DEFA-Chronik für das Jahr 1964
Januar 1964
Die Produktionsgruppe Kinderfilm des DEFA-Studios für Spielfilme wird zur Künstlerischen Arbeitsgruppe „Kinder- und Jugendfilm“.
(Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 136)
1. Januar
Hans Rodenberg scheidet als Stellvertretender Kulturminister der DDR aus und wird in hohe staatliche Funktionen gewählt. Seine Aufgaben als Stellvertretender Minister mit Verantwortung für den Filmbereich übernimmt Günter Witt, der ab sofort zusätzlich die HV Film leitet.
(Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 68, 81; Hans Rodenberg: Protokoll eines Lebens, Henschelverlag Berlin 1980, S. 217)
24.–26. Januar
Das erste Berliner Filmwochenende wird in Anwesenheit von 30 Gästen aus der Bundesrepublik und West-Berlin vom Club der Filmschaffenden in der DDR im Künstler-Club „Die Möwe“ ausgerichtet. Zwischen 1964 und 1965 finden fünf solcher Vernetzungstreffen in Ost-Berlin statt, zu denen westdeutsche Journalisten, Regisseure und Produzenten eingeladen werden. Ziel der Treffen ist die Wiederaufnahme eines stetigen inhaltlichen Austauschs zu filmischen Themen zwischen den beiden deutschen Staaten, nachdem viele Kontakte in Folge des Mauerbaus zum Erliegen kamen. Ein Gegenbesuch findet in München statt, zu dem jedoch nur 14 Vertreter aus der DDR reisen dürfen.
(Andreas Kötzing: „Wir sehen uns in der Möwe...“ . Der Club der Filmschaffenden der DDR und die „Berliner Filmwochenenden“ (1963-1965). In: AugenBlick. Konstanzer Hefte zur Medienwissenschaft. Heft 64: Cinéphilie (2015), S. 8–19.)
26. Januar
Premiere des DEFA-Kinderfilms LÜTT MATTEN UND DIE WEISSE MUSCHEL (R: Herrmann Zschoche). Es ist der dritte Kinderfilm, den Hermann Zschoche für die DEFA inszeniert. Die poetische kleine Geschichte um einen Jungen, der eine Reuse bauen will, und um einen Vater, der sich zu wenig kümmert, spricht sowohl Kinder als auch ihre Eltern an.
(DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 223; Filmspiegel, 24/1963, S. 6, 11/1964, S. 6; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 554f)
März 1964
8. März
Premiere des DEFA-Kinderfilms DIE SUCHE NACH DEM WUNDERBUNTEN VÖGELCHEN (R: Rolf Losansky).
(Filmspiegel, 3/1964, S. 8, 10/1964, S. 6-7, 11/1964, S. 6)
14. März
Verleihung des Heinrich-Greif-Preises 1964.
- I. Klasse: An die Schauspieler des DEFA-Films NACKT UNTER WÖLFEN (R: Frank Beyer) Erik S. Klein, Herbert Köfer, Wolfram Handel und Gerry Wolf.
- II. Klasse: An das Kollektiv „Zeitgeschichte” dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Fernsehfunks und des DEFA-Studios für Wochenschau und Dokumentarfilme angehören. Dazu zählen der Leiter und Autor Wolfgang Böttner, der Regisseur und Kameramann Günter Weschke und die Schnittmeisterin Charlotte Beck.
- III. Klasse: An den Dokumentaristen Joachim Hadaschik für sein gesamtes Dokumentarfilmschaffen.
(ND, 15. März 1964, S. 1; FWM 2/1964, S. 251-263)
April 1964
24.–25. April
Die zweite Bitterfelder Konferenz 1964 findet im Kulturpalast des Elektrochemischen Kombinats Bitterfeld statt. Veranstalter ist die Ideologische Kommission beim Politbüro des ZK der SED und Ministerium für Kultur. Hans Bentzin, Minister für Kultur, hält das Referat „Die Ergebnisse und weiteren Aufgaben der sozialistischen Nationalkultur in der DDR“. Walter Ulbricht spricht „Über die Entwicklung einer volksverbundenen sozialistischen Nationalkultur“.
In Vorbereitung der Tagung bittet der Kulturminister ausgewählte Künstler um Vorschläge zur Weiterentwicklung ihres Kulturbereiches. Für den Film sieht Kurt Maetzig kritisch, dass viele Filme aufgrund ihrer Einseitigkeit nicht ihr Publikum erreichen. Er befürchtet, dass die DEFA für die geplante 70mm-Technik nicht die entsprechenden Filmprojekte haben wird, da große massenwirksame Spielfilme des Westens ein wesentlich größeres Budget haben. Erwin Geschonneck wünscht sich Drehbücher, die nicht nur die überzeugten Genossen erreichen, sondern auch die distanzierteren Menschen, die eigentlich gewonnen werden sollen. Konrad Wolf spricht auf der Konferenz über Wege, Schriftsteller und Regisseure zu befähigen, verfilmbare Drehbücher zu schreiben.
(Zweite Bitterfelder Konferenz 1964, Berlin, 1964; Geschichte der SED, Abriss, Berlin, 1978, S. 458-459; Filmkurier – Informationsdienst, 4/1964, S. 5; Filmspiegel, 10/1964, S. 2; ND, 27. April 1964; In eigener Sache. Briefe von Künstlern und Schriftstellern. Mitteldeutscher Verlag 1964, S. 86-93, 114f)
Mai 1964
16. Mai
Premiere des DEFA-Spielfilms GELIEBTE WEISSE MAUS (R: Gottfried Kolditz). Der Komiker Rolf Herricht gibt in dem großen Publikumserfolg einen Verkehrspolizisten. Die Zuschauer lieben Herrichts Figuren, bei denen es sich meist um verschreckte, ängstliche Kleinbürger handelt, die sich überall durchmogeln und nur manchmal aufbegehren.
(DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 240; FWM, 3/1964, S. 853-866; Erika Richter: Zwischen Mauerbau und Kahlschlag 1961 bis 1965. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 185; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 142)
16.–18. Mai
Letztes Deutschlandtreffen der Jugend in Ost-Berlin mit 500.000 Jugendlichen. Es laufen sowjetische Spielfilme wie DIE LEBENDEN UND DIE TOTEN (OT: SHIWYJE I MJORTWYJE, R: Alexander Borissowitsch Stolper, 1963) und Die leibeigene Schauspielerin (OT: KREPOSTNAJA AKTRISA, R: Roman Tichomirow, 1963). Weiterhin DEFA-Filme wie GELIEBTE WEISSE MAUS (R: Gottfried Kolditz, 1964), MINNA VON BARNHELM ODER DAS SOLDATENGLÜCK (R: Martin Hellberg, 1962), IM JANUAR 1963 (R: Kurt Tetzlaff, 1963), EIN TAGEBUCH FÜR ANNE FRANK (R: Joalchim Hellwig, 1958) und DIE MUSICI (R: Katja Georgi, 1963).
(Filmkurier–Informationsdienst, 3/1964, S. 22, 4/1964, S. 4; Filmspiegel, 5/1964, S. 2)
23. Mai
Im Zuge der Stärkung der Eigenverantwortung der Künstlerischen Arbeitsgruppen (KAG) beschließt die SED-Parteidelegiertenkonferenz des DEFA-Studios für Spielfilme am 23. Mai die Reorganisation des DEFA-Spielfilmstudios. Die Stelle des Chefdramaturgen des Studios, die bisher von Klaus Wischnewski besetzt war, wird abgeschafft. Diejenigen Regisseure, die bisher KAG geleitet haben, übernehmen nur noch die künstlerische Leitung ihrer KAG und bekommen so mehr Zeit für ihre Regiearbeit. In allen KAG werden Kulturpolitiker als Leiter bzw. Chefdramaturgen eingesetzt.
(DEFA-Blende, 8/9/10, 1964, 14/1964, 17/1964, 20/1964; Ralf Schenk: Zeitzeugengespräch Klaus Wischnewski, 2000; Jochen Mückenberger: Die besten Jahre. Meine Zeit als DEFA-Generaldirektor 1961-1966. In: apropros: Film 2001. Das Jahrbuch der DEFA-Stiftung. Berlin 2001, S. 20; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 135ff)
Juli 1964
25. Juli
Premiere des DEFA-Spielfilms MIR NACH, CANAILLEN! (R: Ralf Kirsten) im Rahmen der dritten Sommerfilmtage der DDR. Manfred Krug, Typ des anarchischen und freiheitsliebenden Mannes, entwickelt sich, in seiner dritten Zusammenarbeit mit Regisseur Ralf Kirsten, zum Star. Das Drehbuch zu MIR NACH, CANAILLEN! wird ihm von Joachim Kupsch und Ulrich Plenzdorf auf den Leib geschrieben. Als einfacher Hirte, der stark, gefühlvoll, ungebildet aber witzig ist, erobert Krug das Publikum.
(DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 243f; Filmspiegel, 26/1963, S. 4; Erika Richter: Zwischen Mauerbau und Kahlschlag 1961 bis 1965. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 185; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 142)
September 1964
3. September
Premiere des DEFA-Spielfilms DER GETEILTE HIMMEL (R: Konrad Wolf) nach Christa Wolfs gleichnamigem Roman, der als eine der wichtigsten DEFA-Produktionen in die Filmgeschichte eingeht. Trotz noch offener innerdeutscher Grenze folgt die Protagonistin (gespielt von Renate Blume) ihrem Liebsten nicht in den Westen, da sie fühlt, dass sie in die DDR gehört. So wie Deutschland geteilt ist, zerreißt auch die Protagonistin fast an diesem Konflikt. Der Film mit seiner expressionistischen Bildsprache wird vom Publikum, Kritikern und Politikern kontrovers diskutiert, wobei Teile der SED schon das Buch für politisch falsch halten, da die Teilung Deutschlands darin als nationales Unglück dargestellt wird.
(DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 240f; FWM, 1/1964, S. 24-44, 3/1964, S. 565-595, 596-598, 1/1965, S. 34-42; BFF, 39/1990, S. 98-110; Filmspiegel, 1/1965, S. 22-23, 4/1966, S. 24; Progress-Filmblatt 1978; Erika Richter: Zwischen Mauerbau und Kahlschlag 1961 bis 1965 In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 175; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 142; Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam 2012, S. 135ff)
27. September
Premiere des DEFA-Kinderfilms DIE GOLDENE GANS (R: Siegfried Hartmann). Die heitere Märchenverfilmung lebt von den komödiantischen Leistungen der Darsteller, wie Peter Dommisch und Gerd E. Schäfer. In Erinnerung bleiben das natürliche Spiel des 21-jährigen Filmdebütanten Kaspar Eichel, die Running Gags und das „Lied vom Schuster Klaus“ von Siegfried Bethmann. Der Film wird 1966 auf dem Internationalen Kinderfilmfestival Gijon gezeigt.
(DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 241f; Filmspiegel, 14/1964, S. 12; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 323)
Oktober 1964
2. Oktober
Der DEFA-Dokumentarfilm FEIERABEND (R: Karl Gass) läuft in den Kinos an. Der Regisseur versucht, sich den Arbeitern, die auf der größten Industriebaustelle der DDR, dem Erdölverarbeitungswerk Schwedt an der Oder, arbeiten und leben, zu nähern. Er dreht bei den Rohrlegern in dem Barackenlager teilweise mit versteckter Kamera. Er zeigt die Prtagonisten in der Kneipe, in Arbeitsdiskussionen, beim Chanson-Vortragen, beim Malen, Tanzen ohne und mit Frauen, auch betrunken. Obwohl vieles inszeniert erscheint und zu sehr Wunschtraum, ist der Einblick in das Leben der „Nomaden“ ein aufschlussreiches Zeitdokument. Der Schlusskommenta lautet „Habt ihr manches gesehen, was Euch nicht gefällt? Euch gehört unsere ganze Achtung und Liebe“.
(FWM, 2/1964, S. 264-276; Filmspiegel, 6/1964, S. 7; DEFA 1946-1964 Studio für Wochenschau und Dokumentarfilme FILMOGRAFIE, Henschel Verlag Berlin 1969, S. 248; Hans-Jörg Rother: Auftrag: Propaganda. In: Schwarzweiß und Farbe, DEFA-Dokumentarfilme 1946-92. Filmmuseum Potsdam 1996, S. 110ff)
5. Oktober
Verleihung des Nationalpreises für Kunst und Literatur 1964.
- III. Klasse: An das Filmkollektiv des DEFA-SPIELFILMS FOR EYES ONLY - STRENG GEHEIM um Autor Harry Thürk und Regisseur János Veiczi.
(ND, 6. Oktober 1964, S. 4)
26. Oktober
Konstituierung des wissenschaftlich-künstlerischen Beirates beim Leiter der HV Film, Günter Witt. Mitglieder sind die Schriftsteller Walter Gorrish und Wolfgang Kohlhaase; die Regisseure Konrad Wolf, Annelie und Andrew Thorndike, Frank Beyer und Joachim Hasler; die Schauspieler Angelica Domröse, Erwin Geschonneck und Hans-Peter Minetti; die Filmwissenschaftler und Publizisten: Dr. Christiane Mückenberger, Dr. Heinz Baumert, Dr. Konrad Schwalbe, Heinz Hofmann und Horst Knietzsch.
(DEFA–Blende, 18/1964; Filmkurier–Informationsdienst, 11/12 - 1964, S. 12; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 82)
Dezember 1964
25. Dezember
Premiere des DEFA-Spielfilms DER FLIEGENDE HOLLÄNDER (R: Joachim Herz) nach der gleichnamigen Oper von Richard Wagner. Letztmalig verfilmt die DEFA damit einen Opernstoff.
(DEFA–Spielfilme 1946–1964, Filmografie, Hrsg.: Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 239; FWM, 3/1963, S. 758-775, 1/1965, S. 203-211; Filmspiegel, 2/1965, S. 9; Erika Richter: Zwischen Mauerbau und Kahlschlag 1961 bis 1965. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 182; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 143)