10. Preisverleihung

Die Preise wurden am 12. November 2010 im Kino Babylon verliehen

 

Preisträger

Zur  Fotogalerie der 10. Preisverleihung der DEFA-Stiftung.

Preis für Verdienste um den deutschen Film

Prof. Kurt Maetzig

Kurt Maetzig

Fotografen: Reinhardt & Sommer

Am 3. Oktober 1947 wird in vier Filmtheatern der Viersektorenstadt Berlin der Film EHE IM SCHATTEN uraufgeführt. Wenige Tage vor der Premiere schreibt Kurt Maetzig: „Jetzt, wo mein erster Spielfilm fertig ist, komme ich mir vor wie der Reiter über den Bodensee. So lag mir dieses Thema besonders am Herzen. Ich wollte den Opfern jener Epoche ein Denkmal setzen.“

Hans-Ulrich Eylau schreibt damals in der „Täglichen Rundschau“ (Überschrift: „Ehe im Schatten – Ein Film aus Deutschlands dunkler Zeit“): „In dieser Tragödie einer sogenannten Mischehe wird wieder wach und lebendig, was jeder an sich und in seiner Umgebung erlebt hat. Aber jetzt, im Spiegel des Films, sieht der Zuschauer das alles so, wie er es damals hätte sehen müssen: dieses fast unmerkliche Hineingleiten in ein schlimmes Schicksal, dieses ‚Es wird schon nicht so schlimm…‘ Das Publikum verharrte lange in schweigender Ergriffenheit, nachdem am Schluss in ein kahles, trostloses Friedhofsbild die Widmung des Werkes an den toten Schauspieler Joachim Gottschalk und alle seine Mitopfer eingeblendet war. Dann löste sich herzlicher, ehrlicher Beifall.“

Bis 1950 sahen 10.125.000 Zuschauer den Film. Ich habe in meiner Erinnerung EHE IM SCHATTEN etwa zehn Jahre nach der Uraufführung gesehen. 1974 sprach ich mit Kurt Maetzig über dieses denkwürdige filmische Dokument. Er sagte damals: „Fast alles, was ich im Film EHE IM SCHATTEN erzähle, erlebte ich im Umkreis meiner Familie und meiner Freunde. Aber ich hatte 1945 kein fertiges Filmexposé, es war nicht so wie bei Staudte… Ich wusste ja auch noch gar nicht, sollte ich Dokumentar- oder Spielfilmregisseur werden, ich suchte noch die Kunstgattung, in der ich mich am besten ausdrücken konnte. Und dann kam eines Tages das Exposé von Hans Schweikart… Hier sah ich die Möglichkeit, all das zu artikulieren, was ich selbst erlebt und empfunden hatte. Es war wie das Öffnen eines Fensters…“

Kurt Maetzig hat in seinem Leben viele Fenster aufgestoßen. Ich empfinde seine künstlerische Biografie als einen authentischen Spiegel der DEFA-Geschichte insgesamt, auch als eine „Allegorie en miniature“ eines Lebens und Lebenswerkes im 20. Jahrhundert. Dies reflektieren schon die biografischen Fakten: Am 17. Mai 1946 einer der Gründerväter der DEFA, Regie des ersten deutschen Dokumentarfilms nach dem Kriege, Schöpfer und Leiter des „Augenzeugen“, dessen Motto „Sie sehen selbst, sie hören selbst, urteilen Sie selbst“ er erdachte. Es war von 1946 bis 1949 ein visionäres Prinzip Hoffnung. Gründungsrektor der Deutschen Hochschule für Filmkunst, Vizepräsident der FICC. 20 Spielfilme von 1947 bis 1976. Dieser Spiegel schließt natürlich ein die Tangenten und die metaphorischen Assoziationen mit der an Widersprüchen reichen DEFA-Historie. Ab- und Ausdruck von Aufstieg und Fall eines Systems und eines deutschen Staates.

Was für eine Landschaft an geistig-ästhetischen Berg- und Talfahrten. Ein Januskopf an Erscheinungsbildern und Wirkungsmechanismen. Spannungsfelder zwischen Aufbruch und Stagnation, zwischen Erneuerung und Erstarrung. Meines Erachtens kann und sollte bei einem Rückblick weder die Größe von Entwürfen und Utopien kleingeredet und polemisch verzerrt werden, noch kann andererseits der Blick vor fatalen Irrwegen und dem dogmatischen Beharren auf Illusionen verschlossen werden. Allein im Verlauf und den Folgerungen des Kahlschlagplenums 1965 und der Fallgeschichte des Films DAS KANINCHEN BIN ICH finden sich wie in einem Menetekel alle diese Widersprüche fixiert.

Es geht nicht um Legendenbildung oder einen nostalgischen Mythos. Aber es geht mir und uns um die Hommage für ein filmisches Credo für einen Film der Aufklärung, der Vernunft und der moralischen Verantwortung.

In der Einstimmung auf den heutigen Abend ließ mich ein sprichwörtlich gewordenes Zitat aus Christoph Heins Stück „die Ritter der Tafelrunde" nicht aus den Fängen: „Wir haben den Gral nicht gefunden.“ Heins Stück artikuliert bekanntlich die Bitternis über das Ende einer Vision. Schmerz, Trauer darob, aber auch das Hadern mit sich selbst, mit den eigenen Schwächen, die diese Suche scheitern ließ. Aber am Ende steht auch ein Trotzalledem: Ist doch vielleicht schon die Suche der Weg! Ist das Prinzip Hoffnung dieser Suche inhärent? „Wir haben den Gral nicht gefunden!“ Aber wer die Suche nach dem Gral aufgibt, der gibt sich selbst auf.

Ich glaube: Die Träume von einem anderen Film waren und sind nicht anachronistisch, die Visionen von einem aufgeklärten und aufklärenden Film. Auch für ihn gilt „Anmut sparet nicht noch Mühe“. Es ist die einzig wirksame Alternative zu einem Film ohne Gewissen.

Gestatten Sie mir am Schluss noch eine persönliche Reminiszenz. Ich war, wie schon erwähnt, 1974 beteiligt an dem filmischen Versuch eines Porträts über Kurt Maetzig. Zwei Dinge sind mir bis heute unvergesslich geblieben. Als erstes unser Gespräch über Holzarbeiten als Hobby und die schöne und sinnfällige Demonstration dieses Hobbys. Originalton Kurt Maetzig:

„Für mich ist das ein Hobby, ein Spiel, das auch zugleich ein bisschen Arbeit ist, während ich ja sonst in meinem Beruf eine Arbeit hatte, die auch immer ein bisschen Spiel war... Ich habe es hier mit einem Material zu tun, das auch lebendig ist, das man anfassen kann. Es lebt, es lässt sich nicht in jede Form bringen. Es hat seinen Willen für sich und das ist gerade das Schöne daran. Ich hab neulich mal durch Zufall in den Gespächen Eckermanns mit Goethe gefunden, wie Goethe dem Eckermann einen Baschkirenbogen zeigt, den er im Jahre 1814 geschenkt bekommen hatte. Und anhand dieses Bogens sprechen sie über Holz und Holzverarbeitung und das ist ne lange Geschichte. Es geht über vielleicht 10 Seiten... – Also, wenn ich hier mit dem Holz ein wenig spiele, dann möchte ich sagen, ich befinde mich in der allerverlauchtesten Gesellschaft.“

Als zweites erinnere ich an das damalige Gespräch über den französischen Dichter und Aufklärer Voltaire. Kurt Maetzig zitierte aus einem Brief Voltaires aus dem Jahre 1737 mit dem Bekenntnis: „Es gilt, seiner Seele alle möglichen Formen zu geben. Sie ist ein Feuer, das Gott uns anvertraut hat, wir müssen es nähren mit dem Kostbarsten, das wir finden können. Wir müssen jeder erdenklichen Erscheinung in unserem Wesen Zutritt gewähren, alle Pforten unserer Seele öffnen, allen Wissenschaften und allen Gefühlen.“ Und auch das damalige Gespräch vor der Kamera endetet mit dem Schlusssatz aus Voltaires „Candide“: „Wohl gesprochen, versetzte Candide, aber wir haben in unserem Garten zu arbeiten.“

Laudator: Fred Gehler

Preis zur Förderung der deutschen Filmkunst

Florian Koerner von Gustorf & Michael Weber von SCHRAMM FILM

Florian Koerner von Gustorf & Michael Weber

Florian Koerner von Gustorf & Michael Weber

Fotografen: Reinhardt & Sommer

Bis heute weiß ich nicht, was „Schramm“ bedeutet. Wo es herkommt.

Ich dachte natürlich zuerst an den gleichnamigen Film von Jörg Buttgereit, in dem einer der beiden Produzenten, die Schramm Film sind, die Hauptrolle spielt. Dann hörte ich Florian einmal telefonieren, was er unglaublich gut kann, und da benutzte er, um die Schreibweise von Schramm Film zu erläutern, den Ausdruck „wie die Schramme ohne E“. Dann dachte ich an den Assistenten des Kommissars Erik Ode, der auch Schramm hieß, ein Mann im Hintergrund, korrekt, unaufgeregt, einen Trenchcoat tragend, das Detektivische nurmehr als melancholische Erinnerungsspur.

Wie gesagt, ich weiß es bis heute nicht.

Ich habe 1994 Schramm Film kennengelernt. Mein Abschlussfilm. Es gab eine Koproduktion mit dem ZDF. Die Redakteurin schlug mir Schramm Film vor, weil die einfach in Ordnung sind. Mein Freund Thomas Arslan auch, mit der gleichen Begründung.

Ich hatte einen Text von Kraft Wetzel im Kopf, aus der Zeitschrift Filmkritik: „In Deutschland kommt ein Film wie ein abgefressener Fisch ins Kino“. Jeder zieht sich heraus aus den Förderungen, was er braucht. Manche mehr, manche weniger. Viele mehr. Ich war also misstrauisch.

Das tolle bei den Schramms nun ist, dass das Büro ein wenig aussieht wie ein abgefressener Fisch. Auch die Autos, die die beiden fahren. Alles, das Geld und die Leidenschaften, die gehen in die Filme. Es reicht noch nicht einmal für ein Manifest, obwohl es doch einfach gewesen wäre, bei all den schönen Filmen, die sie gemacht haben. Es hängen keine Plakate an der Wand, keine Auszeichnungen. Die Espressomaschine hat kein Pumpsystem. Nicht genügend Druck für ein richtiges Crema.

Wie gesagt, alles geht in die Filme.

Es sind ungeheuer loyale Menschen. Ich bin froh, dass sie heute ausgezeichnet werden. Und dass sie hier sind.

Laudator: Christian Petzold

Preis zur Förderung des künstlerischen Nachwuchses

Feo Aladag

Feo Aladag

Fotografen: Reinhardt & Sommer

Es ist mir tatsächlich eine große Freude den diesjährigen Preis zur Förderung des künstlerischen Nachwuchses zu überreichen. Der Preis wird verliehen an Filmemacher, deren erste Arbeiten sich durch filmkünstlerisches Talent und Originalität auszeichnen.

Der Preis für das „Lebenswerk“ ist immer so etwas Abschließendes. „Förderpreis“ hingegen ist ein Startschuss. Ist eine Frage, Bitte, Forderung, ein Mutmacher: Mach weiter! Wir glauben an Dich! Es hat sich alles gelohnt! Tu es noch einmal! Erzähl uns mehr! Finde neue Geschichten und erzähl sie uns auf Deine Art!

DIE FREMDE ist eigen, emotional, ehrlich, schmerzhaft, glücklich, liebevoll, ratlos, klug und voller Kraft und Leidenschaft erzählt. Vom Leben inspiriert, in Kunst übersetzt, die uns berührt und aufklärt.

Ich wünsche nicht nur diesem Film ein grandioses nächstes Jahr, sondern vor allem Ihnen: bleiben Sie bei sich und gehen Sie weiter:

Feo Aladag – Herzlichen Glückwunsch!

Laudatorin: Franziska Meletzky

Programmpreise

Zeughauskino

Jörg Frieß

Jörg Frieß

Leiter des Berliner Zeughauskinos. Fotografen: Reinhardt & Sommer

Fünfmal im Jahr kommt ein Programmheft ins Haus, das, wie ich meine, bei Cinéasten keine andere Reaktion hervorrufen kann als regelmäßige Jubelrufe. Es sind die Annotationen des Berliner Zeughauskinos: alle Filme, alle Reihen, die in den folgenden Monaten hier zu sehen sein werden. Das Angebot, entstanden in penibler Kleinarbeit, ist reich an Entdeckungen, offen für klassisches und modernes Kino, oft mit einführenden Worten sachkundiger Kuratoren, die sich den filmischen Überlieferungen mit nicht enden wollender Wissbegier, einer Lust an artifiziellen, sozialen und soziologischen Erkundungen annehmen. So wird das Publikum eingeladen, die Urgründe der siebten Kunst zu erforschen, Henny Porten und Asta Nielsen, Ophüls und Syberberg, und es kann sich zugleich über neue Tendenzen informieren, Gesellschaftsbilder des mexikanischen, argentinischen oder rumänischen Kinos. Souverän mäandert das Zeughaus durch Film- und Zeitgeschichte, erinnert an die Sprengkraft des politisch Revolutionären und labt sich an der Buntheit amerikanischer Ritterfilme. Auch die DEFA hat seit jeher einen festen Programmplatz, wie etwa in der Reihe „Wiederentdeckt“, die immer mal mit Produktionen überrascht, von deren Existenz selbst DEFA-Spezialisten nur vom Hörensagen wissen. Oder haben Sie jemals einen Spielfilm namens DER FACKELTRÄGER gesehen? – Der läuft wirklich nur im Zeughauskino. 

Laudator: Ralf Schenk

Kinderkino München e.V.

Hans und Christel Strobel

Hans und Christel Strobel

Kinderfilm-Liebhaber und Gründer der Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz. Fotografen: Reinhardt & Sommer

Seit 30 Jahren gibt es die „Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz“, die einzige deutschsprachige Fachzeitschrift, die sich, wie der Titel schon sagt, ausschließlich dem Kino für die Jüngsten und Jüngeren widmet. Verantwortlich für den Inhalt sind Hans und Christel Strobel, die, so behaupte ich, einfach alles über den Kinderfilm wissen, von seinen Anfängen bis zu jenen Projekten, die noch gar nicht gedreht sind. Ein lebendes Lexika-Ehepaar, sozusagen. Um sie herum eine Schar von Verbündeten, die sich vehement darum kümmert, dass der Kinderfilm nicht das fünfte Rad am Wagen ist, wie das in der Geschichte des westdeutschen Kinos ja schon öfter der Fall war. – Weil andererseits das DEFA-Kino den Kinderfilm stets als wichtigen Bestandteil verstand, blickten die Strobels mit ihrer Zeitschrift, aber auch mit ihrem Verein Kinderkino München gern nach Osten. Sie luden, noch zu tiefsten Mauer-Zeiten, Filme und Leute ein, sahen in den besten Babelsberger Kinderfilmen einen Maßstab für das, was im Westen noch zu leisten war. In jenen 38 Sonderdrucken, die bis heute neben rund 120 regulären Ausgaben der „Kinder- und Jugendfilm-Korrespondenz“ entstanden, widmeten sich die Strobels unter anderem dem Kinderfilm in der Tschechoslowakei (1982), in der DDR (1985) und in Ungarn (1988), reflektierten über Lotte Reiniger und Karel Zeman, Anima und Manga oder die Magie der Märchen. Manchmal lassen sie sich auch von einer anderen Magie verführen. Von der Kunst, Stummfilme mit großem Orchester zu begleiten. Eine Leidenschaft, die sie hierhin und dorthin führt. Vor allem dann, wenn Frank Strobel am Dirigentenpult steht. Ihr eigenes Kind.

Laudator: Ralf Schenk

Filmclub 813 e.V.

Bernhard Marsch

Bernhard Marsch

Filmemacher und Gründungsmitglied des Kölner Filmclubs 813 e.V. Fotografen: Reinhardt & Sommer

Der Kölner Filmclub 813 wurde im Sommer 1990 von acht Cinéasten gegründet. Ihre Intention war es, Filme im Kino vorzuführen, die in der Domstadt entweder nur ganz kurz oder nie zu sehen waren. Seit 1995 im Kinosaal des ehemaligen British Council beheimatet, zeigt der Filmclub heute rund 100 Produktionen jährlich und gestaltet außerdem noch das beliebte Open Air Kino. Beobachter vor Ort loben die hohe filmische Kompetenz, Sensibilität und das kritische Bewusstsein gegenüber den gesellschaftlichen Verhältnissen und den Lebensproblemen des Publikums. – Für Programm und Organisation ist ein harter Kern verantwortlich, der sich aus den 60 allesamt ehrenamtlichen Mitgliedern rekrutiert. Man zeigt japanische Klassiker, Unbekanntes aus Hollywood, ehrt den berühmten Ingmar Bergman und den unberühmten Robert Bramkamp – und ließ sich mehrfach auch auf die DEFA ein. Konrad Wolf,  Manfred Krug,  Angelika Waller. Rund um den 20. Jahrestag der deutschen Vereinigung liefen Frans Buyens sensationeller, aber nahezu vergessener Film DEUTSCHLAND - ENDSTATION OST (1964) und Jürgen Böttchers DIE MAUER (1990). Dazu die Lausitz-Filme von Peter Rocha. Wer sie zeigt, beweist Mut für Betörendes, Verstörendes. Und hat den DEFA-Preis wahrhaftig verdient.

Laudator: Ralf Schenk

Fotogalerie

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