Filmstill zu "Mein lieber Robinson"

DEFA-Chronik für das Jahr 1968

 

Januar 1968

DDR-Filmwoche in Damaskus. Präsentiert werden die DEFA-Produktionen For eyes only – Streng geheim, Die gefrorenen Blitze (beide R: János Veiczi), Solange Leben in mir ist (R: Günter Reisch) und Der Traum des Hauptmann Loy (R: Kurt Maetzig).

Außerdem finden im Jahr 1968 folgende weitere Filmwochen der DEFA im nichtsozialistischen Ausland statt:

(Filmspiegel 3/1968, S. 3, 5/1968 , S.10-11; DEFA–Blende 6/1968; Filmspiegel, 9/1968, S. 8–9; Filmspiegel, 24/1968, S. 9-11)

11. Januar

Premiere des DEFA-Spielfilms DER MORD, DER NIE VERJÄHRT (R: Wolfgang Luderer). Friedrich Karl Kaul, einer der renommiertesten Anwälte der DDR, schreibt gemeinsam mit Walter Jupé das Buch zu diesem Politkrimi, der im Jahr 1929 spielt. Thematisiert werden die politischen und personellen Hintergründe der nicht verfolgten Morde an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg im Jahr 1919.
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1967, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 27; Filmspiegel, 3/1968, S. 8, 7/1967, S. 14; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 625f)

Februar 1968

1. Februar

Uraufführung des DEFA-Spielfilms ICH WAR NEUNZEHN von Konrad Wolf im Berliner Premierenkino Kosmos.

Der Regisseur verarbeitet darin – unterstützt durch Autor Wolfgang Kohlhaase – seine eigenen Erinnerungen als junger Angehöriger der Sowjetarmee bei der Befreiung Berlins. Es herrscht der leise, nachdenkliche Ton des Tagebuchs. Besonders einprägsam ist der jungen Leutnant Gregor – das Alter Ego Konrad Wolfs, gespielt von dem jungen Nachwuchsschauspieler Jaecki Schwarz. ICH WAR NEUNZEHN zählt zu den wenigen großen deutschen Filme über die Deutschen im Jahr 1945.

Walter Ulbricht und der sowjetische Botschafter in der DDR, Pjotr Abrassimow, finden den Film nicht heroisch genug und die Rolle der Roten Armee falsch dargestellt. Erst nach Vorführung des Films in Moskau, in der Militärakademie „M.W. Frunse“, in der Konrad Wolf einen Freund der Familie aus der Emigrationszeit kennt, wird die Aufführung des Films in der DDR nicht weiter behindert. Der Fürsprecher, der nun eine hohe Funktion im Warschauer Pakt einnimmt, ist von ICH WAR NEUNZEHN begeistert und sagt, dass er nach zehn Minuten vergessen habe, dass es sich um einen deutschen Film handle.
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1967, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 23f; Filmspiegel, 3/1968, S. 8-9; FWB, 1/1968, S. 47-66, 1969, S. 11-45, BFF, 39/1990, S. 121-133, 133-145; Film 68, Heft 12, S. 2-6; Prisma - Kino- und Fernseh-Almanach 1, Berlin, 1970, S. 31-37, 50-54; Klaus Wischnewski: Träumer und gewöhnliche Leute. 1966 bis 1979 In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 236ff; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 162; Jaecki Schwarz In: Spur der Filme (Hrsg. Ingrid Poss, Peter Warnecke). Ch. Links Verlag Berlin 2. Auflage 2006; S. 237f)

16. Februar

Premiere des DEFA-Spielfilms LEBEN ZU ZWEIT (R: Herrmann Zschoche). LEBEN ZU ZWEIT ist einer von mehreren, Ende der 1960er-Jahre gedrehter Filme, die in leichter Form moderne unabhängige junge Frauen mit ihren Stärken und ihre Schwierigkeiten im privaten Bereich zeigen.
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1967, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 25; Film heute und morgen, 1/1968, S. 2; Filmspiegel, 5/1968, S. 23; Film 68, Heft 13, S. 17; Klaus Wischnewski: Träumer und gewöhnliche Leute 1966 bis 1979. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 240; Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam 2012, S. 137)

26. Februar - 3. März

Der Dokumentarfilmregisseur Karl Gass wird auf der Generalversammlung der Internationalen Föderation der Filmdokumentaristen (AID) in Algier neben Joris Ivens (Niederlande) und Cesare Zavattini (Italien) zum Vizepräsidenten gewählt.
(ND, 7. März 1968, S. 4; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 424)

März 1968

31. März

Auf den XIV. Internationalen Oberhausener Kurzfilmtagen gibt es einen Eklat um Meinungsfreiheit und offene Diskussion. Der Disput entzündet sich an der Einhaltung der vereinbarten Regeln der Filmauswahl. Auch Gegenaktionen westdeutscher „Jungfilmer“ und Publikumsproteste beeinträchtigen die Festivalausgabe.

Die H&S-Produktion HILTON HANOI aus dem Zyklus PILOTEN IM PYJAMA sowie die DEFA-FIlme SAATFRÜCHTE SOLLEN NICHT VERMAHLEN WERDEN von Kurt Tetzlaff und 7 SÄTZE ÜBER DAS LERNEN von Peter Ulbrich werden vom Publikum positiv angenommen.
(Filmspiegel, 9/1968, S. 8-9; Besonders wertvoll – nicht in Oberhausen , Die Zeit, 5. April 1968, Abruf 25. April 2024)

April 1968

4. April

Premiere des DEFA-Spielfilms WIR LASSEN UNS SCHEIDEN. Regisseurin Ingrid Reschke, eine der wenigen Spielfilmregisseurinnen, ist damit die erste Frau bei der DEFA, die nicht „nur“ Kinderfilme, sondern auch Spielfilme für Erwachsene dreht. Der erfahrene Lustspielautor Rudi Strahl schrieb das Drehbuch dieses Alltagsfilms, in dem Eltern zu der Erkenntnis kommen, dass nur eine einheitliche Erziehung sinnvoll ist. Die ernste Problematik wird von leichter Hand inszeniert. 
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1967, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 30; Filmspiegel, 9/1968, S. 21; Klaus Wischnewski: Träumer und gewöhnliche Leute 1966 bis 1979. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 240; Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam 2012, S. 137; F.-B. Habel: Das große Lexikon der Spielfilme, Neuausgabe in zwei Bänden, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, S. 1048f)

30. April

Verleihung des Heinrich-Greif-Preises 1968.

  • I. Klasse: An das Kollektiv des populärwissenschaftlichen DEFA-Films 7 SÄTZE ÜBER DAS LERNEN um Regisseur Peter Ulbrich und Autorin Helga Schütz
  • I. Klasse: An das Kollektiv der Fernseh-Sendereihe SCHLAGER EINER KLEINEN STADT um Regisseur Fritz Boeck, Reporter Heinz Florian Oertel, Kameramann Herbert Wagner und Schnittmeisterin Christel Wolfrum.
  • III. Klasse: An den Schauspieler Werner Lierck für seine Darstellung im DEFA-Spielfilm DIE GEFRORENEN BLITZE (R: János Veiczi, 1967).

(ND, 1. Mai 1968, S. 2; Neue Zeit, 1. Mai 1968, S. 1; Berliner Zeitung, 1. Mai 1968, S. 6; FWB, 1/1968, S. 67-75; Filmspiegel, 10/1968, S. 2)

Mai 1968

26. Mai

Seit dem Mauerbau wird die BRD für viele DDR-Künstler, Schriftsteller, Theatermacher, Schauspieler oder Musiker zu einem Sehnsuchtsort künstlerischer und politischer Freiheit, vor allem zur Zeit der 68er-Bewegung.

Am 26. Mai bleibt Reiner Schöne, Schauspieler, Sänger und Musiker, nach einem Konzert für die Eisenbahner FDJ-Wahlveranstaltung vom DDR-Reichsbahn-Ausbesserungswerk Berlin-Wannsee im Westen. Ohne einen Koffer, nur mit den Aufnahmen seiner eigenen Kompositionen in der Tasche. Reiner Schöne ist der erste prominente Künstler, der die DDR nach dem Mauerbau verlässt. Mit 25 Jahren ist er in der DDR schon umjubelt und eines der großen aufsteigenden Talente. Gerade wurde ihm eine Doppelseite im „Filmspiegel“ gewidmet. Die Jugendzeitung „Junge Welt“ schreibt im November 1968: „Reiner Schöne hatte alles hier in der DDR… Jetzt wälzt er sich mit einer Gruppe Hippies nackt auf der Bühne. ... das ist wohl das letzte Mal, dass man von diesem jungen Künstler gehört hat...“ Im Westen macht er eine kometenhafte Karriere als Musical-Darsteller, Schauspieler und Sänger.
(Filmspiegel 5/1968 S. 9; 7/1968, S. 12f; Reiner Schöne, der einzige Deutsche, der je bei Star Trek mitspielen durfte . BZ, 25. Mai 2005, Abruf 17. April 2024; Junge Welt , 18. Januar 2017, S. 10; Website von Reiner Schöne , Abruf 17. August 2024)

Juni 1968

18. Juni

Auf dem Jahreskongress der Internationalen Vereinigung der Filmarchive (FIAF) in London wird Wolfgang Klaue, stellvertretender Direktor des Staatlichen Filmarchivs (SFA), in das Comité Directeur, das leitende Gremium der FIAF, gewählt. Herbert Volkmann, Direktor des SFA, wird aufgrund seiner Verdienste um die internationale Zusammenarbeit zum Ehrenmitglied des Comité Directeur auf Lebenszeit gewählt. Wolfgang Klaue behält diese Funktion bis zum Ende der DDR inne und wird anschließend Ehrenmitglied des Comité Directeur.
(ND, 19. Juni 1968, S. 4)

21. Juni

Im Rahmen der VII. Sommerfilmtage in der DDR wird der DEFA-Spielfilm HEISSER SOMMER (R: Joachim Hasler) auf der Freilichtbühne in Rostock uraufgeführt. Das Film-Musical mit den Schlagerstars Frank Schöbel und Chris Doerk, Musik von Gerd und Thomas Natschinski sowie Liedertexten von Jürgen Degenhardt und Hartmut König avanciert zum Lieblingsfilm junger Leute und ist bis heute ein Kultfilm.
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1967, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 21; Filmspiegel, 9/1968, S. 3, 12/1968, S. 4-7, 14/1968, S. 9, 15/1968, S. 12-13; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 163)

Juli 1968

Der Filmwissenschaftler Hermann Herlinghaus interviewt Andrew Thorndike, Dokumentarfilmregisseur und Präsident des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden (VFF), zum Thema „Hat das Kino eine Chance gegen das Fernsehen?“. Aktuell besteht das Kinopublikum zu 70 bis 75 Prozent aus 15- bis 22-jährigen, die in erster Linie Unterhaltungsfilme sehen wollen. Ältere Menschen gehen kaum noch ins Kino, Thorndicke plädiert nicht dafür, die Kinoproduktion vollständig auf das gegenwärtige Kinopublikum auszurichten, sondern auch Themen zu bearbeiten, die für höhere Altersschichten relevant sind. Die Sehbedürfnisse der heutigen Zuschauer sollten so befriedigt werden, dass sie als Publikum erhalten bleiben. In 10 bis 15 Jahren sollte der 30-jährige Zuschauer im Mittelpunkt stehen.
(FWB, 1/1968, S. 234–259; Filmspiegel 19/1968, 8f)

28. Juli

Carl Ballhaus stirbt im Alter von 63 Jahren. Von 1953 bis 1963 wirkte er als Regisseur im DEFA-Studio für Spielfilme und dreht DER TEUFELSKREIS (1956), DAMALS IN PARIS (1956), NUR EINE FRAU (1958), EIN MÄDCHEN VON 16 1/2 (1958), SAS 181 ANTWORTET NICHT (1959), HAUS IM FEUER (1959, 1960 abgebrochen) und MORD OHNE SÜHNE (1962).
(Filmspiegel, 17/1968, S. 3; DEFA-Blende, 16/1968, S. 3; Film und Fernsehen, 5/1995, S. 20-23)

August 1968

1. August

Uraufführung des Dokumentarfilms FRAUEN IN RAVENSBRÜCK von Joop Huisken in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrüc im Beisein ehemaliger Häftlinge aus der Sowjetunion, Belgien und der DDR. Der Film entsteht bei der DEFA als Auftragsproduktion für der Nationalen Mahn- und Gedenkstätten der DDR. Die begleitenden Texte für den Film verfasst der Schriftsteller Günter Kunert.

Vier Sprecher, darunter Gerry Wolff, sorgen für eine abwechslungsreiche, bisweilen auch dialogische Umsetzung des pathetischen und zugleich appellativischen Films, der noch bis in die späten 1980er-Jahre in Ravensbrück gezeigt wird.(Filmbibliografischer Jahresbericht 1968, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 58; Filmspiegel, 9/1967, S. 10-11; ND, 13. August 1968, S. 4)

20. August

In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 rücken Truppen von fünf Warschauer Pakt-Staaten in die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR) ein. Damit werden die als „Prager Frühling“ bezeichneten Reformversuche der kommunistischen Partei der ČSSR gewaltsam beendet.

Proteste von DEFA-Filmschaffenden gegen die Selbstbestimmung der Tschechoslowakei werden eher hinter vorgehaltener Hand formuliert. Noch unter dem Schock des 11. Plenums 1965 stehend, wagen sich nur wenige DDR-Intellektuelle, öffentlich ihre Solidarität mit den Reformern zu bekunden.

Der Dramaturgie-Student der Babelsberger Filmhochschule Thomas Brasch (später erfolgreicher Schriftsteller und Autor) gehört mit zu den Wenigen, die mit Flugblättern gegen den Einmarsch der Panzer protestiert. Wegen „staatsfeindlicher Hetze“ wird er zu 27 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach drei Monaten wird er zur Bewährung in einen Produktionsbetrieb geschickt und verliert die Möglichkeit, das Studium an der Filmhochschule oder andernorts fortzusetzen.

Ähnlich ergeht es dem Regisseur  Horst Bonnet, der sich in Vorbereitungen für die Dreharbeiten von ORPHEUS IN DER UNTERWELT befindet. Auch er verteilte selbst erstellte Flugblätter auf Berliner Parkbänken und wird zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Internationale Protestschreiben an die Regierung der DDR, u.a. von Boris Blacher, Yehudi Menuhin, Luigi Nono und Benjamin Britten, erwirken seine Freilassung nach 13 Monaten Haft.
(Claus Löser: Triptychon des Scheiterns. Die Spielfilme des Thomas Brasch. In: apropros: Film 2005. Das Jahrbuch der DEFA-Stiftung. Berlin 2005, S. 61; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 163; Ulrich Plenzdorf & Egon Günther In: Spur der Filme (Hrsg. Ingrid Poss, Peter Warnecke). Ch. Links Verlag Berlin, 2. Auflage 2006; S. 241f)

September 1968

4. September

Im DEFA-Studio für Synchronisation, Berlin-Johannisthal, wird OPERATION TRUST (R: Sergey Kolosov, 1967), eine vierteilige sowjetische Fernsehserie als 2000stes Filmwerk seit der Studiogründung 1946 bearbeitet. Im Jahr 1968 stehen 242 Filme zur Synchronisation auf dem Plan. Neuerung ist in diesem Jahr die Umstellung auf 16-mm-Synchronisation für den Deutschen Fernsehfunk.
(Filmspiegel 18/1968, S. 3)

Oktober 1968

3. Oktober

Verleihung des Nationalpreises für Kunst und Literatur 1968.

  • I. Klasse an das Filmkollektiv des DEFA-Spielfilms ICH WAR NEUNZEHN Regisseur Konrad Wolf, Schriftsteller Wolfgang Kohlhaase und Kameramann Werner Bergmann.
  • I. Klasse an Filmkollektiv des DEFA-Spielfilms DIE FAHNE VON KRIWOJ ROG um Regisseur Kurt Maetzig, Regisseur, Autor Hans-Albert Pederzani, die Schauspieler Erwin Geschonneck und Marga Legal sowie Kameramann Erich Gusko.
  • An das Kollektiv des Fernsehfilms WEGE ÜBERS LAND um Regisseur Martin Eckermann, Chefkameramann Hans-Jürgen Heimlich, Schauspielerin Ursula Karusseit, Dramaturgin Helga Korff-Edel, Schauspielerin Christa Lehmann, Schauspieler Manfred Krug und den Autor Helmut Sakowski.
  • An das Kollektiv des Fernsehfilms ZEIT IST GLÜCK um Regisseur Lothar Bellag, Schauspieler Wolf Kaiser, Kameramann Adam Pöpperl,Schauspielerin Christine Schorn, Schauspielerin sowie die Autoren Benito Wogatzki und Rudolf Böhm.

(Filmspiegel, 21/1968, S. 3)

10. Oktober

Premiere des DEFA-Spielfilms ABSCHIED von Egon Günther nach dem gleichnamigen Roman von Johannes R. Becher. Der Schriftsteller Günter Kunert schreibt das Drehbuch, auf dessen Grundlage eine Satire mit Anspielungen auf Untertanengeist und jugendlichen Ungehorsam ensteht. Der Film wird staatlich abgenommen und erhält das Prädikat „besonders wertvoll“. Allerdings verlassen Walter und Lotte Ulbricht die Premiere vorzeitig, Kunert und Günther dürfen sich nicht vor dem Publikum verbeugen und das anschließende Bankett unter Ulbrichts Schirmherrschaft wird abgesagt.

Der Witwe Johannes R. Bechers, die den Film unterstützt, soll Lotte Ulbricht zugeflüstert haben: „Das ist nicht unser Hans.“ Dass der Held die Prostituierte erschießt, also der spätere Kulturminister der DDR einen Mord auf dem Gewissen hat, kann in den Augen der „Obrigkeit“ kein Thema für einen Spielfilm sein. Nach einem erfolgreichen Kinostart in der ersten Woche wird der Film aufgrund einer Intervention des Ministeriums für Kultur nur noch sparsam zum Einsatz gebracht.
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1968, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 17; Filmspiegel, 22/1968, S. 8; Klaus Wischnewski: Träumer und gewöhnliche Leute 1966 bis 1979. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 239; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 163; Egon Günther. In Ingrid Poss und Peter Warneke (Hrsg.): Spur der Filme. Ch. Links Verlag Berlin, 2. Auflage, 2006, S. 244-248)

31. Oktober

Die Schnittmeisterin Ella Ensink (1897–1968), geborene Michalski, stirbt im Alter von 71 Jahren. Ihre Filmlaufbahn beginnt mit 16 Jahren als Elevin bei einem der mächtigsten Filmproduzenten, Erich Pommer. Sie arbeitet bei DECLA, UFA und Tobis bei Größen des Stumm- und Tonfilms wie Gerhard Lamprecht, Richard Oswald, Carl Lamac und anderen. Bei der UFA ist sie als Regieassistentin und bei der Tobis als Chefschnittmeisterin tätig. Nach Gründung der DEFA wird sie als Chefschnittmeisterin eine der tragenden Säulen des „Augenzeugen“ und später des Studios für Wochenschau und Dokumentarfilme. Aus ihrer Zeit bei der DEFA sind unter anderem BERLIN IM AUFBAU (1946), BOTSCHAFTER DES FRIEDENS (1948) gemeinsam mit ihrem Sohn, dem späteren Dokumentarfilmregisseur Bruno Kleberg) und LIED DER STRÖME (1954) wichtige eigenständige Arbeiten Ella Ensinks. Über 20 Jahre ist sie die unangefochtene Generalin der Schnitt-Etage der DEFA und bildet eine ganze Generation Schnittmeisterinnen aus. Im Alter von 71 Jahren schneidet sie mit FRAUEN IN RAVENSBRÜCK (1968) ihren letzten Film.
(Filmspiegel, 15/1968, S. 5, 23/1968, S. 3; Neue Filmwelt 1953/Nr. 7; Ella Ensink: Die Leute rasten ins Kino und fanden das gottvoll. In: Günter Jordan (Red.): Alltag des Dokumentarfilms. Erinnerungen an die Jahre des Anfangs 1946-1950. Berlin 1987, S. 58 -62; Günter Jordan: Wochenschau, Dokumentarfilm, Kulturfilm. In: Christiane Mückenberger/Günter Jordan „Sie sehen selbst, sie hören selbst...“ Die DEFA von ihren Anfängen bis 1949. Hitzeroth 1994, Foto S. 212; Schwarzweiß und Farbe, DEFA-Dokumentarfilme 1946-92. Filmmuseum Potsdam 1996, S. 43, 55f, 65, 287, 291f, 394; Günter Jordan: Ella Ensink-Kleberg. In: Sie. Regisseurinnen bei der DEFA und ihre Filme. Hrsg. Cornelia Klauß/Ralf Schenk. DEFA-Stiftung. Bertz+Fischer-Verlag 2019, S. 84-94)

November 1968

14. November

Premiere des Spielfilms DIE TOTEN BLEIBEN JUNG (R: Joachim Kunert) nach Anna Seghers gleichnamigen Roman. Einprägsam zeigt der Film deutsche Schicksale zwischen 1918 und 1945; Ermordete und Mörder, deutsche Täter und Opfer, Aufsteiger und Verlierer, Adel und Bürger, Militärs und Arbeiter. Kunerts Werk steht gegen Zerrbilder in der deutschen Geschichte.
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1968, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 27; Klaus Wischnewski: Träumer und gewöhnliche Leute 1966 bis 1979f. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 251, 254; Filmspiegel, 24/1968, S. 8; Film heute und morgen, 5/1968, S. 22, 6/1968, S. 14-15; Prisma - Kino- und Fernseh-Almanach 1, Berlin, 1970, S. 41-46)

Dezember 1968

30. Dezember

Heiner Carows Film DIE RUSSEN KOMMEN wird in der HV Film vorgeführt, nachdem das DEFA-Spielfilmstudio unter Leitung von Franz Bruk ihn als ausgezeichnet eingeschätzt hatte. Die HV Film dagegen überzieht den Film mit vernichtender Kritik, hauptsächlich, weil der Film einen Helden zeigt, der von Anfang bis Ende an die Nazi-Ideologie glaubt. In den Augen der HV Film wird eine Identifikationsfigur erwartet, die einen Sinneswandel vorlebt. Der Film wird letztendlich vom DEFA-Studio nicht zur Zulassung an die HV Film eingereicht.

Der eindrucksvolle Film über den Gewissenskonflikt eines Hitlerjungen am Ende des Zweiten Weltkriegs legt die Geschichte vieler Deutscher offen, die als Jugendliche begeistert der Nazi- Ideologie gefolgt waren. Heiner Carow hat das traumatische Erlebnis, die Entdeckung und Ermordung eines geflohenen russischen „Ostarbeiters“, in expressive Bilder und eine drängende Montage gebannt. Der Film kommt nach Restaurierung erst 1987 in die Kinos.

Die Überlieferung des Films ist der Schnittmeisterin Evelyn Carow, Carows Ehefrau, zu verdanken, die von der Original-Arbeitskopie illegal im Kopierwerk eine Kopie ziehen ließ.
(Filmbibliografischer Jahresbericht 1987, Staatliches Filmarchiv der DDR, S. 25f; Klaus Wischnewski: Träumer und gewöhnliche Leute 1966 bis 1979. In: Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. Potsdam 1994, S. 239; Ralf Schenk: Eine kleine Geschichte der DEFA. Daten, Dokumente, Erinnerungen. DEFA-Stiftung 2006, S. 164f; Heiner Carow In: Spur der Filme (Hrsg. Ingrid Poss, Peter Warnecke). Ch. Links Verlag Berlin 2. Auflage 2006; S. 239f; Günter Jordan: Film in der DDR, Daten - Fakten - Strukturen, Filmmuseum Potsdam, 2. überarbeitete Fassung 2013, S. 68; Ralf Schenk: DEFA 1946-1992. 100 Jahre Studio Babelsberg. Filmmuseum Potsdam 2012, S. 164f)

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