15. Preisverleihung

Die Stiftungspreise wurden am 20. November 2015 in der Akademie der Künste verliehen.

 

Preisträger

Zur  Fotogalerie der 15. Preisverleihung der DEFA-Stiftung.

Preis für das filmkünstlerische Lebenswerk

Christian Lehmann

Christian Lehmann

© Reinhardt & Sommer

Im März 2006 wird Christian Lehmann mit dem Satz zitiert, der Beruf des Kameramanns, heute bezieht man Kamerafrauen natürlich mit ein, sei einer unserer schönsten. Mit „unserer“ ist wohl die Filmbranche gemeint, anderenfalls wäre es doch fraglich.

Es muss so um 1975 gewesen sein, als ich in den Ferien zufällig neben Christian im Dokfilmstudio am Schneidetisch saß. Damals 13-jährig, war ich fasziniert von der Möglichkeit, per Knopfdruck Menschen aus dem Wasser heraus zurück auf einen Sprungturm hüpfen zu lassen. Ich fragte Christian, wie man Kameramann werden kann und ob sich das lohnen würde. Damit war natürlich der Spaß an der Sache gemeint.

Da holte Christian zu einer Rede aus, die ich nie vergessen habe: Sinngemäß war es eine große Warnung, die alle Schwierigkeiten benannte, in die man geraten kann und alle Leiden offenbarte, die mit dem Beruf verbunden sind. Er hatte meine Frage sehr ernst genommen. Und ganz am Schluss seiner langen Rede fragte ich ihn: Aber warum machst Du es dann? Da kam nach langem Zögern: Weil es mir trotzdem sehr viel Spaß macht.

Besser kann man Menschen nicht überzeugen, etwas trotzdem zu tun. Ich tat es und kann seine Rede heute in allen Punkten bestätigen.

Im Jahr 1994 schreibt Peter Voigt in einer Laudatio auf ihn: „... Lehmann in seinem rigiden Pessimismus ist wertvoll für jedermann. Er zwingt Dich nämlich zu rigid optimistischem Widerspruch. Er macht aus Dir einen Optimist für alle Lebenslagen. Jeder in seiner Nähe, Kameraassistent, Regisseur, Aufnahmeleiter, wird von ihm zu einer antipessimistischen Grundeinstellung erzogen!“

Inzwischen weiß ich, dass gute Kameraleute die Pflicht haben, die im Dokumentarfilm scheinbar unkalkulierbaren Umstände der Aufnahmen vorauszuahnen, also dem Zufall den Stachel zu nehmen, indem sie alle Beteiligten nötigen, bestmögliche Umstände für die Aufnahmen zu erzeugen. Eigentlich einfach, nur für die Umgebung nicht immer leicht nachvollziehbar. Nicht jeden Tag ist schlechtes Licht; das Leben ist ein Auf und Ab; der Zufall ist beeinflussbar. Es ist wohl auch eine Art „Berufskrankheit“.

Was macht das Werk Christian Lehmanns aus heutiger Perspektive betrachtet so besonders?

Im Gespräch mit Peter Badel, einem Berufskollegen und eifrigen Chronisten der DEFA-Zeit, heißt es hierzu: „... schon an der Hochschule hatten wir uns einen gewissen Ethik-Kodex zurecht gelegt und stille Gesetze der Verantwortung als Dokumentarfilmer, die vor allem die Abbildung der Menschen vor der Kamera betrafen, verbindlich verinnerlicht.“

Es ist nicht allein der oft beschworene Stil, der die Arbeit Christian Lehmanns so herausragend werden lässt, sondern seine Konsequenz in der Einhaltung einer anfangs getroffenen Vereinbarung mit den Regisseuren, Protagonisten und dem Zuschauer: Niemals werde ich Dich verraten!

Das betrifft jedes Detail seiner Arbeit: Keine Entlarvung, weder durch „Gesichtspornografie“ noch durch ungerechtfertigtes Eingreifen in die Situation. Kein Nachäffen von Moden, die nicht mit der ethischen Verantwortung in Übereinstimmung zu bringen sind. Immer eine Distanz zu den abgebildeten Situationen und Menschen gewähren, weil es Zeit und Raum braucht, um vom Zuschauer selbst entdeckt zu werden. Nähe als Einstellungsgröße ist ein absoluter Höhepunkt, der tatsächlich auch persönliche Nähe nachvollziehbar macht.

Kamerabewegung kann sein, muss aber nicht, wenn sie vermeidbar ist. Keine Kamerabewegung nur um der Unterhaltung willen. Die eigene Angst Lehmanns, damit zu nah an der Still-Fotografie zu bleiben, finde ich ungerechtfertigt, weil die Festlegung der Zeit beim Betrachten und die Freude am Entdecken auch kleinster Bewegung im Bild einen besonderen Wert erhält.

Gemeint ist eine Agenda von Regeln, die man sich erarbeitet hat und die einem durchs Berufsleben hilft, wenn sie klug ist. Deine ist klug, sie gilt großteils auch für mich, weil sie den Regeln des Anstands gehorcht, den man einander zu gewähren hat. Kameraleute müssen anständig sein, dürfen ihre Werkzeuge nicht missbrauchen und müssen Vertrauen gewähren und beweisen. Jede Einstellung erfordert die eigene Haltung zur Umwelt, zu den Menschen, die man abbildet und zum Raum, der durch Menschen gestaltet wurde. Das ist im Dokumentarfilm essentiell, im Spielfilm ist es hilfreich aber nicht immer möglich, weil die Bildaussage sich dem Tenor des Drehbuchs unterordnen muss. Hier liegt der große Vorteil für Kameraleute im Dokumentarfilm, die ich umgangssprachlich gern von der „Doku“ trenne. Dieser selbst erarbeitete Kodex ist der Kern dessen, was später die Schule des DEFA-Dokumentarfilms genannt wurde. Er entstammt vor allem aus der Ablehnung missbrauchbarer Bilder zur Propaganda, entstanden in einer Umgebung ideologischer Zensur, der man sich dadurch zu entziehen versuchte.

Natürlich war es ein Prozess, den Du nicht allein bewältigt hast. Es sind die Weggefährten, mit denen man Lebens- und Arbeitszeit teilt, die diesen Prozess mit Dir teilten. Und wenn ich hier eine unvollständige Namensliste anführe, weiß ich, in ihrer aller Namen zu sprechen, dass sie vor allem von Dir gelernt haben und Dir dafür danken. Danke Christian, dass wir mit Dir arbeiten konnten. Jürgen Böttcher, Karlheinz Mund, Ernst Cantzler, Volker Koepp, Anne Richter, Michael Löwenberg, Frank Löprich, Rolf Liebmann, Jochen Kraußer und Peter Voigt.

Oder mit den Worten Peter Voigts, in Hochachtung an ihn erinnernd: „... Beim näheren Umgang mit Lehmanns Bildern werde ich den Verdacht nicht los, dass es sich hier wahrscheinlich um ‚pantheistische Fotografie‘ handelt. Der Pantheist vermutet die Gottheit in jedem Phänomen. Dies befähigt ihn zu Hochachtung und Gerechtigkeit gegenüber jeglicher Schöpfung und seinem Vermögen. Eine Schnecke, die ihr Haus einen Baumstamm hinauftrüge, mit der Kamera zu überholen, würde Christian Lehmann lange zögern, denke ich. Taktgefühl und Hochachtung beschränken sich bei ihm nicht auf den Mitmenschen, er zollt sie in seinen Bildern aller Kreatur und Kreation: Graugans oder Stuckfigur, Hagebuttenstrauch oder Wehrmachtsbunker, gleichviel – in allem steckt ihm Gott, man sieht es; im Wolkengebilde wie im Wasserglas ...“

Also übernahm ich den Stab von Dir und rannte los mit ihm, und auf halber Strecke bemerkte ich, dass die nächste Generation von Kameraleuten auch Deinen Kodex braucht. Ihn zu kennen und weiterzugeben, ist jetzt meine Arbeit.

Ich beglückwünsche Dich zu diesem Preis, der uns der Verantwortung unserer Arbeit immer bewusst bleiben lässt. Vielen Dank dafür, lieber Christian!

Laudator: Sebastian Richter

Preis für herausragende Leistungen im deutschen Film

Komplizen Film

Janine Jackowski & Jonas Dornbach

Fotografen: Reinhardt & Sommer

Ich freue mich außerordentlich, Euch heute den Preis der DEFA-Stiftung für herausragende Leistungen im deutschen Film verleihen zu dürfen. Umso mehr freue ich mich, weil ich Euch – genau wie der deutsche Film – sehr viel zu verdanken habe. Leider kann ich heute nicht persönlich anwesend sein, weil ich, wie Ihr seht, heute Theater spiele, aber bevor ich gleich auf die Bühne gehe, nur so viel:

Ich erinnere mich noch wie ich im Januar 2005, einen Tag vor dem Casting zu ALLE ANDEREN, extra in die Filmgalerie 451 in der Torstraße gefahren bin, um mir DER WALD VOR LAUTER BÄUMEN auszuleihen, und wie ich am nächsten Tag euphorisiert, aber auch leicht eingeschüchtert zum Vorsprechen gegangen bin, denn ich hatte so etwas bis dahin noch nicht gesehen. Was ich beim Schauen dieses Films erlebt habe, und mit welchen Gefühlen er mich entlassen hat, war für mich völlig neu. Die Hauptfigur, die Lehrerin Melanie Pröschel, stößt den Zuschauer ab, und zieht ihn gleichzeitig an. Es ist immer beides, Sympathie und Antipathie, Identifikation und Distanzierung, Schadenfreude und Empathie, also – im wahrsten Sinne des Wortes – eine Tragikomödie. Diese Ambivalenz, dieses Aushalten von Widersprüchen, ist etwas, das all Euren Filmen und Projekten innewohnt und das diese so herausragend macht. Denn der Widerspruch ist nicht das Ende eines Gedankens, sondern der Anfang. Er öffnet Räume, weil er sich abseits von Klischees und Konventionen bewegt, und vor allem, dem tödlichsten Gift der Kunst, der Logik, verweigert. „Die Widersprüche sind unsere Hoffnung“, wie Bertolt Brecht sagt.

Als ich in der Vorbereitungsphase zu ALLE ANDEREN das erste Mal in Eurem Büro von Komplizen Film war, habe ich gedacht, ich habe es bei Maren mit einer Psychopathin zu tun, weil der ganze Raum mit Post-Its gepflastert war, auf denen einzelne Sätze oder Worte zum Drehbuch standen. Oder wenn ich mich erinnere, wie viele Konstellationscastings ich durchlaufen musste, bis die Besetzung von Birgit Minichmayr und mir feststand, oder wie viele Takes wir pro Einstellung auf Sardinien gedreht haben, bis zu 20 Wiederholungen, sodass wir im 35-mm-Materialverbrauchs-Ranking auf Platz 2, gleich hinter OPERATION WALKÜRE, der damals zeitgleich mit Tom Cruise produziert wurde, rangierten, der immerhin mit drei Kameras gleichzeitig aufgenommen wurde, dann wird der Unterschied zu anderen deutschen Produktionen deutlich.

Ihr seid akribische Pedanten in der Vorbereitung und Ausführung Eurer Produktionen, und das schlägt sich glücklicherweise im Ergebnis nieder. Es unterscheidet Eure Filme von der großen Schwemme an Produktionen, die mit der heißen Nadel gestrickt und hingerotzt sind, und es macht Eure Filme nachhaltig und lässt sie über ihre Spieldauer hinaus wirken. Auch weltweit, denn wie ich aus der Begegnung mit Regisseuren wie Olivier Assayas oder Lena Dunham weiß, zählen auch diese Eure Filme als Referenzpunkte ihres Schaffens. Und ALLE ANDEREN hat bis heute Relevanz und einen gesellschaftlichen Diskurs über Geschlechterrollen angeregt, der Maßstäbe an Authentizität und Realitätsbezug setzt, die weit über die Auseinandersetzung mit einem Filmstoff als reine Unterhaltung, hinaus geht. Und trotzdem haben Eure Filme immer auch eine Künstlichkeit und Eigenart, die sich von allen anderen Produktionen abhebt, artifiziell und ungreifbar bleibt und sich gewohnten Bewertungskriterien und Schubladendenken entzieht. Seien es Filme von Sonja Heiss wie HOTEL VERY WELCOME, HEDI SCHNEIDER STECKT FEST, TABU von Miguel Gomez oder SCHLAFKRANKHEIT von Ulrich Köhler.

Maren, Du hast am Ende der Dreharbeiten von ALLE ANDEREN zu mir gesagt: „Lars, mach jetzt bitte nicht jeden Scheiß“, und das ist mir vielleicht nicht ganz gelungen, aber es ist auch nicht einfach. Ich will ja arbeiten und Arbeit auf Eurem Niveau zu finden, ist nicht so leicht. Marcel Duchamp hat mal gesagt: „Ein Künstler schafft in seinem Leben vielleicht drei Werke von Bedeutung, den Rest kann man vergessen“. ALLE ANDEREN war in meiner Karriere auf jeden Fall eins davon. Ich will jetzt nicht sagen den Rest kann man vergessen, aber ich spüre auf jeden Fall eine Verantwortung, die Qualität an Auseinandersetzung, die Hingabe bis hin zur Selbstaufopferung, aber auch Eure fast anarchische Freiheit und künstlerische Unabhängigkeit nicht zu unterlaufen. Aber damit legt Ihr die Latte halt auch verdammt hoch. Was ich die wichtigste Bestätigung Eurer Arbeitsweise finde ist, dass man den Unterschied im Ergebnis sieht. Und deshalb gebührt Euch völlig zu Recht der Preis für herausragende Leistung im deutschen Film.

Herzlichen Glückwunsch.

Laudator: Lars Eidinger

Preis für junges Kino

Susann Maria Hempel

Susann Maria Hempel

Fotografen: Reinhardt & Sommer

Ausgerechnet ein um düstere Themen kreisender Kurzfilm schreibt seit dem Frühjahr 2014 eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Es geht um Arbeitslosigkeit, Missbrauch, Haft, Gewalt, Einsamkeit, Alkoholismus, um das Abhandenkommen von Gesundheit und Perspektiven. Es geht aber auch um Liebe und Schönheit. Denn allein schon durch die Tatsache, dass es diesen Film gibt, wird das Gegenteil aller Düsternis bewiesen. Susann Maria Hempel nähert sich den Gestrauchelten in ihrer Heimatstadt Greiz, sie schafft es, dass diese sich öffnen. Sie eignet sich das fremde Elend an, verleibt es sich ein und wandelt es in einem fast alchemistischen Akt um. Aus dem Dunkel wird Licht, 18 Minuten lang auf der Leinwand.

SIEBEN MAL AM TAG BEKLAGEN WIR UNSER LOS UND NACHTS STEHEN WIR AUF, UM NICHT ZU TRÄUMEN lautet der lange Titel dieses kurzen, verzaubernden Films. Susann Maria Hempel gewann damit Preise in Dresden, Hamburg, Osnabrück, Oberhausen, Schwerin, Clermont-Ferrand und anderswo und wurde schließlich beim Deutschen Kurzfilmpreis 2014 als Regisseurin des „Besten Experimentalfilms“ geehrt. Diese Erfolgsserie war aus mehreren Gründen überraschend.

Zum einen trat hier scheinbar unvermittelt eine junge Filmemacherin auf den Plan, die bislang in der eng vernetzten Kurzfilmlandschaft kaum in Erscheinung getreten war. Susann Maria Hempel hatte weder an einer der großen Filmhochschulen studiert, noch waren ihre vorherigen Arbeiten gebührend wahrgenommen worden. Natürlich kommt der plötzliche Erfolg der Filmemacherin nicht aus dem Nichts. Vor ihrem Erfolgsfilm liegen mehrere, nicht minder innovative Werke, die konsequent eine eigene Handschrift vorbereiten.

Sämtliche ihrer Kurzfilme zeichnen sich durch strikte stilistische Verschiedenartigkeit aus. Vergleiche zu finden, fällt schwer. Am ehesten scheint noch eine mentale Verwandtschaft zu den großen Animationsfilmern Osteuropas wie Jan Švankmajer, Zbigniew Rybczyński oder Walerian Borowczyk vorzuliegen, die es mitten im Kalten Krieg vermochten, eigene artifizielle Universen zu schaffen und der Tristesse entgegenzuhalten.

Dass Hempel nach ihrem Studium in ihre Heimatstadt Greiz zurückgekehrt ist, entspricht vielleicht einer ähnlich gelagerten, antizyklischen Verweigerungshaltung. Diese autobiografische Basis weist zunächst wenig Erfreuliches auf: Deindustrialisierung, Abwanderung junger Menschen, damit verbundene soziale Erosionen – es fällt schwer, an diesem Ort „blühende Landschaften“ auszumachen. Die kreative Energie und Originalität der Filmemacherin jedoch sind so hoch, dass sie alle Untiefen einer bloßen Beklagung spielend umschiffen. Diese Filme stemmen sich auf bewundernswerte Weise gegen den Trend. Sie setzen Zeichen des Beharrens und Fortführens.

Wenn sich die DEFA-Stiftung nun entschlossen hat, den Förderpreis für junges Kino an Susann Maria Hempel zu übergeben, dann geschieht dies genau aus diesem Grund. Nicht aus Bequemlichkeit – weil man sich ja angesichts so vieler Preise kaum irren kann - sondern, um dieses Beharren zu unterstützen. Wie schnell ist der Erfolg auf Festivals vergessen, wie flüchtig der dort errungene Erfolg?! Es ist aber wichtig, kontinuierlich arbeiten zu können. Dazu kann unser Preis einen kleinen Beitrag leisten.

Laudatoren: Claus Löser und Katrin Schlösser

Programmpreise

Basiskulturfabrik Neustrelitz

Horst Conradt

verantwortlich für das Kinoprogramm der Basiskulturfabrik. Fotografen: Reinhardt & Sommer

Die Basiskulturfabrik in dem Industriedenkmal Alte Kachelofenfabrik am Neustrelitzer Sandberg vereinigt ein Programmkino, eine Galerie und Gastronomie. Das dazu gehörige Öko-Hotel und Gästehaus ermöglicht der Fabrik Kulturevents (im Januar trat Hans-Eckardt Wenzel auf) und mehrtägige Tagungen. Die mehrfach ausgezeichnete Fabrik zeigt klassisches Programmkino: Feste Reihen wie Künstlerporträts, 20 Jahre Arthouse, Mensch! Seele!, film & kulinarisches, Literatur und Film und Stummfilm-Veranstaltungen. Beteiligungen an den jährlichen Interkulturellen Wochen gehören ebenso dazu wie herausragende, zum Teil hochaktuelle Einzelveranstaltungen. So im Sommer zur Griechenlandkrise mit den Filmen WER RETTET WEN? und MACHT OHNE KONTROLLE – DIE TROIKA, in deren zeitlichem Umfeld Jeanine Meerapfel ihren auf der griechischen Insel Symi gedrehten Film ANNAS SOMMER vorstellte oder im Herbst mit der Ökumenischen Arbeitsstelle Rostock, die zu einem entwicklungspolitischen Abend mit dem Film BLACK BROWN WHITE des bekannten Dokumentarfilmregisseurs Erwin Wagenhofer einlud. Ula Stöckl präsentierte im Sommer ihren aktuellen Film DIE WIDERSTÄNDIGEN – „ALSO MACHEN WIR DAS WEITER...“, die Geschichte der Widerstandsbewegung „Die Weiße Rose“. Horst Conradt, der Geschäftsführer der Fabrik, bot Schulklassen an, diesen so wichtigen Film auch außerhalb der regulären Spielzeiten und zu einem vergünstigten Eintrittspreis zu zeigen.

Um dem partizipatorischen Aspekt Genüge zu tun, hat der im Haus agierende Jugendfilmklub eine eigene Programmschiene, dazu gibt es für Besucher die Möglichkeit, Filmwünsche anzubringen. Die im Haus beheimatete Galerie ermöglicht naturgemäß genreübergreifende Veranstaltungen: Im Rahmen des 6. Neustrelitzer Naturfilmfestivals „Mensch! Natur!“ präsentierte sie in Partnerschaft mit dem Müritz-Nationalpark die Foto-Ausstellung „Spuren“ von Kerstin Zegenhagen.

Das in diesem Jahr neu gegründete Kinderfilmfest wird von Kindern für Kinder organisiert, von der Auswahl der Filme, der Entwicklung von thematischen Spielen dazu und der selbstständigen Moderation und Öffentlichkeitsarbeit.

Damit fordert und fördert die Fabrik ihren Nachwuchs, ein kluger Schachzug.

Laudatorinnen: Cornelia Klauß und Dorett Molitor

Bundesplatz-Kino

Peter Latta & Martin Erlenmaier

Betreiber des Berliner Bundesplatz-Kinos. Fotografen: Reinhardt & Sommer

Das Bundesplatz-Kino ist in vielerlei Hinsicht ein „buntes“: Das beginnt bei der Ausstattung. Die fliederfarbene Bestuhlung stammt aus dem Zoopalast, in bordeauxrot schimmert der Vorhang.

„Bunt“ sieht es auch im Vorführraum raus. Neudeutsch nennt man das jetzt „hybrid“. Neben dem Digitalprojektor stehen noch wohlbehalten die 35-mm-Projektoren, die insbesondere für die Retrospektiven gebraucht werden, die in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek gezeigt werden.

„Bunt“ ist auch die Schar deren zu nennen, die als Gäste kommen. Zum Beispiel Gunnar Möller, der 1950 in dem Film DIE JUNGEN VON KRANICHSEE die Hauptrolle spielte, Regisseurinnen wie Ula Stöckl und Helga Reidemeister, und natürlich – geradezu zwingend – Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich, die ihre Langzeitdokumentation BERLIN – ECKE BUNDESPLATZ vor Ort vorstellten.

„Bunt“ im Sinne von vielgestaltig ist auch das Programm. Die Filmreihen sind sorgfältig und ambitioniert kuratiert, sie ergänzen das Arthouse-Programm. Dem Kinderfilm jenseits von Disney und Pixar gebührt besondere Aufmerksamkeit. „Unbunt“ im Sinne von „uncool“ finden es die Kids wahrscheinlich, dass es kein Popcorn gibt. Aber ein bisschen Erziehung darf sein.

Falls all das noch nicht für einen Preis prädestinieren sollte, so haben sich die drei Macher des Bundesplatz-Kinos spätestens mit ihren Reihen zu Ost-West-Themen in die Herzen der Jury gespielt: Sie zeigten die erste Konrad-Wolf-Retro in „West-Berlin“, ehrten Slatan Dudow und Kurt Maetzig, präsentierten NO FUTURE – eine Gegenüberstellung von Filmen über das Jungsein in Ost und West.

Das Wort Kleinod gehört zu jenen Begriffen, die aus unserem Sprachgebrauch zu verschwinden drohen. Im Bundesplatz-Kino erfährt es seine Verlebendigung.

Wir gratulieren Martin Erlenmaier, Peter Latta und Karlheinz Opitz zu ihrem Kleinod.

Laudatorinnen: Cornelia Klauß und Dorett Molitor

Internationales Filmfestival für Kinder und junges Publikum „Schlingel“

Michael Harbauer

Leiter des Chemnitzer Filmfestivals. Fotografen: Reinhardt & Sommer

1995 gründete sich in Chemnitz der Sächsische Kinder- und Jugendfilmdienst e.V., schon ein Jahr später wurde das Festival mit dem schönen Namen „Schlingel“ auf die Beine gestellt. Mit einer kleinen, regionalen Filmschau von zwölf Filmen begann der Verein, heute sind es circa 150 aktuelle Kinder- und Jugendfilme aus aller Welt. Das Festival wandelte sich damit zu einem der größten Publikumsfestivals jenseits des Mainstreams im deutschsprachigen Raum.

Neben den neun Spielorten in Chemnitz gibt es während der sächsischen Herbstferien auch Gastspiele in Leipzig und Freiberg. Die Hommage würdigt Regisseure, die sich um den Kinder- und Jugendfilm besonders verdient gemacht haben: Vacláv Vorlícek, Rolf Losansky, Hans und Christel Strobel, Günter Meyer, Arend Agthe und andere durften sich schon über den Ehrenschlingel freuen.

Das Festival lädt jedes Jahr die Kinderfilmemacher, Redakteure und Vertreter der internationalen Kinderfilmszene ein, über Entwicklungen nachzudenken, um auf diese Leerstellen in der öffentlichen Wahrnehmung der Kinder- und Jugendfilmlandschaft aufmerksam zu machen. Dazu gehört unter anderem die unbeirrte Anregung der eigentlich selbstverständlichen Verankerung von Kinder- und Jugendfilmen in den Fernseh- und Verleihprogrammen. Das immer mal wieder aufflammende Unbehagen über mangelnde Medienkompetenz soll und darf nicht nur Teil von Sonntagsreden bleiben, sinnreiche Verknüpfungen zwischen Schule, Elternhaus und Kino sind gefragt. Der parallel eingeführte Schulkinotag bietet dafür ein wunderbares Podium. Für die Kinder gibt es eine Kreativmeile, sie können sich im Umgang mit der Trickboxx versuchen oder auch als Festivalreporter für das Schlingel-TV berichten. Eine Europäische Kinderjury aus verschiedenen Nationalitäten verleiht den Europäischen Kinderfilmpreis.

Nach dem Festival ist vor dem Festival: Eine Auswahl europäischer Produktionen geht nach dem Festival unter dem Motto „Kurze Wege für kurze Beine“ auf Tour durch Sachsen. So fanden in diesem Jahr Vorführungen von Taschkent, Samarkand über Zlín bis Tel Aviv statt. Ein beeindruckendes Konzept, dessen Nachhaltigkeit hier auch ausgezeichnet werden soll.

Herzlichen Glückwunsch!

Laudatorinnen: Cornelia Klauß und Dorett Molitor

Fotogalerie

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