuteten die Autoren und ich, dass auch inhaltliche Bedenken eine Rolle spielten. Die Art und Weise, wie der Till Eulenspiegel sich mit der Obrigkeit anlegte, konnte einigen Leuten nicht gefallen.“ (S. 135f.)

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

Wenn's der Sache dient, ist Till auch mal im frommen Gewand zu sehen. TILL EULENSPIEGEL (R: Rainer Simon, 1974) Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

Eberhard Esche gibt den Fürsten 'Heinrich der Sanftmütige'. TILL EULENSPIEGEL (R: Rainer Simon, 1974) Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Neues Konzept: Aus zwei mach eins

Die einzige Möglichkeit das Projekt zu retten, war eine deutliche Straffung der Filmerzählung. Die Wolfs sahen sich zu einer solchen Überarbeitung nicht in der Lage, zumal eine Veröffentlichung der zweiteiligen Erzählung im November 1973 im Aufbau Verlag bereits angekündigt war. Ein Angebot Rainer Simons nach Motiven der Filmerzählung ein einteiliges Drehbuch zu konzipieren, nahmen sie an. Zusammen mit dem Assistenzregisseur Jürgen Klauß und dem Dramaturgen Manfred Wolter erarbeitete Simon in kürzester Zeit ein neues Buch. „Wir mussten uns von dem breiten, epischen Gemälde der Wolfs entfernen und eine sprödere, episodische Struktur finden“ erinnerte er sich später (Fernes Land, S. 137). Im Herbst 1973 war die Bearbeitung abgeschlossen. Als ein von der Hauptverwaltung Film des Ministeriums für Kultur in der DDR beauftragtes Gutachten keine gravierenden Beanstandungen hervorbrachte, wurde der Film nach langem Ringen in den Produktionsplan des DEFA-Studios für Spielfilme des Jahres 1974 aufgenommen.

„Ein schlimmerer Horrorfilm“ – Zulassungsprobleme

Im Zuge der Zulassung stand das Projekt vor neuen Problemen. Der Film sei weder publikumsträchtig noch heiter und Till Eulenspiegel werde nicht als Volksheld dargestellt, lauteten einige Vorwürfe, die bereits während der Rohschnittabnahme im Studio geäußert wurden. Kritisiert wurde auch das wenig optimistische Ende. Rainer Simon erinnerte sich an ein Gespräch mit Studiodirektor Wilkening, in dem dieser sagte: „(...) dieser Film ist der komplizierteste Fall seit langem, er überschreite eine Grenze, die einem normalen Bürger zuzumuten sei, der Film sei ein Schocker, ein schlimmerer Horrorfilm.“ (zitiert nach Rainer Simon, Fernes Land, S. 147f). Letztlich kreisten die Diskussionen bei der staatlichen Abnahme um wenige Filmschnitte – darunter die Großaufnahme eines Kuhfladens. Ob ironisch-politische Anspielungen des Films auf die DDR-Gegenwart übertragbar sind, spielte in den Debatten bemerkenswerterweise keine Rolle. Simon hielt dazu fest: „Selten wurde bei kulturpolitischen Debatten das Wesentliche thematisiert, die Konflikte wurden in Scheingefechten ausgetragen, und beide Seiten wussten um das Spiel“ (Fernes Land, S. 149). Dennoch sieht Simon einen Zusammenhang zwischen seinem EULENSPIEGEL-Film und der Einleitung einer Operativen Personenkontrolle seitens der Staatssicherheit gegen seine Person im Mai 1976 (ebd., S. 151).

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

Mit Esel als Gehilfen. Till gibt den Wänden des Fürsten Farbe. TILL EULENSPIEGEL (R: Rainer Simon, 1974) Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

Der Kaiser (Jürgen Gosch) gibt sich die Ehre – zu seinen Füßen geköpfte Hühner. TILL EULENSPIEGEL (R: Rainer Simon, 1974) Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Winfried Glatzeder ist Till Eulenspiegel

Filmstill zu "Till Eulenspiegel"

TILL EULENSPIEGEL

(R: Rainer Simon, 1974) Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Eulenspiegel-Darsteller Winfried Glatzeder (* 1945) zählte in den 1970er-Jahren zu den gefragtesten Schauspielern der DDR. Mit gleich drei publikumsträchtigen Kino-Produktionen – ZEIT DER STÖRCHE (R: Siegfried Kühn), DIE LEGENDE VON PAUL UND PAULA (R: Heiner Carow) und DER MANN, DER NACH DER OMA KAM (R: Roland Oehme) – war er 1971/72 in Hauptrollen präsent und blieb dem Publikum bleibend in Erinnerung. Die Filmkritikerin Rosemarie Rehahn trug später für ein Porträt Pressereaktionen über den noch unbekannten Mimen zusammen: „Nach den lieben, braven, verträumten Knaben der letzten Gegenwartsfilme endlich ein Draufgänger und Tatenmensch (...) endlich ein Bursche, bei dem’s ein bisschen knistert. Ein vitaler und vielseitiger Nachwuchsdarsteller, der dem Publikum nach geraumer Durststrecke in DEFA-Männlichkeit zu gönnen ist“ (zitiert aus Kino- und Fernsehalmanach 11/1980, S. 70). Auch in Theaterinszenierungen von Fritz Marquardt und Benno Besson an der Berliner Volksbühne sowie im Fernsehen der DDR, u.a. im Vierteiler DIE SIEBEN AFFÄREN DER DONA JUANITA (R: Frank Beyer, 1973), wusste Glatzeder zu überzeugen. Mit TILL EULENSPIEGEL folgte sein nächstes Kinoengagement und eine Rolle, die ihm, wie er selbst anmerkte, in seiner bisherigen Karriere den meisten Schweiß gekostet habe (vgl. Rehahn, 1980, S. 78). Mit Regisseur Rainer Simon blieb Winfried Glatzeder auch nach den Dreharbeiten verbunden. Für ZÜND AN, ES KOMMT DIE FEUERWEHR kam es 1977 zu einer weiteren Zusammenarbeit. In einem Zeitzeugengespräch mit der DEFA-Stiftung im Jahr 2016 bezeichnete Glatzeder Simon als „genialen Regisseur“ und ergänzte „Ich habe Rainer Simon dafür geliebt, dass er mich besetzt hat.“

Dreharbeiten zu "Till Eulenspiegel"

Dreharbeiten an der Albrechtsburg in Meißen. Regisseur Rainer Simon (Bildmitte) wacht mit Megafon über das Geschehen. Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Dreharbeiten zu "Till Eulenspiegel"

Regisseur Rainer Simon und Assistenzregisseur Jürgen Klauß im Gespräch mit Winfried Glatzeder während der Dreharbeiten. Fotografen: Frank Bredow, Klaus Goldmann

Gemischte Kritiken und beachtliche Resonanz

TILL EULENSPIEGEL startete anlässlich des 450. Jahrestags des Deutschen Bauernkriegs in den Kinos der DDR und wurde durch den DEFA-Außenhandel nach Polen, Kuba, Bulgarien und an das jugoslawische Fernsehen lizenziert. Die DDR-Presse beurteilte den Film durchaus unterschiedlich. Während Günter Sobe in der Berliner Zeitung (27. Mai 1975, S. 6) dem Film das Prädikat „künstlerisch bemerkenswert“ verlieh und Rainer Simon seine bisher „geschlossenste“ Regieleistung attestierte, bemängelte Helmut Ullrich in der Neuen Zeit „dass man fast gar nicht mehr zum Lachen kommt“ (29. Mai 1975, S. 4). Horst Knietzsch kam im nd zu dem Schluss, dass TILL EULENSPIEGEL „hinter dem Anspruch der Vorlage von Christa und Gerhard Wolf zurück(bleibt)“ (4.6.1975, S. 4). Besonders vehement lehnte Renate Holland-Moritz im Eulenspiegel den Film ab, da „jede sich bietende Gelegenheit zu fäkalischen, sexuellen und grausamen Exzessen mit wollüstiger Akribie ausgespielt“ werde (vgl. „Die Eule im Kino“, 1981, S. 139). Ob die negativen Kritiken dazu beitrugen, dass die Leute gerade deshalb ins Kino gingen, um den vermeintlichen ‚Skandalfilm‘ zu sehen? Trotz der an einen DEFA-Spielfilm selten vergebenen Jugendfreigabe „P18“, die einen beachtlichen Teil des sehr jungen DDR-Kinopublikums ausschloss und einer geringen Kopien-Stückzahl für den Kinoeinsatz, erreichte TILL EULENSPIEGEL 1975 mehr als 700.000 Menschen. Bis 1979 wuchs die Zahl auf 1,2 Millionen.

Verfasst von Philip Zengel. (März 2024)

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