DEFA-Chronik für das Jahr 1959
Die Deutsche Hochschule für Filmkunst in Babelsberg wird Ordentliches Mitglied des „Centre International de Liaison des Ecoles de Cinéma et de Television“ (kurz: CILECT; Internationales Zentrum der Hochschulen für Film und Fernsehen), einer Unterorganisation der UNESCO.
(Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 425)
Die DEFA-Wochenschau „Der Augenzeuge“ wird Vollmitglied in der „International Newsreel Association“ (kurz: INA; Internationale Wochenschau-Vereinigung), einer Unterorganisation der UNESCO.
(Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 427)
Januar 1959
Dem Vorschlag Kurt Maetzigs und dem Beispiel ungarischer und polnischer Filmschaffender folgend, werden im DEFA-Studio für Spielfilme erste Künstlerische Arbeitsgruppen gebildet. Ihr gehören Regisseure, Kameraleute, Dramaturgen, Produktionsleiter und Aufnahmeleiter an. Folgende Gruppen entstehen:
- „Roter Kreis“ (Künstlerischer Leiter: Kurt Maetzig; mit den Regisseuren Kurt Maetzig, Günter Reisch, Erich Engel, Lutz Köhlert, Frank Beyer, Hermann Zschoche u.a.),
- „Heinrich Greif“ (Künstlerischer Leiter: Konrad Wolf; mit den Regisseuren Konrad Wolf, Heinz Thiel, Frank Vogel, Joachim Hasler u.a.),
- „Solidarität“ (ab 1964: „Babelsberg“) (Leitung: Adolf Fischer; mit den Regisseuren Martin Hellberg, Hans Lucke, Carl Balhaus, Johannes Arpe, Kurt Jung-Alsen u.a.),
- „Berlin“ (Künstlerischer Leiter: Slatan Dudow; mit den Regisseuren Slatan Dudow, Gerhard Klein, Heiner Carow, Joachim Kunert, Gerhard Klingenberg, Ingrid Meyer, Erwin Stranka, Hans-Joachim Kasprik u.a.),
- „Gruppe 60“ (Leitung Alexander Lösche; mit den Regisseuren Gottfried Kolditz, Ralf Kirsten, Hermann Zschoche u.a.),
- „Konkret“ (vormals Kinder- und Jugendfilm) (ab 1961, Künstlerischer Leiter Walter Beck; mit den Regisseuren Walter Beck, Richard Groschopp, Siegfried Hartmann, Konrad Petzold, Rolf Losansky u.a.)
- „Johannisthal“ (vormals Stacheltier) (Leitung: Georg Honigmann; ab 1962 Rudolf Hannemann)
(Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 124; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. Überarbeitete Fassung 2013, S. 135ff)
16. Januar (Teil I) und 30. Januar (Teil II)
Premiere des DEFA-Spielfilms DIE ELENDEN (R: Jean-Paul le Chanois) in der DDR. Der zweiteilige Film entstand in Co-Produktion mit Frankreich und Italien sowie unter Mitwirkung internationaler Stars wie Jean Gabin und Bernard Blier. An dieser Co-Produktion mit linken französischen Filmemachern wird von staatlicher Seite die größte Kritik geübt, da nach ihrer Ansicht die vorgeführte historische Situation unklar bleibe. Im Zulassungsprotokoll heißt es: „Durch seine Anlage und die damit verbundenen Aussagen wird der Film einer wertvollen Klassikerverfilmung nicht gerecht. (…) [Er hat eine] starke Tendenz zur christlich-bürgerlichen Ideologie und einer idealistischen Grundkonzeption. (…) Die sich aus dem Gesamteindruck dieses Films ergebenden Gefühlswerte liegen in einer falschen Richtung, sind unklar und uns nicht nützlich. Die Aussage des Films entspricht insgesamt nicht unseren realistischen Kunstprinzipien.“ Der Schlusskommentar muss geändert werden und das ND wird beauftragt, sich in seiner Rezension mit dem Film „prinzipiell“ auseinanderzusetzen.
(Deutsche Filmkunst, 3/1959, S. 74-75; Filmspiegel, 2/1958, S. 7; DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 107; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 93ff; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 118f)
21. Januar – 8. Februar
In London findet auf Initiative des Britischen Filminstituts eine DEFA-Filmwoche statt. Zur Eröffnung im National Film Theatre des Britischen Filminstituts läuft der DEFA-Spielfilm STÄRKER ALS DIE NACHT (R: Slatan Dudow, 1954). Teil des Programms sind weiterhin DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (R: Wolfgang Staudte, 1946), ROTATION (R: Wolfgang Staudte, 1948/49), DER UNTERTAN (R: Wolfgang Staudte, 1951), AFFAIRE BLUM (R: Erich Engel, 1948), DER RAT DER GÖTTER (R: Kurt Maetzig, 1950), GENESUNG (R: Konrad Wolf, 1955) sowie diverse Kurzfilme.
(Deutsche Filmkunst, 2/1959, S. 63, 3/1959, S. 93-94, Filmspiegel, 5/1959, S. 6-7, 9/1959, S. 4; ND, 16. Februar 1959, S. 3)
22. Januar
Premiere des DEFA-Spielfilms SIE NANNTEN IHN AMIGO (R: Heiner Carow). Der zweite Film von Heiner Carow ist ein emotionaler und leiser Film über das Deutschland im Faschismus. Menschlich und stilistisch überzeugend ist das Porträt eines 13-jährigen Jungen, der einen entflohenen KZ-Häftling entdeckt und schützt. Ernst-Georg Schwill spielt als Amigo eine seiner größten Rollen. Über den Film hinaus populär wird in der DDR das Lied „Wer möchte nicht im Leben bleiben“. Der von den Autoren Wera und Claus Küchenmeister erdachte poetische Schluss ist in der jetzigen Kultur-Eiszeit undenkbar: Ein Blick auf die Berliner Hinterhöfe. Es ist Frieden. Amigo, nun erwachsen geworden, kauft in einer Bäckerei frische Brötchen. Nach der ideologischen Kritik an Carows Erstling SHERIFF TEDDY sieht dieser sich veranlasst, einen plakativen Schluss anzuhängen: Amigo, der die Hölle überlebt hat, dient nun in der neuen Zeit als Panzerfahrer der Nationalen Volksarmee. Später schneidet Carow selbst oft eigenhändig diesen Schluss aus allen verfügbaren Kopien raus.
(DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 117f; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 148; Heiner Carow: Spielräume In: Ingrid Poss, Peter Warnecke (Hg.): Die Spur der Filme, Zeitzeugen über die DEFA, Ch. Links Verlag, Berlin 2. Auflage 2006, S. 127f; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 813ff)
Februar 1959
2. Februar
Premiere des DEFA-Dokumentarfilms REPORTAGE AUS ROSSENDORF (R: Klaus Alde). Der Film berichtet ausführlich vom Aufbau und der Inbetriebnahme des ersten Atomreaktors auf deutschem Boden. Er informiert, dass die Sowjetunion fast die gesamte technische Ausrüstung geliefert hat und ihre erfahrenen Wissenschaftler und Techniker den deutschen Kollegen helfen, den Atomreaktor in Betrieb zu nehmen
(Deutsche Filmkunst, 9/1959, S. 265; DEFA 1946-1964 Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme FILMOGRAFIE, Henschel Verlag Berlin 1969, S. 123; Thomas Heimann: Von Stahl und Menschen In: Schwarzweiß und Farbe, DEFA-Dokumentarfilme 1946-92. Filmmuseum Potsdam 1996, S. 64f)
März 1959
17. März
Der DEFA-Spielfilm DIE SCHÖNSTE (R: Ernesto Remani) wird endgültig verboten (offizielle Bekräftigung am 24. August 1961). Der Film des erfahrenen Südtiroler Regisseurs entsteht von Januar bis April 1957. Es ist eine Co-Produktion mit der Münchner Ideal-Film um Filmproduzent Erich Mehl. Grundtenor der Diskussionen um den Film ist, dass es sich um eine primitiv gemachte, ideologisch fragwürdige Gesellschaftskritik handle. Der damalige Leiter der HV Film, Anton Ackermann, sieht „eine Verniedlichung und Lobpreisung kapitalistischer Verhältnisse mit weitgehender Volksgemeinschaftsideologie“. Bis 1959 erfolgen Kürzungen, Umschnitte und Neuaufnahmen für eine einordnende Rahmenhandlung unter der Regie von Walter Beck, um den Film ideologisch zu 'reinigen'. Nach Rekonstruktion des Originals von 1957 wird der Film am 24. Mai 2002 im Berliner Kino „Babylon“ uraufgeführt. Die Kritik schreibt, dass DIE SCHÖNSTE nur durch das Verbot interessant wurde. Wäre er nicht produziert worden, hätte niemandem etwas gefehlt.
(Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 142; Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam, 2012, S.133; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 768ff)
27. März
Premiere des DEFA-Spielfilms STERNE, eine Co-Produktion mit Bulgarien unter der Regie von Konrad Wolf nach einem Drehbuch von Angel Wagenstein. Das Werk gilt als erster deutscher Film, der sich mit der Verantwortlichkeit der Deutschen im Holocaust auseinandersetzt.
Während der Filmfestspiele in Cannes nimmt Konrad Wolf den Sonderpreis der Jury für STERNE entgegen. Allerdings läuft die Co-Produktion in Cannes nur als bulgarische Produktion, da die Bundesrepublik auf ihren Alleinvertretungsanspruch besteht. Das Magazin „Der Spiegel“ unterstellt daraufhin „Manipulation“ und moniert die Zusammensetzung der Jury, die dazu geführt hätte, „daß Westdeutschland in der Diskussion, in der die Preisverteilung buchstäblich ausgehandelt wird, wieder einmal nicht mitreden konnte und es den Interessenvertretern der Ostblockländer möglich war, eine Stimmenmehrheit für den kaschierten DDR-Film zu sammeln.“
Pikant ist, dass STERNE in Bulgarien zunächst wegen des abstrakten Humanismus und eines deutschen Unteroffiziers als Helden zeitweilig verboten ist. Auf vielen internationalen Filmfestivals läuft STERNE erfolgreich. Der Film erhält beim Filmfestival der VII. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Wien 1959 die Goldmedaille und auf dem Internationalen Filmfestival Edinburgh 1959 eine Anerkennungsurkunde. In insgesamt rund 70 Ländern ist STERNE zu sehen. Ab 1960 ist der Film auch in der BRD im Kinoeinsatz, wenn auch ohne Schlussszene.
(Unter falscher Flagge , Der Spiegel, Ausgabe vom 26. Mai 1959, Abgerufen: 19. März 2023; Filmspiegel, 12/1959, S. 5-6; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 115ff; Elke Schieber: Niemand hat mich je gerettet. Gespräch mit Angel Wagenstein. In: Apropros Film 2005. Jahrbuch der DEFA-Stiftung. Berlin 2005, S. 16; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 124; F-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 881)
April 1959
22. April
In Ergänzung zu den bereits bestehenden Auszeichnungen werden ab 1959 „Kunstpreise der DDR“ für künstlerische Einzelleistungen, die als richtungsweisend für die Entwicklung der Kultur eingeschätzt werden, an 15 Einzelpersönlichkeiten verliehen. Der Preis kann nur einmal an eine Einzelperson oder ein Kollektiv verliehen werden. Zur Verleihung gehört eine Medaille, eine Urkunde und eine Geldzuwendung von 6.000 Mark für Einzelpersonen und bis zu 20.000 Mark für Kollektive. Auf dem Gebiet des Films erhält Regisseur Richard Groschopp die Auszeichnung vom Minister für Kultur.
(ND, 23. April 1959, S. 2; Der Filmspiegel 10/1959, S. 2; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 125)
24. April
Die Bitterfelder Kulturkonferenz findet im Kulturhaus des VEB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld (1. Bitterfelder Konferenz) statt. Reden halten Walter Ulbricht („Fragen der Entwicklung der sozialistischen Literatur und Kultur“) und Alfred Kurella („Vom neuen Lebensstil“).
(Zur sozialistischen Kulturrevolution, Dokumente 1957-1959, Berlin, 1960, Bd. II, S. 455-491; Deutsche Filmkunst, 7/1959, S.193-196, 10/1959, S. 302-305)
Juni 1959
12.–21. Juni
Im Bezirk Halle finden die ersten Arbeiterfestspiele der DDR statt. Sie stehen unter dem Motto „Die besten Schätze der deutschen und internationalen Kunst und Literatur für unsere schaffenden Menschen“. Zur Eröffnung feiert der DEFA-Spielfilm SIMPLON-TUNNEL (R: Gottfried Kolditz) Premiere. Auch der DEFA-Kinderspielfilm DER KLEINE KUNO (R: Kurt Jung-Alsen) feiert im Rahmen der Festspiele seine Uraufführung.
(Filmspiegel 14/1959, S. 16)
August 1959
Die VVB Film führt eine Technisch-Ökonomische Konferenz in Berlin durch. Tagungsort sind die Berliner Glühlampenwerke. Das Hauptreferat hält Hermann Schauer. Von den Kameraleuten und Technikern wird modernes Handwerkzeug gefordert, wie Handkameras, mobile Ton-Aufnahmetechnik, breiterer Einsatz von Tricktechnik, Arbeit mit optischen Drehbüchern u.a.
(Deutsche Filmkunst, 8/1959, S. 225-228, Beilage, 12/1959, S. 362-364, 1/1960, S. 26-27)
28. August
Premiere des DEFA-Spielfilms EHESACHE LORENZ (R: Joachim Kunert). Die Kammerspielkomödie um ein älteres, gesellschaftlich arriviertes Ehepaar ist eine gut gemachte Arbeit des parteilosen Regisseurs Joachim Kunert. Ihm gelingt es, in der vergifteten Atmosphäre nach der Zweiten Filmkonferenz qualitativ konstant zu arbeiten.
(Deutsche Filmkunst, 9/1959, S. 260; Filmspiegel, 20/1959, S. 5; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 143f)
Oktober 1959
In der englischen Stadt Coventry finden DDR-Filmwochen statt. Gezeigt werden die Filme DU UND MANCHER KAMERAD und UNTERNEHMEN TEUTONENSCHWERT (beide R: Andrew und Annelie Thorndike) sowie eine Reihe von Wochenschauausschnitten aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges über die Bombardierung von Coventry. Der Film EIN TAGEBUCH FÜR ANNE FRANK (R: Joachim Hellwig, 1958) wird in Großbritannien nicht zugelassen.
(Filmspiegel, 22/1959, S. 2)
4. Oktober
Der Nationalpreise für Kunst und Literatur 1959 werden zum 10. Jahrestag der DDR verliehen in:
- I. Klasse: An den Schauspieler Eduard von Winterstein.
- II. Klasse: An das Kollektiv des DEFA-Spielfilms DAS LIED DER MATROSEN um die Autoren Dr. Karl Georg Egel und Paul Wiens, die Regisseure Prof. Dr. Kurt Maetzig und Günter Reisch sowie die Kameramänner Otto Merz und Joachim Hasler.
- II. Klasse: An das Kollektiv des DEFA-Spielfilms STERNE um Regisseur Konrad Wolf und Kameramann Werner Bergmann.
(ND, 4. Oktober 1959, Seite 3; Filmspiegel, 22/1959, S. 2)
4. Oktober
Der Heinrich-Greif-Preises 1959 wird anlässlich des 10-jährigen Bestehens der DDR vergeben.
- I. Klasse: An die Autoren Wera und Claus Küchenmeister, Regisseur Heiner Carow und Kameramann Helmut Bergmann für den DEFA-Film SIE NANNTEN IHN AMIGO.
- II. Klasse: An Georg Gutschmidt für die technisch-künstlerische Qualität in der Endfertigung von mehr als 150 DEFA-Filmen.
- III. Klasse: An das Kollektiv des populärwissenschaftlichen Films PARLAMENTARIER um den Szenaristen Erich Legler, Regisseur Dr. Jiri Jahn und Kameramann Ernst Oeltze.
(Filmspiegel, 22/1959, S. 2; ND, 4. Oktober 1959, S. 3)
4. Oktober
Den „Kunstpreis der DDR“ 1959 erhalten auf dem Gebiet des Films die Schauspieler Horst Drinda, Ekkehard Schall, Robert Trösch und Karla Runkehl.
(ND, 4. Oktober 1959, S. 3; Filmspiegel 22/1959, S. 2)
16.-22. Oktober
Im indischen Bombay findet eine Festwoche des DEFA-Films statt. Präsentiert werden die DEFA-Produktionen VERGESST MIR MEINE TRAUDEL NICHT (R: Kurt Maetzig), DER TEUFEL VOM MÜHLENBERG (R: Herbert Ballmann), DAS FEUERZEUG (R: Siegfried Hartmann) und STERNE (R: Konrad Wolf).
(Filmspiegel, 1/1960, S. 14, 6/1960, S. 14-15)
23. Oktober
Die Premiere für Konrad Wolfs neuen DEFA-Spielfilm SONNENSUCHER war für Oktober 1959 angesetzt, die Plakate waren geklebt und die sowjetischen Schauspieler zur Premiere schon in Berlin eingetroffen. Da erscheint am 23. Oktober auf der außenpolitischen Seite des ND die ungewöhnliche Meldung: „Die Pressestelle der VVB Film teilt mit: Die Leitung des VEB DEFA Studios für Spielfilme hat in Übereinstimmung mit den Schöpfern des Films SONNENSUCHER beschlossen, diesen Film zurückzuziehen, obwohl er durch die zuständigen Organe zur Aufführung freigegeben wurde. Der Beschluß erfolgte im Hinblick auf die seit der Konzipierung und Schaffung des Films SONNENSUCHER eingetretene allgemeine politische Entwicklung. Die Leitung der VVB Film hat diesen Beschluß des Studios für Spielfilme geprüft und gebilligt. Sie sieht in diesem Beschluß einen Ausdruck hohen Verantwortungsbewußtseins des Studios und der künstlerischen Mitarbeiter des Films gegenüber unserer nationalen Filmproduktion.“
Der realistische Film über Uran-Abbau an dessen Drehbuch Karl Georg Egel und Paul Wiens seit 1955 arbeiteten, stößt in der Atmosphäre nach der Zweiten Filmkonferenz 1958 auf immensen Widerstand. Konrad Wolf entwarf das Panorama höchst differenziert gezeichneter Figuren im Wismut-Uranbergbau: Das Mädchen Lutz, das von der Fürsorge zwangsverpflichtet wird, des robusten Kumpels, Antifaschisten und ehemaligen Zirkusartisten Jupp König, des einarmigen Obersteigers Beiers, der früher bei der SS war, und des sowjetischen Ingenieurs Sergej, dessen Frau von den Nazis ermordet wurde. Nach mehreren Zugeständnissen Wolfs und Nachaufnahmen gibt das Politbüro mit Walter Ulbricht am 24. Juni 1959 den Film für die Aufführung frei. Tatsächlich bleibt SONNENSUCHER auf Einspruch sowjetischer Behörden beim ZK der SED unaufgeführt. Es geht um Verhandlungen der Sowjetunion mit den Westmächten über atomare Abrüstung usw. Es soll nicht gezeigt werden, wie die Grundstoffe für die Sowjetunion in der DDR abgebaut werden.
Der Hauptdarsteller Erwin Geschonneck stellt in den Folgejahren gebetsmühlenartig in jeder wichtigen Parteiversammlung oder –konferenz die Frage „Und da will ich mal fragen – was ist denn nun mit SONNENSUCHER?“ Das Verbot des Films bleibt bis zum Ende der Ulbricht-Zeit 1972 bestehen; das Exportverbot in die kapitalistischen Länder bis Mitte der 1980er-Jahre.
(ND, 23. Oktober 1959, S. 5; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 144f; Sonnensucher In: Ingrid Poss, Peter Warnecke (Hg.): Die Spur der Filme, Zeitzeugen über die DEFA, Ch. Links Verlag, Berlin 2. Auflage 2006 S. 129ff; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 125f; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 849ff)
November 1959
13. November
Premiere des DEFA-Spielfilms VERWIRRUNG DER LIEBE (R: Slatan Dudow). Der komödiantische Film beschreibt das Lebensgefühl der jungen sich zur DDR bekennenden Generation. Hauptpersonen sind zwei junge Paare, die nach einem Partnertausch vor dem Standesamt wieder den „richtigen“ Partner finden. Der Film wurde bereits in der HV Film diskutiert, da Kuss- und Nacktbadeszene Grenzfälle der von Walter Ulbricht auf dem V. Parteitag der SED vorgetragenen „Zehn Grundsätze der sozialistischen Ethik und Moral“ sind. Auch, dass am Ende der Student wieder zur Studentin, der Arbeiter zur kleinen Angestellten findet, entspricht nicht den sozialistischen Idealen. Erstmals steht die Schauspielerin Angelica Domröse vor der Kamera.
(Filmspiegel, 6/1959, S. 6, 25/1959, S. 5; Deutsche Filmkunst, 1/1960, S. 5-8, 3/1960, S. 80-81; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 148ff; Verwirrung der Liebe In: Ingrid Poss, Peter Warnecke (Hg.): Die Spur der Filme, Zeitzeugen über die DEFA, Ch. Links Verlag, Berlin 2. Auflage 2006 S. 132ff; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 1074f)
27.–29. November
Am DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme wird eine Kinderfilmgruppe gebildet.
(Deutsche Filmkunst, 3/1960, S. 87-89; Information der HFF, 1/ 2/1976, S. 28)
Dezember 1959
Auch im DEFA-Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme und im DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme werden künstlerische Arbeitsgruppen bzw. Produktionsgruppen gebildet.
(Jahrbuch des Films 1959, Berlin, 1960, S. 45-46; Deutsche Filmkunst, 6/1960, S. 191)