DEFA-Chronik für das Jahr 1960
Das Nationale Zentrum für Kinderfilm und -fernsehen der DDR wird Mitglied im „Centre International du Film – Cinéma et Télévision – pour l’Enfance et la Jeunesse“ (kurz: CIFEJ; Internationales Zentrum für Kinder- und Jugendfilm), einer Unterorganisation der UNESCO.
(Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 426)
Februar 1960
23. Februar
Der DEFA-Dokumentarfilm DASS EIN GUTES DEUTSCHLAND BLÜHE von Joop Huisken wird uraufgeführt. Der ursprünglich geplante Start zum 10. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1959 wurde verschoben, da das Politbüro der SED grundlegende Kritik an dem Film äußerte. Obwohl die Abnahmekommission den Film für das Prädikat „künstlerisch wertvoll“ empfiehlt, werden vom Politbüro „neutralistische“ Positionen im unaufgeregt poetischen Kommentar Stephan Hermlins bemängelt. Die gesamte politische Konzeption sei missglückt und zeige nicht, was unter „lebendiger Demokratie“ zu verstehen sei. Die mobilisierende und lenkende Rolle der Partei trete nicht genügend in Erscheinung. Der Film wird grundlegend überarbeitet, Stephan Hermlins einfühlsam gesprochener Text entfernt und durch einen agitatorischen Kommentar von Karl-Eduard von Schnitzler ersetzt.
(Filmspiegel, 6/1960, S. 8-9; Deutsche Filmkunst, 4/1960, S. 121-122; DEFA 1946-1964 Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme FILMOGRAFIE, Henschel Verlag Berlin 1969, S. 133; Thomas Heimann: Von Stahl und Menschen. In: Schwarzweiß und Farbe, DEFA-Dokumentarfilme 1946-92. Filmmuseum Potsdam 1996, S. 86f; Günter Jordan: Die Stimme. Stephan Hermlin und der Film In. apropos: Film Jahrbuch der DEFA-Stiftung 2003, S. 58ff; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 127)
26. Februar
Premiere des ersten Science-Fiction-Films der DEFA DER SCHWEIGENDE STERN, der unter der Regie von Kurt Maetzig in Co-Produktion mit Polen realisiert wurde. Der Film trifft auf eine Weltraumbegeisterung der Bevölkerung, nachdem 1957 der erste Sputnik die Erde umkreist hatte. Der Farbfilm nach einem Roman von Stanislaw Lem zeigt in einem spannenden Plot die gleichberechtigte Zusammenarbeit von Männern und Frauen aus verschiedenen Erdteilen und politischen Lagern. Unterschwellig ist im Film die Warnung vor einer nuklearen Katastrophe herauszulesen. Die Bewohner des Planeten Venus sind durch ihre eigenen Waffen umgekommen. Die japanische Wissenschaftlerin erlebte als 11-jähriges Mädchen den Bombenabwurf von Hiroshima und ist deshalb unfruchtbar.
Unter dem Titel FIRST SPACESHIP ON VENUS gelangt eine auf 82 Minuten gekürzte Fassung in die USA und nach Großbritannien. In dieser Version wird aus dem Leiter der Mission, dem Russen Arsenjew, der US-Amerikaner Heddingway und aus dem Polen Soltyk der Franzose Durand. Die ursprüngliche US-amerikanische Figur des Films, Hawling, der sich dieser internationalen Mannschaft anschließt, wird zu einem Professor Orloff. Alle auf Hiroshima verweisenden Dialoge werden entfernt.
(Filmspiegel, 6/1960, S. 5; Deutsche Filmkunst, 4/1960, S. 116-118; Jahrbuch des Films 1960, Berlin, 1961, S. 36-38; Günter Agde (Hg.): Kurt Maetzig. Filmarbeit. Gespräche, Reden, Schriften. Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin, S. 121–124, 275–278; Burghard Ciesla: Droht der Menschheit Vernichtung? Der schweigende Stern – First Spaceship on Venus: Ein Vergleich. In: Apropos Film. Bertz, Berlin 2002, S. 121ff; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 128)
März 1960
Das Ministerium für Kultur, die Gewerkschaft Kunst und Künstlerverbände bitten Kunst- und Kulturschaffende der DDR, sich an der Umgestaltung auf dem Lande, das heißt der Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften mit ihren künstlerischen Mitteln zu beteiligen – „Greift ein mit Eurer Kunst“. So entstehen am DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme unter anderem Werke zu aktuellen Themen der Landwirtschaft, darunter FLORA, JOLANTHE UND VIERTAUSEND HÜHNER (R: Peter Ulbrich, Armin Georgi) und UNSER GRÜNER FREUND (R: W. Astafjew, Johannes Weiße).
(Deutsche Filmkunst, 6/1960, S. 200-201)
April 1960
1. April
Das DEFA-Studio für Trickfilme in Dresden feiert sein 5-jähriges Bestehen. Fast 100 Animationsfilme hat das Studio in dieser Zeit produziert, darunter international prämierte Filme, wie den Zeichentrickfilm LUFTPOST (R: Klaus Georgi, 1959), den Puppentrickfilm GLEICH LINKS HINTER DEM MOND (R: Günter Rätz, 1959) und den Märchen-Puppentrickfilm VOM MUTIGEN HANS (R: Klaus und Katja Georgi, 1958).
(Jahrbuch des Films 1959, Berlin, 1960, S. 55-60)
1. April
Die Deutsche Zentralstelle für Filmforschung mit Sitz in der Berliner Otto-Nuschke-Straße 29/51 wird auf Beschluss des Ministeriums für Kultur gegründet. Sie besteht aus drei Abteilungen: der Redaktion „Filmwissenschaftliche Mitteilungen“ (FWM), einer Informationsabteilung sowie einer zentralen Filmbibliothek. Erster Direktor ist Dr. Heinz Baumert.
(Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. Überarbeitete Fassung 2013, S. 308)
27.–29. April
Die zweite Kulturkonferenz des ZK der SED, des Ministeriums für Kultur und des Deutschen Kulturbundes findet im Kulturhaus VEB Bergmann-Borsig in Berlin statt. Eröffnet wird die Konferenz durch Eduard von Winterstein. Referate halten Alfred Kurella („Erfahrungen und Probleme sozialistischer Kulturarbeit“), Walter Ulbricht („Vom kulturvollen Leben der Menschen“) und Hans Rodenberg („Die Kulturkonferenz 1960 und ihre Aufgaben“). Weitere Beratungen über den nationalen Auftrag der Kultur in der DDR; über die Bedeutung der Beschlüsse der Bitterfelder Konferenz für die Entwicklung des kulturellen Lebens in der DDR und über die Verbesserung der Leitungstätigkeit auf kulturellem Gebiet; Entschließung der Kulturkonferenz: „Grundsätze der sozialistischen Kulturarbeit im Siebenjahrplan“.
(Protokoll der vom ZK der SED abgehaltenen Konferenz, Berlin, 1960, S. 257 - 293; Deutsche Filmkunst, 4/1960, S. 128 - 130,142, 6/1960, S. 182 - 185,191 - 193, 12/1960, S. 408 - 410; Einheit, 1960/6, S. 877 - 889; Filmspiegel, 10/1960, S. 5 - 6, 11/1960, S. 2, 3 - 4, 12)
Mai 1960
13. Mai
Premiere des DEFA-Spielfilms TRÜBE WASSER (R: Louis Daquin) nach dem Roman „La Rabouilleuse“ von Honoré de Balzac in der DDR. Es ist die letzte Gemeinschaftsproduktion eines Spielfilms zwischen der DEFA und französischen Produzenten.
(Filmspiegel, 12/1960, S. 5; Deutsche Filmkunst, 7/1960, S. 223-225)
Juni 1960
12. Juni
Herbert Volkmann, Direktor des Staatlichen Filmarchivs, wird auf der Generalversammlung der FIAF (Fédération Internationale des Archives du Film) in Amsterdam zum Deputy Treasurer (Stellvertretenden Schatzmeister) im Executive-Committee der FIAF berufen. Er nimmt diese Funktion bis 1968 wahr.
(Herbert Volkmann: Biografische Angaben aus dem Handbuch Wer war wer in der DDR? Abruf: 22. Februar 2024; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 426; FIAF: Past FIAF Executive Committees , Abruf: 22. Februar 2024)
August 1960
Der Filmspiegel befragt 50 junge Mädchen zwischen 16 und 20 Jahren am Ostseestrand, ob sie Filmschauspielerin werden wollen und welche Filme sie lieben. 26 gehen einmal wöchentlich ins Kino, 16 alle 14 Tage. 15 sehen Abenteuer- und Kriminalfilme am liebsten, 13 Revue- und Musikfilme, 12 historische Filme. Die beliebtesten Darstellerinnen sind Gina Lollobrigida, Christel Bodenstein und Christine Laszar. Bei den Darstellern sind Gérard Philipe, Rolf Ludwig und Wilhelm Koch-Hooge am beliebtesten.
(Filmspiegel 21/1960, S. 6)
Günter Witt wird zum Stellvertreter des Ministers für Kultur der DDR berufen. Ab Januar 1964 wird Witt auch Leiter der Hauptverwaltung Film.
(ND, 4. August 1960, S. 2; Protokoll der VII. Intern. Leipziger Dokumentar - und Kurzfilmwoche 1964, S. 17-18)
1. August
Der VEB Progress Film-Vertrieb feiert sein 10-jähriges Bestehen. In dieser Zeit wurden 950 Spiel- und Dokumentarfilme aus 30 Ländern importiert.
(Filmspiegel, 14/1960, S. 8; Filmkurier, 7/1960, S. 1-5)
3. August
Nach vier Jahren als Dekan der Fachrichtung Dramaturgie an der DHF scheidet Hans Rodenberg aus dieser Funktion aus. Er wird ebenfalls wie Günter Witt zum Stellvertreter des Kulturministers Alexander Abuschs berufen.
(vgl. Neue Zeit vom 4. August 1960, S. 2; Hans Rodenberg Protokoll eines Lebens Henschelverlag Berlin 1980, S. 217; Günter Witt- Interview in Ullrich Kasten: Es werden ein paar Filme bleiben. ORB 1996; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen , Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 277, 68, 81)
26. August
Premiere des DEFA-Spielfilms LEUTE MIT FLÜGELN (R: Konrad Wolf). Der vom selben Autorenteam wie SONNENSUCHER geschriebene Film scheitert künstlerisch an seinem plakativen Gestus. Der symbolschwere Einfall, das Image eines sozialistischen Flugzeugwerkes zur Metapher der Siege des Sozialismus zu machen, erweist sich als tückisch, als wenig später der Flugzeugbau der DDR eingestellt wird.
(Filmspiegel, 18/1960, S. 5; Deutsche Filmkunst, 9/1960, S. 297-301, 12/1960, S. 397-398, 400; DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S.151f; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 146)
September 1960
Das Nationale Zentrum für Amateurfilm der DDR wird als offizieller Kandidat der UNICA (Union Internationale du Cinéma d’ Amateurs) auf dem Kongress der „Internationalen Vereinigung der Filmamateure“, in Evian-les-Bains (Frankreich) aufgenommen.
(Jahrbuch des Films 1960, Berlin, 1961, S. 86; Kleine Enzyklopädie Film, Leipzig, 1966, S. 751-752; Kulturpolitisches Wörterbuch, Berlin, 1978, S. 27)
2. September
Der zwischen August 1959 und März 1960 gedrehte DEFA-Spielfilm SOMMERWEGE (R: Hans Lucke) wird nach verschiedenen Schnittauflagen von der staatlichen Abnahmekommission die Zulassung versagt. In der Begründung heißt es, der Film gebe „keine Antworten auf die heutigen Fragen“. Die Arbeitskopie des Originalschnitts geht verloren. Die Tonmischung sowie die ungeschnittenen Bildnegative werden im Staatlichen Filmarchiv der DDR eingelagert. 2014 entsteht auf Grundlage der Tonmischung eine digitale Fassung, die am 27. Oktober 2014 im Zeughauskino Berlin uraufgeführt wird.
(Filmspiegel, 2/1960, S. 4; Newsletter der DEFA-Stiftung , 4/2014, S. 1)
2.–8. September
Auf einer vom Allotria-Film-Verleih gemeinsam mit dem DEFA-Außenhandel veranstalteten DEFA-Filmwoche in Helsinki (Finnland) stellen Regisseure und Hauptdarsteller die Filme STERNE (R: Konrad Wolf) und DER SCHWEIGENDE STERN (R: Kurt Maetzig) vor. Außerdem werden in einer Matinee ZAR UND ZIMMERMANN (R: Hans Müller), MEINE FRAU MACHT MUSIK (R: Hans Heinrich) und SEILERGASSE 8 (R: Joachim Kunert) aufgeführt. Anstelle von DER HAUPTMANN VON KÖLN (R: Slatan Dudow), dessen Aufführung 24 Stunden vor der Vorstellung verboten wird, läuft DIE MÖRDER SIND UNTER UNS (R: Wolfgang Staudte).
(Filmspiegel, 22/1960, S. 5)
Oktober 1960
6. Oktober
Der Nationalpreis für Kunst und Literatur 1960 wird verliehen.
- II. Klasse: An Erwin Geschonneck für seine schauspielerischen Leistungen in LEUTE MIT FLÜGELN (R: Konrad Wolf).
- III. Klasse: An den Schriftsteller Harald Hauser für WEISSES BLUT (R: Gottfried Kolditz).
(Filmspiegel, 22/1960, S. 11; ND, 7. Oktober 1960, S. 5)
November 1960
4. November
Premiere des DEFA-Spielfilms FÜNF PATRONENHÜLSEN. Die Geschichte, die der ehemalige Spanienkämpfer Walter Gorrish schrieb, inszeniert Regisseur Frank Beyer in Form eines Western. Unter sengender Sonne, in karger Kulisse gelingen eindrucksvolle Szenen. Insbesondere die von Szenenbildner Alfred Hirschmeier in Bulgarien und Altenburg in Szene gesetzte „spanische“ Landschaft und die Härte der Erzählung ohne den ideologischen Zeigefinger ziehen viele junge Menschen in die Kinos.
(Deutsche Filmkunst, 1/1961, S. 7-9; Filmspiegel, 24/1960, S. 59; Jahrbuch des Films 1960, Berlin, 1961, S. 35-36; Ralf Schenk: Mitten im Kalten Krieg 1950 bis 1960. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 152; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 281f)
13.–19. November
Die III. Internationale Leipziger Kurz- und Dokumentarfilmwoche wird unter dem Motto: „Der Film im Dienst des technischen, wissenschaftlichen und kulturellen Fortschritts. Für Frieden und Wohlstand der Völker“ ausgerichtet. Ab 1960 findet das Festival ohne den Spielfilm und jährlich im November statt.
Ab 1961 bis 1989 steht es als „Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche“ unter dem Motto: „Filme der Welt – Für den Frieden der Welt“. Es ist ein internationales Festival der Kategorie B. Aufgrund fehlender Mitgliedschaft und Anerkennung durch den Internationalen Filmproduzentenverband kann das Festival auch bis zum Ende der DDR nicht die Kategorie A erhalten. Veranstalter sind der Club der Filmschaffenden der DDR und der VEB Progress Film-Vertrieb, ab 1973 anstelle des Clubs das „Komitee Internationale Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche für Kino und Fernsehen“. Festivalkino ist die Filmbühne Capitol, Festivalbüro und Treffpunkt der Filmemacher das Messehaus Petershof.
Als „Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilme“ besteht das Festival gegenwärtig fort.
(Protokoll der III. Leipziger Woche 1960; Deutsche Filmkunst, 1/1961, S. 10-15; Filmspiegel, 23/1960, S. 3-4, 25/1960, S. 3-7; Jahrbuch des Films 1960, Berlin, 1961, S.161-175; Filmkurier, 1/1961, S. 14-18; ND, 15. November 1960, S. 7; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 397f, 435ff)
Dezember 1960
14. Dezember
Im Rahmen einer Feierstunde in der Staatsoper wird der Heinrich-Greif-Preises 1960 durch Kulturminister Alexander Abusch verliehen.
- I. Klasse: An das Kollektiv des DEFA-Spielfilms KABALE UND LIEBE um Regisseur Martin Hellberg, Kameramann Karl Plintzner, Hauptdarsteller Otto Mellies und Filmarchitekt Otto Horn
- III. Klasse: An das Kollektiv des DEFA-Animationsfilms LUFTPOST um Regisseur Klaus Georgi, Autorin Katja Georgi, Hintergrundgestalter Heinz Schulz und Komponist Horst Elsner.
(Filmspiegel, 27/1960, S. 2; ND, 15. Dezember 1960, S. 4)