Filmstill zu "Mein lieber Robinson"

DEFA-Chronik für das Jahr 1953

 

Januar 1953

1. Januar

Die Deutsche Filmgesellschaft mbH wird in Volkseigentum überführt und in sieben eigenständige Betriebe gesplittet:

  • DEFA-Studio für Spielfilme mit Sitz in Potsdam-Babelsberg,
  • DEFA-Studio für Kinderfilme mit Sitz in Potsdam-Babelsberg,
  • DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme mit Sitz in Potsdam-Babelsberg,
  • DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme mit Sitz in Berlin,
  • DEFA-Studio für Synchronisation mit Sitz in Berlin-Johannisthal,
  • DEFA–Kopierwerke mit Sitz in Berlin-Köpenick,
  • DEFA-Filmübernahme- und Außenhandelsbetrieb mit Sitz in Berlin.

Die Betriebe unterstehen unmittelbar dem Staatlichen Komitees für Filmwesen beim Ministerrat der DDR.

Das DEFA-Studio für Kinderfilme wird entgegen der Verordnung nicht separat, sondern als Produktionsgruppe im DEFA-Studio für Spielfilme eingerichtet.

(Gesetzblatt der DDR, Nr.52/1953 , S. 574, „Verordnung über die Bildung volkseigener Filmproduktionsbetriebe“ vom 16. April 1953; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 74; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen , Filmmuseum Potsdam, 2. Überarbeitete Fassung 2013, S. 136)

5. Januar

In der Bundesrepublik Deutschland bildet sich der „Interministerielle Ausschuss für Ost/West-Filmfragen“, der die bundesdeutsche Bevölkerung vor „feindlicher Propaganda“ durch Ostblock-Filme schützen soll. Bundeskanzler Adenauer wünscht sich einen harten Kurs bei der Nichtzulassung von Ostblockfilmen.

Das als „streng vertraulich“ eingestufte Protokoll der Sitzung vom 5. Januar 1953 formuliert die Aufgabe des Ausschusses: Zukünftig sollen in der Bundesrepublik nur noch Filme zu sehen sein, „die inhaltlich politisch einwandfrei sind“. Ein Prüfungsausschuss ist einzurichten, dem die Kontrolle der Filme obliegt. Bedingungen für „nicht öffentliche, unentgeltliche“ Vorführungen von Filmen, zum Beispiel in Filmclubs, werden festgelegt. „Anträge von Organisationen, gegen die politische Bedenken bestehen“, sollen ausnahmslos abgelehnt werden. Dem Ausschuss wird jedoch das Recht übertragen, „Filme politisch bedenklichen Inhalts zu einmaliger Vorführung in geschlossenem Kreis freizugeben“. Den Vorsitz im Ausschuss übernimmt das Bundeswirtschaftsministerium. Es ist dafür zuständig, dem jeweiligen Antragsteller die Entscheidung des Ausschusses zu übermitteln – allerdings ohne sie inhaltlich begründen zu müssen.

In den kommenden Jahren sichten im Durchschnitt etwa 10 bis 20 Beamte aus unterschiedlichen Ministerien und Bundesämtern die Filme. Seine eigentliche Arbeit nimmt der Ausschuss im Dezember 1953 auf. In den folgenden Jahren tagte das Gremium regelmäßig, meist ein bis zwei Mal pro Monat, mitunter auch häufiger, je nachdem, wie viele Filme zur Prüfung vorliegen.

In den Jahren 1954 bis 1967 bewertet der Ausschuss insgesamt 634 Filme aus der DDR, überwiegend Produktionen aus den verschiedenen DEFA-Studios. Von diesen Filmen werden 522 ohne Beanstandung freigegeben – 66 erhalten keine Freigabe, in 39 weiteren Fällen werden die Produktionen nur mit Einschränkungen, das heißt mit Schnittauflagen oder für einen bestimmten Zuschauerkreis freigegeben. Von den zensierten Filmen erhalten 19 Filme nach einer erneuten Prüfung eine vollständige und fünf eine eingeschränkte Freigabe.

Anders gesagt, erhält durchschnittlich jeder fünfte ostdeutsche Film, der dem Ausschuss eingereicht wird, keine direkte Freigabe. In manchen Jahren liegt die Quote noch deutlich höher. 1956 wird fast die Hälfte aller DEFA-Filme vom Ausschuss unter politischen Gesichtspunkten beanstandet. Eine Entspannung zeichnet sich erst ab Mitte der 1960er-Jahre ab.
(Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V., Filmzensur WEST-OST. Der interministerielle Ausschuss und die Zensur von DEFA-Filmen in der Bundesrepublik Deutschland , Online-Datenbank, 2018, Abruf 14. April 2023)

20. Januar

Die Abteilung „Schöne Literatur und Kunst, Sektor Film“ beim ZK der SED legt eine Übersicht über die politische Lage in den Filmbetrieben vor. Im DEFA-Studio für Spielfilme sind zwar von 1.950 Beschäftigten circa 14 Prozent Mitglied bzw. Kandidaten der SED, diese werden aber zu wenig aktiv. Die Teilnahme am Parteilehrjahr ist mangelhaft. Positiv wird hervorgehoben, dass in den einzelnen Produktionsstäben Parteiaktivs gebildet wurden, sodass die Parteileitung des Studios jetzt unmittelbar mit der Produktion verbunden ist. Die Genossen des Drehstabs zum Film ERNST THÄLMANN – SOHN SEINER KLASSE (R: Kurt Maetzig) seien dabei Vorreiter.

In Bezug auf gegnerische Einflüsse stehe das Parteiaktiv vor verantwortlichen Aufgaben. So konnte durch ihre Fachleute nachgewiesen werden, dass die Ursache für die unbrauchbaren letzten Musterstreifen des THÄLMANN-Films darin liegt, dass im Farbfilmkopierwerk Köpenick die Bänder in so falscher Mischung angesetzt wurden, wie es noch nie vorgekommen ist. Die Arbeit des Klassengegners, ganz besonders im DEFA-Studio für Spielfilme, sei unverkennbar.

Für das DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme zählt der Bericht 304 Belegschaftsmitglieder, davon 74 Mitglieder und 7 Kandidaten der SED und im DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme einschließlich der Außenstellen und des Medizinfilms 258 Belegschaftsmitglieder, davon 62 SED-Mitglieder.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 76ff)

Februar 1953

Sepp Schwab, Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Filmwesen, empfängt Richard Groschopp zum Gespräch über die Etablierung einer satirisch-humoristischen Kurzfilmreihe.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 78)

1. Februar

Die Arbeitsgruppe Satirischer Kurzfilm „Das Stacheltier“ wird im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme Berlin-Johannisthal gegründet. Sein Markenzeichen entsteht unter Beteiligung von Günter Klaass, dem Leiter der Titel-/Trickabteilung in Johannisthal, sowie der Musikredakteure Kurt Grottke und Walter Raatzke.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 79)

Die Redaktion der Zeitung „Neues Deutschland“ bittet ausgewählte Filmschaffende drei Fragen zu beantworten, die zeigen, welche Schwachstellen das Publikum an den DEFA-Produktionen bemängeln:

Drei Fragen:

  1. Sind die DEFA - Filme spannend, das heißt fesselnd, erregend, und worauf beruht die Spannung im Film?
  2. Warum gibt es keine Liebe in den Filmen?
  3. Warum werden keine Filmlustspiele geschrieben?

(Kurt Maetzig zur 2. Frage: ND vom 1. Februar 1953, S. 4; Kurt Stern zur 1. und 2. Frage: ND vom 10. Februar 1953, S. 4; Hedda Zinner zu den 3 Fragen: ND vom 12. Februar 1953, S. 4)

März 1953

5. März

Josef Stalin stirbt. Die intensiven Vorbereitungen für den Film „Stalin und die deutsche Nation“ nach einer Vorlage von Alexander Abusch werden kurz nach Stalins Tod eingestellt. Ähnlich ergeht es auch einem von Stephan Hermlin gefertigten Manuskript BAUMEISTER DES SOZIALISMUS WALTER ULBRICHT (R: Ella Ensink, Theo Grandy) zu Ehren des 60. Geburtstags von Walter Ulbricht. Der Film kommt zu DDR-Zeiten nicht zur Aufführung.

39 Spiel- und Dokumentarfilme, weit über 100 Kurzfilme und Pioniermonatsschauen sowie einige Augenzeugen werden vom Progress-Filmverleih aus dem Verkehr gezogen bzw. nachgeschnitten. Entfernt werden zahlreiche Verherrlichungen Stalins und aggressive Propaganda gegen Westdeutschland.
(Günter Jordan: Die frühen Jahre In: Schwarzweiß und Farbe, DEFA-Dokumentarfilme 1946-92. Filmmuseum Potsdam 1996, S. 50f)

27. März

Die DEFA bittet zum wiederholten Male das Staatliche Komitee für Filmwesen um kleinste Beträge an Westgeld, unter anderem werden bei den Dreharbeiten zu DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK Südfrüchte benötigt. Bedarf besteht auch an Schminke für empfindliche Haut und an Gummimilch für den THÄLMANN-Film.

Mitarbeiter, die Westgeld oder Westverwandte haben, wie zum Beispiel Adolf Fischer, besorgen mehrfach solche Westprodukte und verauslagen das Geld, damit die Filmproduktion weitergeht. Das DEFA-Studio für Spielfilme schlägt vor, dass der DEFA ein Jahreskontingent von 10.000 DM-West zur Verfügung gestellt wird. Eine Antwort ist nicht bekannt.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 79ff)

April 1953

1. April

Das Dorf Mestlin, Kreis Parchim, gründet am 21. August 1952 eine der ersten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Die rechtliche Grundlage dazu wurde auf der II. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 gelegt. Die DEFA dreht darüber den Dokumentarfilm ERWACHENDES LAND (R: Kurt Stanke), der am 1. April 1953 uraufgeführt wird.

Der veränderte politische Kurs ist an der Entstehungsgeschichte dieses Films exemplarisch ablesbar. Noch im Dezember 1952 legt der Künstlerische Rat des Dokumentarfilmstudios dem Regisseur nahe, (überlegene) Aussaatmethoden der Genossenschaften einzubauen. Nach dem „Neuen Kurs“ endet der „Werbefilm“ für die Kollektivierung mit einem Zugeständnis an die Einzelbauern.
(Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der SED, Berlin, 1952, S. 20-122; DEFA 1946-1964 Studio für populärwissenschaftliche Filme (und Vorläufer) FILMOGRAFIE, Henschel Verlag Berlin 1997, S. 39; Günter Jordan: Die frühen Jahre In: Schwarzweiß und Farbe, DEFA-Dokumentarfilme 1946-92. Filmmuseum Potsdam 1996, S. 50f)

9. April

Der Dokumentarfilmregisseur Andrew Thorndike wird mit einem gefälschten Telegramm familiären Inhalts zur Reise nach West-Berlin veranlasst, dort wegen „Verdachts der Beihilfe zum Landesverrat an der Bundesrepublik Deutschland“ verhaftet und nach Karlsruhe gebracht. Nach internationalen Protesten gegen dieses Vorgehen wird Thorndike im Juli 1953 wieder freigelassen.
(CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film 1984ff edition text+kritik im Richard Boorberg Verlag, München; Neue Filmwelt 06/1953)

10. April

Premiere des DEFA-Spielfilms DIE UNBESIEGBAREN (R: Artur Pohl) über die Geschichte der Sozialdemokratie und der deutschen Arbeiterbewegung nach einer Idee von Heino Brandes. Der Film positioniert sich gegen die Politik der westdeutschen SPD.
(Deutsche Filmkunst, 2/1953, S. 148-167, 1/1955, S. 15; DEFA-Pressedienst, 1/1953; Neue Film-Welt, 9/1952, S. 20, 11 /1952, S. 8, 5/1953, S. 3-4; DEFA-Spielfilme 1946-1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 46; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 78)

Mai 1953

1. Mai

Die Satire-Reihe DAS STACHELTIER wird auf der Freilichtbühne Berlin-Wuhlheide sowie in den Kinos Babylon und Kastanienallee getestet. Der Erfolg ist groß. „Das Stacheltier“ wird als regelmäßiger Beifilm zu Wochenschau und Spielfilm etabliert. Leiter der Gruppe wird ab 1. Mai 1953 Georg Honigmann.
(Deutsche Filmkunst, 3/1953, S. 136-142; Neue Film-Welt 7/1953, 11/1953, S. 18; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen , Filmmuseum Potsdam, 2. Überarbeitete Fassung 2013, S. 162, 136; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 79)

1. Mai

Die in West-Berlin ansässigen DEFA-Mitarbeiter bekommen einen Teil ihres Gehaltes in Mark der DDR. Mit diesem Geld können sie personengebunden im Osten einkaufen und die Waren über die Grenze nach West-Berlin mitnehmen. Zum 1. Mai gelingt es der DEFA, dass die dazu notwendigen staatlichen Bescheinigungen von Wolfgang Staudte, Wolfgang Schleif, E.W. Fiedler und anderen auf deren Ehefrauen übertragen werden, da diese die Haushalte führen. Das ist laut Gesetz aber nur möglich, wenn die Männer selbst auf dieses „Privileg“ verzichten. Es gelingt nicht, die in West-Berlin ansässigen Mitarbeiter auf diesem Weg von einem Umzug in den Osten zu überzeugen.

Am 11. Mai resigniert der Regisseur  Wolfgang Schleif ob dieser bürokratischen Schwierigkeiten und beendet seine Tätigkeit bei der DEFA.
(Ralf Schenk: Mitten im kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 80f)

22. Mai

Den Heinrich-Greif-Preis 1953 erhalten:

  • I. Klasse: Filmkollektiv des DEFA-Dokumentarfilms 1952 - DAS ENTSCHEIDENDE JAHR um Regisseur Joop Huisken, Autor Karl Gass und Kameramann Hans-Ulrich Männling.
  • II. Klasse: Filmkollektiv des DEFA-Dokumentarfilms BLAUE WIMPEL IM SOMMERWIND um Regisseur Herbert Ballmann, Kameramann Götz Neumann, Chef-Schnittmeisterin Ella Ensink und Lichtbestimmungstechniker Günter Kamp.
  • III. Klasse: Kollektiv für die ausgezeichnete Synchronisation des tschechoslowakischen Films DER KAISER UND SEIN BÄCKER (OT: CISARUV PEKAR - PEKARUV CISAR) um Regisseur Johannes Knittel, Autorin Hildegard Heyne, Schauspieler Willy A. Kleinau, Tonmeister Erwin Kropf, Kopiermeister Paul Schulz und Schnittmeisterin Margit Weintraub.

(Neue Film-Welt, 7/1953, S. 23; Deutsche Filmkunst, 2/1953, S. 6)

Juni 1953

Die Zeitschrift „Deutsche Filmkunst“ erscheint erstmals. Sie wird vom Staatlichen Komitee für Filmwesen bis 1962 herausgegeben.
(Deutsche Filmkunst, 1/1953, S. 4-9)

11. Juni

Die „Zentrale Schule für Filmvorführer“ in Halle/Saale wird auf Beschluss des Ministerrates der DDR gegründet. Sie untersteht dem Staatlichen Komitee für Filmwesen. Direktor der Schule wird Heinz Krobitzsch.
(Chronik, Zentrale Betriebsschule des Lichtspielwesens, o. J.)

17. Juni

Bei der DEFA in Babelsberg gibt es wie im ganzen Land Unruhen. Beschäftigte der DEFA schlagen vor, gemeinsam mit den Arbeitern vom benachbarten Lokomotivbau „Karl Marx“ ins Potsdamer Zentrum zu ziehen – als Marschblock von 4.000 Menschen. Da von der Direktion nur Albert Wilkening und die neue Kaderleiterin Lea Grosse im Studio sind, tritt Lea Große, Jüdin und Kommunistin, die mehrere Jahre eingekerkert war, ans Mikrofon, um die Situation zu entschärfen.

Der Hauptdirektor der DEFA, Hans Rodenberg, ist am 17. Juni in Berlin zur Besprechung bei seinem Vorgesetzten Sepp Schwab. Er fährt erst am 18. Juni nach Babelsberg. Er sieht, dass diskutiert und nicht gearbeitet wird und dass die Situation jeden Moment eskalieren kann. Er redet fast zwei Stunden vor über 1.000 DEFA-Leuten - zunächst im Freien und dann, als es zu regnen beginnt, in der Mittelhalle. Er ist ein guter Rhetoriker, der kein Manuskript braucht. Rodenberg erklärt die Situation der DDR, er argumentiert und hört sich die Forderungen der Arbeitenden an: kontinuierliche Arbeit, bessere Entlohnung, bessere soziale Bedingungen, bessere Einkaufsmöglichkeiten im Studio, eine Überprüfung des Normen- und Prämiensystems, weniger Überstunden. Ein Teil der ohnehin niedrigen Löhne ist zum 1. Januar 1953 zurückgestuft worden und die Spesensätze für Außenaufnahmen sind zu gering.

Die Wut der DEFA-Beschäftigten richtet sich insbesondere gegen Wirtschaftsdirektor Dr. Hans-Joachim Schoeppe, ein ehemaliger Wehrmachtsoffizier, der die Maßnahmen mit den Worten: „Hier gibt es keine Diskussionen“, durchgedrückt hatte. Rodenberg versucht den Spagat zwischen den politischen und ökonomischen Zielen des Landes - für die er und auch Schoeppe stehen - und den persönlichen Interessen der Beschäftigten. Er sagt. „Wenn Herr Schoeppe Ihnen diese Antwort gegeben hat, dann kann er nicht länger Direktor dieses Betriebes sein.“ Schoeppe, der neben Rodenberg steht, verlässt daraufhin bleich die Tribüne.

Die Sowjetunion bietet noch am 18. Juni Hilfe mit Panzern an, die aber nicht mehr erforderlich ist. Es wird nicht gestreikt und etliche der Forderungen der Beschäftigten werden in den nächsten Monaten erfüllt: Arbeitsabläufe werden optimiert, eine Fleischverkaufsstelle sowie eine Näh- und Flickstube werden eingerichtet. Außerdem werden verstärkt Einzelverträge abgeschlossen, um die künstlerischen und technisch-wissenschaftlichen Mitarbeitenden – die Intelligenz - enger an die DDR zu binden. Sie erhalten außertarifliche Löhne, einen erhöhten Kündigungsschutz, Garantien für Studienplätze der Kinder oder Hilfe bei der Wohnraumbeschaffung.

Im DEFA-Kopierwerk wird als einzigem DEFA-Betrieb gestreikt.

Landesweit gehen mehr als eine Million Menschen auf die Straße, rund 15.000 werden sofort verhaftet, 1.500 davon auch zu teilweise sehr hohen Haftstrafen verurteilt. Rund 50 Menschen sterben.

(Lea Große, Kaderleiterin der DEFA Ende 1952 bis 1954 im Gespräch mit Ralf Schenk, Berlin 1993, Filmmuseum Potsdam, Sammlungen In: Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 81ff; Hans Rodenberg Protokoll eines Lebens, Henschelverlag Berlin 1980, S. 180ff; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 82; Wolfgang Kohlhaase: Der 17. Juni 1953 In: Ingrid Poss, Peter Warnecke (Hg): Die Spur der Filme, Zeitzeugen über die DEFA, Ch. Links Verlag, Berlin 2. Auflage 2006 S. 89f; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen , Filmmuseum Potsdam, 2. Überarbeitete Fassung 2013, S. 134; Andreas Grau, Ruth Rosenberger, Johanna Volkwein: 17. Juni 1953 - Volksaufstand, in: Lebendiges Museum Online , Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Abruf: 22. Juni 2023)

Weitere Informationen zu den historischen Ereignissen am 17. Juni 1953 sind auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung  nachzulesen.

26. Juni

Premiere des ersten Projekts der Kinderfilmgruppe DIE STÖRENFRIEDE (R: Wolfgang Schleif). Im Mittelpunkt des Films stehen zwei undisziplinierte Jungen, die von einer neuen Mitschülerin ins Kollektiv integriert werden sollen. Das Drehbuch schrieben Wolfgang Kohlhaase und Hermann Werner Kubsch.
(DEFA-Pressedienst, 3/1953; Neue Film-Welt, 10/1952, S. 4-5, 7/1953, S. 4-5; Deutsche Filmkunst, 3/1953, S. 142-148; DEFA-Spielfilme 1946-1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 46; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 80f)

30. Juni

Dreizehn Tage nach dem 17. Juni schreibt Hans Rodenberg in einem Geburtstagsbrief persönlich an Walter Ulbricht über den 17. Juni: „Wir haben viel falsch gemacht, weil wir glaubten, das höchste Maß an Parteidisziplin bestehe darin, Dinge durchzudrücken, von deren Notwendigkeit wir selbst nicht überzeugt waren.“ Er beschwert sich zudem über seinen Vorgesetzten Sepp Schwab, über dessen Inkompetenz, Führungsstil und politische Haltung. Ein gutes halbes Jahr später wechselt Sepp Schwab in den diplomatischen Dienst.
(Hans Rodenberg an Walter Ulbricht, 30. Juni 1953, DEFA-Betriebsarchiv A069 In: Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 83)

Zum 60. Geburtstag des Generalsekretärs der SED und Stellvertretenden Ministerpräsidenten Walter Ulbricht am 30. Juni bereitet die DEFA in enger Abstimmung mit einer „Kommission zur Vorbereitung des 60. Geburtstags des Genossen Walter Ulbricht“ einen abendfüllenden Dokumentarfilm unter dem Titel BAUMEISTER DES SOZIALISMUS WALTER ULBRICHT (R: Ella Ensink, Theo Grandy) vor. Nach dem Tod Stalins und einer neuen Deutschland-Politik drängt die UdSSR darauf, das Jubiläum bescheiden zu begehen. Der Film verschwindet im Archiv und wird erst am 17. März 1997 uraufgeführt.

Alfred Kantorowicz, ehemaliges KPD-Mitglied, Spanienkämpfer, in der DDR Publizist und Professor für neueste deutsche Literatur an der Berliner Humboldt-Universität, notiert in seinem Tagebuch: „Der schauerliche Rummel hätte alles überboten, was man hierzulande an byzantinischem Unwesen bisher erlebt hat oder was unter Wilhelm II oder Adolf dem Einzigen vorexerziert worden ist. (…) Auch um den bereits gedrehten Filmstreifen, den man wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen wird, ist es mir leid. Der Märchenonkel Becher, umgeben von lieben Kinderchen, erzählt ihnen da mit bewegter Stimme von der Größe, dem Ruhm, dem Glanz, der Weisheit und der Güte des Väterchen Ulbricht. (...) Das Vergnügen wird uns entgehen.“
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 81f)

September 1953

Gründung einer „L-Gruppe“ (Lustspiele) innerhalb der Dramaturgie des DEFA-Studios für Spielfilme. Leiter der Gruppe wird Ewald H. Hagen.
(Deutsche Filmkunst, 3/1953, S. 113-116; 1/1954, S. 37-38, 2/1954, S. 35-37)

11. September

Premiere des Dokumentarfilms NACH 900 TAGEN (R: Joop Huisken, Karl Gass), der den Aufbau des Eisenhüttenkombinats und der „Stalinstadt“ (seit 1961 Eisenhüttenstadt) zeigt. Filmischer Höhepunkt ist die Benennung der Stadt nach Stalin am 7. Mai 1953.
(Filmdokumentaristen der DDR, Berlin, 1969, S. 281; DEFA 1946-1964 Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme FILMOGRAFIE Henschel Verlag Berlin 1969, S. 46)

18. September 

Premiere des DEFA-Dokumentarfilms TURBINE I (R: Joop Huisken) nach einem Szenarium von Karl Gass. Die Reportage über die Schnellreparatur der Turbine I des Kraftwerks Zschornewitz kommt ohne die Anfang der 1950er-Jahre üblichen Inszenierungen und Szenenwiederholungen aus. Joop Huisken verzichtet weitgehend auf Pathos und setzt auf technische Detailtreue. Der Film setzt neue Maßstäbe für einen nüchternen Realismus und kommt mit 67 Kopien in die Kinos.
(Filmspiegel, 25/1955, S. 5, 8/1966, S. 4-7; Neue Film-Welt, 10/1953, S. 8-9; DEFA 1946-1964 Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme FILMOGRAFIE; Henschel Verlag Berlin 1969, S. 47; Günter Jordan: Die frühen Jahre In: Schwarzweiß und Farbe, DEFA-Dokumentarfilme 1946-92. Filmmuseum Potsdam 1996, S. 52f; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 82)

Oktober 1953

5. Oktober

Der Schriftsteller, Dramatiker und Filmautor Friedrich Wolf, berühmt und angefeindet für das Abtreibungsdrama „Cyankali“ (1929) und das jüdische Arzt-Drama „Professor Mamlock“ (1933), verstirbt im Alter von 65 Jahren in Lehnitz/Oranienburg. Für die DEFA lieferte er die Vorlagen zu DER RAT DER GÖTTER (R: Kurt Maetzig) und BÜRGERMEISTER ANNA (R: Hans Müller). In späteren Jahren verfilmt die DEFA weitere Werke Wolfs.
(Deutsche Filmkunst 3/1953, S. 5-8, 9/1958, S. 255-256, 273-274, 21/1958, S. 11; Film und Fernsehen 4/1973, S. 13-17)

6. Oktober

Der Nationalpreis für Kunst und Literatur 1953 wird verliehen an:

(Neue Film-Welt, 8/1953, S. 20; Kino DDR 3/1987, S. 4; DEFA-Spielfilme 1946-1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR)

13. Oktober

Die ersten vom DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme produzierten DEFA-Puppentrickfilme laufen in den Kinos der DDR an. DER HEMMSCHUH (13. Oktober), FRAU HOLLE (15. Oktober), und die Satire DIE STREICHHOLZBALLADE (13. November) nach einem Szenarium von Wolfgang Kohlhaase, der darin die Bürokratie im Handel auf die Schippe nimmt. Regie führt Johannes Hempel.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 83)

Dezember 1953

3. Dezember

In Berlin wird auf Anordnung der Staatlichen Komitees für Filmwesen der Club der Filmschaffenden unter Leitung Harry Hindemiths gebildet. Sekretär wird Wolfgang Kernicke.

Der Club geht in erster Linie auf die Reorganisation des Filmwesens und die Resolution des Politbüros des ZK der SED im Jahr 1952 zurück, der zufolge „Vorträge und schöpferische Diskussionen über Fragen der Kunst, Kultur und Kulturpolitik“ durchgeführt werden sollen. Eine wichtige Rolle kommt dem Club als nichtstaatlicher Organisation beim Kontakt mit ausländischen Filmschaffenden, ihren Vereinigungen sowie bei Festivals zu.

Diskussionsveranstaltungen über neue Filme wenden sich zielgerichtet auch an Filmschaffende aus der Bundesrepublik und West-Berlin. So versucht man, wieder westdeutsche Filmschaffende für eine Mitarbeit bei der DEFA zu gewinnen.

Der Club der Filmschaffenden hat seinen Sitz in der Luisenstraße 18, zusammen mit anderen Künstlerorganisationen. Hier befindet sich der am 15. Juni 1946 von der Kulturabteilung der SMAD gegründete Künstlerclub „Die Möwe“, der ab Anfang 1953 geschlossen war. 1954 wieder geöffnet, hat er bis 1995 seinen Sitz in der Luisenstraße 18.
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 83; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. Überarbeitete Fassung 2013, S. 243ff)

Filmstill zu "Die Geschichte vom kleinen Muck"

DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK

(R: Wolfgang Staudte, 1953) Grafiker: Kurt Geffers

23. Dezember

Premiere des DEFA-Spielfilms DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (R: Wolfgang Staudte). Die Märchenverfilmung nach Wilhelm Hauff wird zum bleibenden Publikumserfolg. Der auf Agfa-Color gedrehte Klassiker erreicht allein in der DDR über 12 Millionen Zuschauer und ist damit der erfolgreichste deutsche Kinderfilm.

Die DEFA gewann Wolfgang Staudte, der die Vorbereitungen zu „Mutter Courage und ihre Kinder“ abbrechen musste, für dieses Projekt mit dem Angebot, das überdurchschnittlich hohe Budget „Mutter Courage“ für den Kinderfilm ausschöpfen zu können, was wesentlich zur Qualität des Films beitrug.

Staudte stehen rund 140 Drehtage und die besten Fachleute des Studios zur Verfügung. Neben Robert Baberske als Kameramann wird der Trickspezialist Ernst Kunstmann verpflichtet. Szenenbildner Erich Zander, der schon zu Stummfilmzeiten große Historienstoffe ausgestattet hatte, baut dem Regisseur eine orientalische Stadt in den märkischen Sand – einschließlich Sultanspalast, Sandwüste, Basaren, Minaretten und Moscheen. Die Kostüme stammen vom erfahrenen Kostümbildner Walter Schulze-Mittendorf. Ein Zirkus stellt Elefanten, Affen und Kamele zur Verfügung.
(Filmspiegel, 1/1954, S. 9; Deutsche Filmkunst, 2/1954, S. 30-34; DEFA–Pressedienst, 5/1953; DEFA-Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 44; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 77; Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam 2012, S. 127)

Die Kino-Wochenschau DER AUGENZEUGE (Ausgabe 02/1954) berichtet über die Premiere von DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK (R: Wolfgang Staudte, 1953) im Berliner Kino Babylon.

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