DEFA-Chronik für das Jahr 1947
Januar 1947
In Wien wird der erste DEFA-Spielfilm DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (R: Wolfgang Staudte) gezeigt.
(Neue Film-Welt, 1/1947)
28.-29. Januar
Anton Ackermann referiert über „Die geistige Situation der Gegenwart“ und Richard Weimann über „Die nächsten Aufgaben unserer Kulturarbeit “ auf der Kulturtagung der SED in Berlin.
(Geschichte der SED, Abriss, Berlin 1978, S. 153-154; ND, 2. Februar 1947 S. 4; ND, 12. Februar 1947, S. 4)
Februar 1947
4. Februar
Der sowjetische Spielfilm WIR AUS KRONSTADT (OT: MY IS KRONSCHTADTA, R: Jefim Dsigan, 1936), für den der Schriftsteller Friedrich Wolf den deutschen Text schrieb, wird in Deutschland uraufgeführt.
(DEFA-Betriebsgeschichte 1981, Teil 1, S. 63)
11. Februar
Der sowjetische Film DER SCHWUR (OT: KLJATWA, R: Micheil Tschiaureli, 1946) eine der ersten Nachkriegsproduktionen kommt in die deutschen Kinos. Der im Kinostudio in Tiblissi gedrehte Film wurde von Kurt Maetzig, Erich Freund, Hans Heise und Georg Rothkegel in einem neuen Verfahren, dem akustischen Kommentar, synchronisiert.
(DEFA-Betriebsgeschichte 1981, Teil 1, S. 62; ND, 12. Februar 1947, S. 3; ND, 13. Februar 1947, S. 3; BZ Nr. 31, 7. Februar 1947)
23. Februar
Deutsche Erstaufführung des sowjetischen, am Len-Film-Studio produzierten Films DIE GROSSE WENDE (OT: WELIKIJ PERELOM, R: Friedrich Ermler, 1945). Der Schriftsteller Theodor Plievier verfasste gemeinsam mit dem Spielfilmregisseur Eugen York den deutschen Text.
(DEFA-Betriebsgeschichte 1981, Teil 1, S. 63)
März 1947
1. März
Auf Anregung von Herbert Volkmann überträgt die SMAD der DEFA acht Villen in Neubabelsberg, Stubenrauchstraße/Rudolf-Breitscheidstraße als Dienstwohnungen und Gästehäuser für leitende Angestellte. Dahinter steckt die Absicht, ihnen sowohl Wohnraum in Arbeitsnähe zur Verfügung zu stellen als auch, dass die leitenden Angestellten in dieser Künstlerkolonie einen möglichst engen Kontakt zueinander erhalten. Die DEFA verwaltet diese Häuser bis 1953. Erste Mieter sind Alfred Lindemann, Karl Hans Bergmann, Kurt Maetzig, Willy Schiller, Herbert Volkmann, Hanns Julius Wille, Günther Matern, Gerhard Dengler. Die Villen waren - wie viele andere in Neubabelsberg auch - nach Kriegsende durch die SMAD für die Delegationen der Potsdamer Konferenz beschlagnahmt worden. Die Eigentümer und die zahlreich untergekommenen Flüchtlinge mussten deshalb am 2. Juli 1945 innerhalb von zwei Stunden die Häuser räumen und das Areal verlassen.(Volkmann an Dymschitz 6. Juni 1946: BArch DR 2/1038; DEFA Haus- und Grundstücksverwaltung 1947: BA DR 117/52734; DEFA Revisionsbericht, Mietverträge zum 31. Dezember 1948: DR117/33190; Gezahlte Mieten 1949: BA DR 117/53175; vgl. Gerhard Dengler: Zwei Leben in einem. Militärverlag der DDR. Berlin 1989. 1. Auflage, S. 239; vgl. Bergmann, Karl Hans, Der Schlaf vor dem Erwachen, DEFA Stiftung, 2. bearb. Auflage 2004, S. 355; Jörg Limberg (Denkmalsamt Potsdam): Neubabelsberg. Geschichte und Architektur einer Potsdamer Villenkolonie. Wernersche Verlagsgesellschaft Worms 2021, S. 52)
21. März
Die 5. Weltjugendwoche für ein geeintes demokratisches Deutschland wird in den Kammerspielen Berlin eröffnet.
(ND, 22. März 1947, S. 3)
31. März
Premiere des ersten DEFA-Lustspielfilms KEIN PLATZ FÜR LIEBE (R: Hans Deppe, 1947).
(DEFA-Spielfilme 1946-1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR; ND, 2. April 1947, S. 3; BZ, 2. April 1947, S. 3)
April 1947
1. April
Beginn der Aufnahmen für WOZZECK (R: Georg C. Klaren, Ton: Dr. Klaus Jungk, 1947), den ersten vollständig auf Magnetton aufgezeichneten Spielfilm der Welt. Der Magnetton löst in den Folgejahren den Lichtton ab.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 26)
Mai 1947
2. Mai
Uraufführung des ersten DEFA-Kriminalfilms RAZZIA (R: Werner Klingler, 1947)
(DEFA-Spielfilme 1946-1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR; ND, 4. Mai 1947, S. 3; ND, 7. Mai 1947, S. 3)
Juni 1947
6.-9. Juni
Die DEFA veranstaltet im Auftrag aller vier Besatzungsmächte in Babelsberg und Berlin den „Ersten deutschen Filmautoren-Kongreß“. Über 100 Filmautoren, -regisseure und -dramaturgen aller vier Besatzungszonen diskutieren über Filmdrehbuch- und Filmrechteverträge und führen „Aussprachen zur Fundamentierung des deutschen Films“. Den Vorsitz hat Klaus Gysi als Vertreter des Kulturbundes. Das Motto des Kongresses lautet „Der Film ist das völkerverbindende Band des Friedens“. Das einleitendes Referat hält DEFA-Direktor Alfred Lindemann zur „Lage des deutschen Films“.
(Der deutsche Film. Fragen, Forderungen, Aussichten. Verlag Bruno Henschel und Sohn, Berlin, 1947; ND, 5. Juni 1947, S. 3; Neue Film-Welt, 1/1947; DEFA-Betriebsgeschichte 1981, Teil I, S. 73ff; Christiane Mückenberger: Zeit der Hoffnungen 1946-1949 In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 25)
14. Juni
Die Deutsche Film GmbH verlegt ihren juristischen Sitz von Berlin nach Potsdam. Die vier Filmateliers der Tobis-Filmkunst GmbH / Tobis Syndikat GmbH in Berlin Johannisthal bilden aber zunächst weiterhin die Hauptproduktionsbasis der DEFA.
(DEFA-Betriebsgeschichte 1981, Teil I, S. 69)
August 1947
Die DEFA leistet dem italienischen Regisseur Roberto Rosselini technische Unterstützung bei den Dreharbeiten zu seinem Film DEUTSCHLAND IM JAHRE NULL (1947).
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 29)
September 1947
20. September
Alfred Lindemann präsentiert auf der Internationalen Filmwoche in Basel/Schweiz den Film EHE IM SCHATTEN (R: Kurt Maetzig, 1947) und stellt in Überschreitung seiner Kompetenzen und entgegen seiner Schutzbehauptung einem US-amerikanischen Verleiher eine kopierfähige Lavendel-Kopie zur Verfügung. Zu dieser Zeit hat aber allein die sowjetische Sovexportfilm das Recht zum Filmverleih. Der Vorgang ist Anlass einer Überprüfung der Geschäftsführung Lindemanns durch die Personalpolitische Abteilung des ZK der SED.
(Günter Jordan: Die Fabrik oder Der Fall Alfred Lindemann In. apropos: Film - Jahrbuch der DEFA-Stiftung 2000; Karl Hans Bergmann: Der Schlaf vor dem Erwachen, DEFA-Stiftung 2. bearb. Auflage 2004 S. 364ff)
Oktober 1947
3. Oktober
Premiere des DEFA-Spielfilms EHE IM SCHATTEN (R: Kurt Maetzig, 1947), der in allen vier Sektoren Berlins gleichzeitig uraufgeführt wird: im „Filmtheater am Friedrichshain“ (sowjetisch), im „Cosima“, Friedenau (amerikanisch), im „Prinzenpalast“, Gesundbrunnen (französisch) und in der „Kurbel“, Charlottenburg (britisch).
Der nach Hans Schweikarts Novelle „Es wird schon nicht so schlimm“ entstandene Film basiert auf dem Schicksal der Familie des populären Schauspielers Joachim Gottschalk, die aufgrund der drohenden Deportation der jüdischen Ehefrau, der Schauspielerin Meta Wolff, und ihres Sohns durch die Nationalsozialisten 1941 in Berlin den Freitod wählt. EHE IM SCHATTEN ist der erste deutsche Spielfilm über die Judenverfolgungen in der NS-Zeit und erreicht bis 1950 circa zehn Millionen Zuschauer. Es ist das Spielfilmdebüt Kurt Maetzigs, dem das Thema auch durch den Selbstmord seiner jüdischen Mutter am Herzen lag. Unterstützt wird die Arbeit des Regieneulings durch den politisch belasteten Wolfgang Schleif, der bei der Ufa Regieassistent war. Schleif wird deshalb bei dieser ersten Arbeit nicht in den Credits genannt. Schleif ist nur ein Beispiel für die Weiterbeschäftigung von Filmschaffenden verschiedener Gewerke aus der Ufa-Zeit.
(ND, 3. Oktober 1947, S. 3; ND, 5. Oktober 1947, S. 3; Berliner Zeitung 5. Oktober 1947, S. 3; DEFA-Spielfilme 1946-1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR; Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam 2012, S.121; Ralf Schenk: Zwischen den Zonen. „Ehe im Schatten“ und andere Filme zwischen Ost und West. filmdienst 21/1997)
23. Oktober
Der Befehl 174 der SMAD verpflichtet die Landesregierung Brandenburg zur faktischen Übergabe des ehemaligen Ufa-Filmgeländes in Babelsberg „zwecks Befriedigung der Reparationsansprüche der UdSSR aus deutschem Besitz“. Die sowjetische Kontrolle über das Filmgelände übt das „Technische Büro für Kinematografie“, eine Institution beim Rat der Volkskommissare der UdSSR, aus. Ihren Sitz in Babelsberg nimmt auch die sowjetische Aktiengesellschaft „Linsa“ auf, zu deren Kompetenzbereich alle Filmunternehmen in den von der Sowjetunion besetzten Gebieten gehören, einschließlich Verleih, Kopierwerke und Spielstätten. Die „Linsa“ untersteht der Leitung der Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) in Berlin-Weißensee.
(„Babelsberg – ein Filmstudio, 1912-1992“, Argon Verlag Berlin, 1992, S. 247 ff; Übergabe der Filmproduktionsstätte „Ufa“ als Teil der Reparationsleistungen Deutschlands an die U.d.S.S.R. Befehl Nr. 174/1947 vom 29. Oktober 1947; SMAD-Befehl Nr. 174 vom 23. Oktober 1947 (BArch, DX 1/Nr. 174; BLHA, Quellen, Bd. 11; BLHA, Ld.Br.Rep. 202A Büro des Ministerpräsidenten Nr. 85.; Günter Jordan: Film in der DDR Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 29)
November 1947
11. November
Die Sowjetunion nimmt 1947 mehrere Betriebe, die ihr als Reparationsleistungen zugesprochen werden, von der Demontage aus und wandelt sie in Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) um. Dies betrifft auch die DEFA.
(Bundesarchiv Internet - Gründung der DEFA , abgerufen am 4. November 2022)
So wird die Deutsche Film GmbH (das Firmenzeichen DEFA bleibt erhalten) ebenfalls in eine sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft nach deutschem Aktienrecht umgewandelt. SAG, obwohl im deutschen Handelsregister eingetragen, gelten als exterritorial, zahlen keine Steuern und unterliegen nicht der Publizitätspflicht. Deutsche Behörden sind nicht befugt zur Buchprüfung. Das Stammkapital wird vom SED Parteibetrieb ZENTRAG übernommen und von 21.000 auf 10 Millionen Reichsmark erhöht. Der deutsche Anteil am (fiktiven) Stammkapital beträgt 4,5 Millionen RM, der sowjetische 5,5 Millionen RM. Als deutsche „Aktionäre“ fungieren Alfred Lindemann, Herbert Volkmann und Kurt Maetzig (anstelle von Karl Hans Bergmann).
(Karl Hans Bergmann: Der Schlaf vor dem Erwachen, DEFA-Stiftung 2. bearb. Auflage 2004 S. 358)
Die Aktionäre verpflichten sich, ihre Gesellschafterfunktion „unwiderruflich“ lediglich als Treuhänder der SED auszuüben und sich „im Rahmen des Gesellschaftervertrages an deren Weisungen widerspruchslos zu halten. In allen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung ist jeweils die Entscheidung der Treugeberin einzuholen.“ Im Sonderabkommen zum Gründungsvertrag heißt es: „Die Personalpolitik der DEFA wird in Übereinstimmung mit der zuständigen Abteilung beim Zentralvorstand der SED durchgeführt.“
Zum Vorstand der gemeinsamen Gesellschaft werden von deutscher Seite Alfred Lindemann, Hans Klering, Kurt Maetzig und Karl Hans Bergmann (siehe Betriebsgeschichte S. 83) bestimmt. Von sowjetischer Seite Alexander Wolkenstein (Generaldirektor Sojusintorgkino/Sovexport) und der Filmregisseur Ilja Trauberg. Der Aufsichtsrat mit 9 Mitgliedern wird entsprechend dem Verhältnis der Aktienanteile besetzt.
(DEFA-Betriebsgeschichte Teil I, S. 82ff; vgl. Karl Hans Bergmann: Der Schlaf vor dem Erwachen, DEFA-Stiftung 2. bearb. Auflage 2004 S. 358; Christiane Mückenberger: Zeit der Hoffnungen 1946-1949 In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 24f)
Beim Zentralsekretariat der SED wird bereits am 10. November eine Filmkommission (DEFA-Kommission) gebildet. Kommissionsmitglieder sind: Anton Ackermann (Vorsitzender), Otto Meier, Erich Gniffke, Paul Wandel, Gustav von Wangenheim u.a. Diesem Gremium mussten in Zukunft die Produktionsplanung der DEFA, sowie der Rohschnitt und Endfassung der Filme vorgelegt werden. Die politische Kontrolle der DEFA, die zuvor vor allem von weitgehend liberal denkenden sowjetischen Kulturoffizieren ausgeübt wurde, gerät in ein neues Stadium.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 31)
Karl Hans Bergmann scheidet als Gesellschafter und Vorstand aus. Seine Aufgabe Wirtschaft und Verwaltung geht an Alfred Lindemann, bzw. in dessen Auftrag an Günther Matern über. Bergmann erhält Prokura und übernimmt zunächst die Leitung der Abteilung Presse und Information der DEFA und die Leitung des am 9. Juli 1947 gegründeten „Deutscher Filmverlag“ (Herausgeber der Monatsschrift „Neue Filmwelt“ und „Bild und Ton“).
(DEFA-Betriebsgeschichte 1981, Teil I, S. 84; Günter Jordan: Film in der DDR Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 121, 340; vgl. Karl Hans Bergmann: Der Schlaf vor dem Erwachen, DEFA-Stiftung 2. bearb. Auflage 2004 S. 358f)
Dezember 1947
1. Dezember
Die seit Kurt Maetzigs Dreharbeiten zu EHE IM SCHATTEN als Chefredakteurin des „Augenzeugen“ eingesetzte Marion Keller wird nun offiziell mit dieser Aufgabe bertraut.
(Günter Jordan: Film in der DDR Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung, 2013, S. 160)
17. Dezember
Premiere des DEFA-Spielfilms WOZZECK (R: Georg C. Klaren, 1947), als albtraumhaft-fiebrige Anklage des Militarismus mit expressiven Motiven, die an deutsche Stummfilmklassiker denken lassen. Anlässlich von WOZZECK kommt es zu ersten ideologischen Kontroversen, da Klarens Metaphorik bei einigen sowjetischen Beratern nicht gut ankommt. Sie wittern „Formalismus“; ein Begriff, der in der sowjetischen Kulturpolitik häufig dafür benutzt wird, um Formexperimente, die sich nicht dem Kanon des so genannten „Sozialistischen Realismus“ unterwerfen, zu kritisieren oder gar zu verbieten.
(ND, 19. Dezember 1947, S. 3; in: DEFA-Spielfilme 1946-1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR; vgl. Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam 2012, S.121; Ralf Schenk: Bilder des Jahrhunderts. Eine kleine DEFA-Spielfilmgeschichte In: Website der DEFA-Stiftung . Abruf 1. September 2022)